Wortgeschichte
Gewöhnlich in übler Bedeutung
1)
Im Französischen geht das feminine Substantiv clique auf das lautmalende Verb cliquer klicken, klappern, ein Geräusch/Lärm machen
zurück. Mit einer Clique wird ursprünglich eine Gruppe von Personen, die durch Klatschen ihre Zustimmung ausdrückt
bezeichnet (vgl. Pfeifer unter CliqueDWDS; 2DFWB 3, 772). Man könnte auch von einer Klatsch-Gesellschaft
sprechen, was die Bedeutungsähnlichkeit der Clique mit dem im 19. Jahrhundert ins Deutsche entlehnten Wort ClaqueWGd zeigt.
In deutschsprachigen Texten lässt sich das aus dem Französischen entlehnte Substantiv Clique seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachweisen (1765, 1769). Zuerst wird es mit Bezug auf Gruppenbildungen in Literatur und Politik gebraucht (1786, 1797, 1849a). Der Blick auf die frühen Belege zeigt, dass von Anfang an die abwertende Verwendung des Wortes Clique Personenkreis, der auf selbstsüchtige Weise vorrangig eigene Interessen und Ziele verfolgt
dominiert. Bezogen auf bestimmte gesellschaftliche, künstlerische, literarische oder politische Gruppen soll mit dem Spottwort
(s. 1DFWB 1, 116; 25Kluge, 174) Kritik, Spott, Ironie oder Ablehnung ausgedrückt werden.
Abb. 1: Wortverlaufskurve: „Clique, Kaste, Klüngel, Coterie“
DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)
Selbstverständlich gab es Gruppierungen mehrerer Personen mit gleichen (möglicherweise egoistischen) Interessen und Zielen bereits vor der Entlehnung des Wortes Clique ins Deutsche. Neben dem auch heutzutage synonym verwendeten Wort KlüngelWGd standen auch die älteren Lehnwörter KasteWGd und KlubWGd sowie der mittlerweile veraltete Ausdruck KoterieWGd zur Verfügung. Im 19. Jahrhundert finden sich Kaste und Clique sowie Koterie und Clique ebenso wie Claque und Clique auch in paarformelhaften Verbindungen (1849b, 1852, 1898). Im Vergleich zu den Wörtern Kaste, Klüngel und Koterie gewinnt die Clique allerdings immer mehr an Bedeutung, so zeigt die Wortverlaufskurve des DWDS für das Wort Clique ab ca. 1900 einen stetigen Anstieg mit einem Höhepunkt in der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Klicken und Banden setzen sich nicht durch
Im 19. Jahrhundert ist das Lehnwort Clique so etabliert, dass Jacob Grimm es 1860 in den zweiten Band des Deutschen Wörterbuchs aufnimmt (s.
1DWB 2, 629). Nur 13 Jahre später erscheint ein weiterer Artikel zu dem Wort, diesmal in der Schreibweise Klicke, allerdings versehen mit dem Hinweis man schreibt jetzt wieder clique
(s.
1DWB 5, 1159). Auch wenn bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts beide Schreibweisen nebeneinander verwendet werden (1812, 1849c, 1852), ist die eingedeutschte Form also nicht auf langfristige Akzeptanz gestoßen.
Auch die Bestrebungen, anstelle des französischen Lehnworts Wörter wie Bande, Genossenschaft, Rotte, Sippschaft oder Spießgesellschaft zu etablieren, sind nicht erfolgreich.2) Ein Grund für das Scheitern dieser Versuche ist möglicherweise, dass diese Ersatzwörter jeweils nur einen Teil des Bedeutungsspektrums des Ausdrucks Clique abdecken (vgl. 2010a), was das Berliner Conversationsblatt 1837 zu der folgenden sprachpatriotischen Aussage veranlasst:
Das WortCliquehat einen unangenehmen, fatalen Klang; unsre unschuldige und reine Sprache hat kein Wort, mit dem es übersetzt und in seinem vollständigen Umfange ausgedrückt werden könnte.
Machtgierig und korrupt
Im Kontext von politischer Herrschaftskritik, wenn Machtmissbrauch, Korruption und Protektion kritisiert werden, wird häufig das Wort Clique verwendet, um diejenigen Kreise zu bezeichnen, die sich gegenseitig Vorteile verschaffen und ihre Machtposition zur Erreichung ihrer selbstsüchtigen Ziele missbrauchen. Diese kritisch oder verächtlich bezeichneten gewissenlosen, herrschsüchtigen, korrupten oder machtgierigen Cliquen (1964, 1968, 1972) verfolgen aus Sicht der Sprecher nicht das allgemeine Wohl, sondern gebrauchen ihre Macht zur Erringung persönlicher Vorteile – teilweise ohne Skrupel hinsichtlich der angewandten Methoden
(vgl. Kossitsch 1952).
Clique wird dementsprechend auch als Schlüsselwort für den Sprachgebrauch der Wendezeit 1989/90 in der DDR angesehen (1990a, 1990b):
In der Wendezeit wird Clique für die von der SED dominierte DDR-Führungsschicht gebraucht. […] das Lexem Clique wird vorwiegend von DDR-Bürgern gebraucht, die mit der Wahl dieser Bezeichnung zum Ausdruck bringen, daß sie sich von der sich isoliert habenden Führung des Staates, dem sie angehören, hintergangen fühlen [s. Schlüsselwörter 1997, 328].
Es finden sich im Bezeugungszeitraum weitere Verbindungen mit Adjektiven wie z. B. elitäreWGd, herrschende, skrupellose, stalinistische Clique (1899, 1956a, 1973, 1990b), außerdem Komposita wie Regierungsclique, Führungsclique und Machtclique (1849d, 1979a, 2006), ferner die Wortbildung CliquenwirtschaftWGd sowie Komposita mit Eigennamen (Adenauer-Clique, Ulbricht-Clique) und Verbindungen mit der Präposition um und Eigennamen (die Clique um Honecker) (1956b, 1962, 1990b). Zudem steht das Wort Clique häufig in Wortpaaren wie Cliquen und ClansWGd (2010b) und in Verbindung mit bedeutungsähnlichen Substantiven wie KlüngelWGd, NetzwerkWGd, SeilschaftWGd und ZirkelDWDS (1989, 1999).
Propaganda und Widerstand: Clique in der NS-Zeit
Von den Machthabern des NS-Regimes wird der Ausdruck Clique wiederholt mit der implizierten Bedeutung Verbrecherbande
polemisch verwendet, um politische Gegner oder ausländische Regierungen zu diffamieren. In einer Rede vor Arbeitern der Siemenswerke in Berlin setzt Adolf Hitler 1933 in drei Absätzen das Wort Clique gezielt manipulativ ein, um gegen Juden zu hetzen, die er als kleine wurzellose internationale Clique
bezeichnet. Auch in der Kriegserklärung an Amerika am 11. Dezember 1941 gebraucht er das Wort Clique bewusst in herabsetzender Weise zur Stimmungsmache (der amerikanische Präsident und seine plutokratische Clique
).
Nachdem das von Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 ausgeführte Attentat in der Wolfsschanze
misslang, versucht Hitler in einer Rundfunkansprache die Widerstandsgruppe zu diskreditieren und das Attentat zu bagatellisieren, indem er von einer ganz kleinen Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer dummer Offiziere
sowie einer ganz kleinen Verräter- und Verschwörer-Clique
spricht (1944a). Aus Propagandagründen und um sich die Deutungshoheit über das Geschehen zu sichern, hält das NS-Regime an der Redeweise von der ganz kleinen Clique fest (vgl. 1946)3), auch wenn natürlich bekannt war, dass es sich keinesfalls um eine kleine Gruppe Einzelner, sondern um eine größeres, komplexes Netzwerk von Regimegegnern handelte.4)
Interessanterweise haben aber auch die Planer des Umsturzes rund um Stauffenberg das Wort Clique in ihrer Verlautbarung an die Wehrmachtsbefehlshaber, die für den Fall eines erfolgreichen Staatstreichs vorbereitet war, verwendet. In der Weisung wird vom Tod Hitlers und dem Putschversuch einer gewissenlosen Clique frontfremder Parteiführer
(1944b) berichtet. Das Attentat auf Hitler soll einer fiktiven Gruppe von Parteifunktionären angehängt werden, um so die Machtübernahme durch das Ersatzheer zu legitimieren.
Auch oppositionelle Widerstandsgruppen wie die Weiße Rose
verwenden als Gegner des Regimes das Wort Clique in ihren 1942/1943 verteilten Flugblättern, in denen zum Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur aufgerufen wird. Die politisch Verantwortlichen des NS-Regimes werden in dieser Protestaktion als Herrscherclique, Parteiclique und Verbrecherclique tituliert (1942a, 1942b, 1943):
Nichts ist eines Volkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrschercliqueregierenzu lassen. Und wer von uns ahnt das Ausmaß der Schmach, wenn einst der Schleier von unseren Augen gefallen ist und die grauenvollsten und jegliches Maß unendlich überschreitenden Verbrechen ans Tageslicht treten? Wir bitten Sie, dieses Blatt mit möglichst vielen Durchschlägen abzuschreiben und weiter zu verteilen!
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Das Gespenst der wilden Cliquen5)
Infolge der prekären wirtschaftlichen Verhältnisse leben zur Zeit der Weimarer Republik zahlreiche Jugendliche und erwerbslose junge Erwachsene aus den unteren sozialen Schichten in deutschen Großstädten auf der Straße. Sie sichern sich ihre Existenz unter schwierigsten Umständen als ungelernte Hilfsarbeiter und Tagelöhner, teilweise führt der Weg der verwahrlosten Jugendlichen auch in Kriminalität und Prostitution. Viele dieser jungen Menschen schließen sich in subkulturellen Gruppen (vgl. SubkulturWGd) zusammen. In den sogenannten wilden Cliquen, von denen es in Berlin zu dieser Zeit bis zu 600 gegeben haben soll (1931b), organisieren sich die Jugendlichen selbst; die Punks der Weimarer Republik
(s. Gutmair 2013) bilden eine urbane JugendkulturWGd mit eigenen Werten und Normen. Die wilden Cliquen sind stark hierarchisch organisiert, mit Anführern, die als Cliquenbullen bezeichnet werden sowie mit untergeordneten Cliquenburschen und -jungen (1932a, 1932b). Die Bezeichnungen Cliquenkuh und Cliquenliebsche drücken die Sichtweise auf weibliche Mitglieder der wilden Cliquen aus (1931c, 1932c). Um in der Gemeinschaft dauerhaft aufgenommen zu werden, müssen sich die Jugendlichen – die Cliquenlehrlinge – harten Ritualen wie den sogenannten Cliquentaufen unterwerfen (1931d, 1932d).
In zeitgenössischen Darstellungen werden die wilden Cliquen als renitent und verwildert wahrgenommen, es wird über undiszipliniertes, teilweise gewalttätiges und kriminelles Verhalten berichtet, wobei durchaus gesehen wird, wo der Ursprung der Verwahrlosung dieser jungen Menschen zu sehen ist:
Es waren meistenteils Jugendliche, deren Väter im Krieg, deren Mütter im Betrieb standen, um deren Fortkommen sich niemand scherte. Das war der Anfang der heutigen wilden Cliquen, deren Entwicklung zur Kriminalität, deren große Verbreitung das Chaos der Nachkriegs- und Inflationszeit, deren Fortbestehen der Obdach- und Arbeitslosigkeit zu verdanken ist. [1931e]
Während des Nationalsozialismus werden nicht nur wilde
Jugendgruppen wie die wilden Cliquen, sondern auch alle anderen Jugendverbände (z. B. die Bündische Jugend) systematisch bekämpft und verboten. Trotz Gleichschaltung, Verbot und Verfolgung gibt es Jugendliche, die ihre eigene Kultur leben und sich z. B. der Swing-Jugend
oder den Edelweißpiraten
anschließen. Jugendgruppen, die sich der Zwangsvereinnahmung durch die Hitlerjugend
beziehungsweise dem Bund deutscher Mädel
verweigern, sind wegen ihres abweichenden Verhaltens unerwünscht, werden kriminalisiert und der Verfolgung ausgesetzt (vgl. Struck 2015).
In einem Runderlass des Reichsjustizministeriums 1944c wird über das Auftreten und die Bekämpfung jugendlicher Cliquen und Banden
ausführlich berichtet und es werden rigorose Maßnahmen vorgestellt, um eine wirksame Bekämpfung dieses Unwesens zu gewährleisten
.
In der Clique sind meist die anderen
In allen gesellschaftlichen Bereichen, überall dort, wo gleichgesinnte Menschen sich zusammentun und ihre gemeinsamen Interessen verfolgen, können sich Kleingruppen – sogenannte informelle Gruppen (Korte/Schäfers 2016, 164–165) – bilden, die als Cliquen bezeichnet werden: im Sport (2012a), in Politik und Wirtschaft (2016a), im Bildungsbereich (2016b) sowie in Kunst und Kultur (2000a, 2012b). In vielen Belegen ist das Wort Clique heutzutage nicht mehr negativ konnotiert – es wird allgemein ein Personenkreis von Gleichgesinnten bezeichnet – aber die überwiegende Anzahl an Textstellen zeigt auch gegenwartssprachlich den von Anfang an dominierenden abwertenden Gebrauch.
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In jüngerer Zeit gibt es innerhalb der Diskussionen über den Wert und Nutzen von Beziehungsnetzen in Berufs- und Privatleben (vgl. NetzwerkWGd, NetworkingWGd) auch Ansätze, die den Aufbau und die Pflege von Cliquen positiv bewerten, zur Cliquenbildung auffordern, also insgesamt die Cliquen von ihrem schlechten Image befreien wollen (vgl. 2014). Eine positive Konnotation zeigt in diesem Kontext die okkasionelle Verbform cliquen in einem Zeitschriftenartikel mit der Überschrift So cliquen Sie richtig
(2008b).
Gegenwartssprachlich geläufig ist eine verallgemeinerte Bedeutung Gruppe
bzw. Freundesgruppe
des Wortes Clique (sich mit der Clique in der Kneipe treffen, mit der Clique unterwegs sein). Dieser Gebrauch ohne negative Konnotation findet sich zwar bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts (1841, 1842, 1924), eine Zunahme dieser Bedeutung ist jedoch erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts festzumachen (1969, 2000b), wie auch die Zusammensetzung Freundesclique seit den 1950er Jahren belegt ist (1956c). Obgleich der Ausdruck Clique in diesem Zusammenhang häufig auf junge Menschen bezogen wird (vgl. PeergroupDWDS), z. B. in der Zusammensetzung Mädchenclique (1979b), finden sich durchaus altersunabhängige Verwendungen (1981). Dass Jugendliche heutzutage üblicherweise von ihrer Clique oder gar von ihrer coolen Clique sprechen, kann bezweifelt werden, vermutlich wird das Wort als Fremdbezeichnung eher von außerhalb dieser Jugendgruppen stehenden Personen, z. B. den Eltern oder Lehrern, gebraucht. In dieselbe Richtung zielt die Beobachtung, dass der Ausdruck Clique häufig aus einer zeitlichen Distanz heraus benutzt wird (2008a, 2013, 2018).
Ob es sich bei der Jugendclique um eine rein freundschaftlich agierende Gruppe junger Menschen handelt (1986, 1992) oder ob eine Vereinigung von jugendlichen Kriminellen (vgl. Bande, Gang) gemeint ist, zeigt in der Regel der Kontext (1995) – und zweifellos können die Übergänge hier auch fließend sein.
Die Bedeutung kriminelle Vereinigung
ist seit den 1990er Jahren meist in Syntagmen mit Adjektiven wie rechtsextrem, rechtsradikal und kriminell (1996, 2016c) bezeugt, ansonsten in Verbindungen wie Gangs und Cliquen und Banden und Cliquen (1982, 2003a) sowie in Zusammensetzungen wie Terrorclique und Gaunerclique. Das Kompositum Verbrecherclique wird meist im politischen Kontext verwendet (2003b) und eher selten auf kleinkriminelle Banden (1959) bezogen.
Insgesamt kann man feststellen, dass der Ausdruck Clique nicht besonders häufig – und wenn, dann in der Bedeutung Freundesgruppe
– als Eigenbezeichnung verwendet wird. Als Fremdbezeichnung wird Clique gerne schlagwortartig und auch polemisch für die andere Gruppe
(Fremdgruppe) gebraucht, um den politischen Gegner, um konkurrierende, mächtige, erfolgreiche oder auch andersdenkende Gruppierungen zu kritisieren und abzuwerten. Die Gruppe, der man sich zugehörig fühlt (Eigengruppe), würde man dagegen aus der eigenen Perspektive mit neutralen oder positiv konnotierten Ausdrücken bezeichnen (vgl. z. B. TeamWGd).
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Klüngel oder Interessengruppe?
Ob Vorwürfe der Cliquenbildung im Einzelfall gerechtfertigt sind, ob es sich um Tatsachen und angebrachte Kritik oder um Unterstellungen und Vorurteile handelt, ist für die Verwendung des Wortes nicht relevant. Was wirkliche Gruppenarbeit oder Freundschaftsaktivitäten sind, was dagegen als negatives Cliquenwesen anzusehen ist, kann meist schwer oder gar nicht bestimmt werden (vgl. Kossitsch 1952). Die Übergänge sind fließend und die Bewertung liegt wie so oft im Auge des Betrachters. Eine Kontroverse im Ortsrat von Butzbach (Hessen) um die Auslegung des Wortes Clique zeigt, dass Diskussionen um die richtige Bedeutung
eines polysemen Wortes durchaus emotional geführt werden:
Die Aussage des SPD-Ortsratsvorsitzenden, die SPD werde sich bemühen, der politischen Show und der aggressiven Agitationsarbeit der Clique um Norbert Kartmann mit ruhiger Besonnenheit und Vernunft zu begegnen
(1980a), empfinden die CDU-Mitglieder des Ortsrats als Beleidigung. Sie fordern eine öffentliche Entschuldigung, zudem solle der SPD-Bürgermeister die Entgleisung
des Parteifreunds verurteilen: Clique bedeute nämlich laut Duden
(1980b). Es wird von Seiten der CDU sogar mit Boykott ihrer Tätigkeit im Magistrat gedroht, wenn die öffentliche Entschuldigung ausbliebe.
Die SPD kontert recht gelassen auf den Vorwurf. Man sehe keinen Grund, sich zu entschuldigen, sie hätten Sippschaft, Bande, Klüngel
– also Begriffe mit deutlich negativem Einschlagin Nachschlagewerken geblättert, in denen der Begriff nicht mit Bande oder Klüngel, sondern wertneutral mit Interessengruppe übersetzt wird
(1980c).
Bei einem mehrdeutigen Wort werden in Wörterbüchern selbstverständlich die verschiedenen Bedeutungen aufgeführt, jede Partei wird also in solch emotional geführten Kontroversen um die richtige Bedeutung
eines Wortes auch Argumente für die eigene favorisierte Lesart finden. Im Parteienstreit um die Clique haben sich die aufgebrachten Gemüter nach Konsultation von verschiedenen Nachschlagewerken anscheinend wieder beruhigt, über weitere Cliquen-Streitigkeiten
wird auf jeden Fall nicht berichtet.
Anmerkungen
2) S. 2Campe Verdeutschung, 195–196; Moritz, Wörterbuch, 187–188; 4Sommer, Wörterbuch, 92.
3) Die NS-Spitze hat Formulierungsvorgaben bezüglich der Bezeichnung der Beteiligten des 20. Juli in der Öffentlichkeit als kleine Clique
, die reaktionäre Ziele
verfolge, verbindlich festgelegt und diese Richtlinien in vertraulichen Schreiben an die Gauleitungen zeitnah bekannt gegeben, vgl. Keyserlingk-Rehbein 2018, 489–490.
4) Vgl. Keyserlingk-Rehbein 2018, 112: In der Forschung gelten mittlerweile die Zahlen von rund 600 verhafteten Personen und etwa 200 hingerichteten oder ermordeten Personen im direkten Zusammenhang zum 20. Juli 1944 als wahrscheinlich
.
5) S. 1931a: Ein Gespenst, unfaßbar, unentlarvbar, lauert im Hintergrund fast aller berliner Strafprozesse, die gegen Jugendliche geführt werden: das Gespenst der wilden Cliquen
.
Literatur
2Campe Verdeutschung Campe, Joachim Heinrich: Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. Ein Ergänzungsband zu Adelung’s und Campe’s Wörterbüchern. Neue stark vermehrte und durchgängig verbesserte Ausgabe. (Documenta Linguistica. Quellen zur Geschichte der deutschen Sprache des 15. bis 20. Jahrhunderts. Reihe II. Wörterbücher des 17. und 18. Jahrhunderts. Hrsg. von Helmut Henne.) Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Braunschweig 1813. Hildesheim/New York 1970. (mdz-nbn-resolving.de)
1DFWB Schulz, Hans/Otto Basler: Deutsches Fremdwörterbuch. Weitergeführt im Institut für deutsche Sprache unter der Leitung von Alan Kirkness. Bd. 1–7. Straßburg bzw. Berlin 1913–1988. (owid.de)
2DFWB Deutsches Fremdwörterbuch. Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler. 2. Aufl., völlig neu erarbeitet im Institut für Deutsche Sprache von Gerhard Strauß u. a. Bd. 1 ff. Berlin/New York 1995 ff. (owid.de)
1DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1–16. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. (woerterbuchnetz.de)
2DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Neubearbeitung. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (vormals Deutsche Akademie der Wissenschaften) und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. 1–9. Stuttgart 1983–2018. (woerterbuchnetz.de)
DWDS DWDS. Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute. (dwds.de)
Gutmair 2013 Gutmair, Ulrich: Die Punks der Weimarer Republik. In: taz, 19. 08. 2013, S. 15. (taz.de)
Keyserlingk-Rehbein 2018 Keyserlingk-Rehbein, Linda von: Nur eine „ganz kleine Clique?“ Die NS-Ermittlungen über das Netzwerk vom 20. Juli 1944. Berlin 2018.
25Kluge Kluge – Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearb. von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Aufl. Berlin/Boston 2011.
Korte/Schäfers 2016 Korte, Hermann/Bernhard Schäfers (Hrsg.): Einführung in Hauptbegriffe der Soziologie. 9., überarbeitete und aktualisierte Aufl. Einführungskurs Soziologie 1. Wiesbaden 2016.
Kossitsch 1952 Kossitsch, M. M.: Cliquen in der modernen Gesellschaft. In: Die Zeit (online), 4. 12. 1952, Nr. 49. (zeit.de)
Moritz, Wörterbuch Moritz, Karl Philipp: Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bd. 1–4. Berlin 1793–1800. 2. Nachdr. Hildesheim u. a. 1996. (bibliothek.uni-halle.de)
Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)
4Pierer Pierer’s Universal–Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart oder Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Vierte, umgearbeitete und stark vermehrte Aufl. Bd. 1–19. Altenburg 1857–1865. (zeno.org)
Schlüsselwörter 1997 Herberg, Dieter/Doris Steffens/Elke Tellenbach: Schlüsselwörter der Wendezeit. Wörter-Buch zum öffentlichen Sprachgebrauch 1989/90. Berlin/New York 1997. (owid.de)
4Sommer, Wörterbuch Sommer, Johann Gottfried: Neuestes wort= und sacherklärendes Verteutschungs-Wörterbuch aller jener aus fremden Sprachen entlehnten Wörter, Ausdrücke und Redensarten, welche die Teutschen bis jetzt, in Schriften und Büchern sowohl als in der Umgangssprache, noch immer für unentbehrlich und unersetzlich gehalten haben. Ein Handbuch für Geschäftsmänner, Zeitungsleser und alle gebildeten Menschen überhaupt. 4., verb. u. verm. Aufl. Prag 1833. (books.google.de)
Struck 2015 Struck, Bernhard: Widerstand im Nationalsozialismus/Jugendopposition. In: LEMO (Lebendiges Museum Online), 5. 8. 2015. (dhm.de)