Wortgeschichte
Entlehnung aus dem Französischen
Die Personenbezeichnung Claqueur ist aus dem Französischen in der Bedeutung bestellter Beifallklatscher
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins Deutsche entlehnt worden, desgleichen das Substantiv Claque, das eine Gruppe von bestellten Beifallklatschern bezeichnet. Im Französischen gehen die Substantive auf das schallnachahmende Verb claquer lautes Geräusch erzeugen, schlagen, klatschen
zurück (vgl. 25Kluge, 173, 2DFWB unter Claque; zu etymologisch verwandtem Klack vgl. 1DWB 5, 889). Claque bedeutet im Französischen zunächst Schlag (mit der flachen Hand)
, lautes Geräusch (wie ein Schlag)
sowie Beifall/Klatschen
(vgl. TLFi unter claque). Durch metonymische Übertragung vom Geräusch auf die Personen, die das Geräusch erzeugen, sind die im Französischen um 1800 nachgewiesenen Bedeutungen Beifallklatscher
bzw. Gruppe von Beifallklatschern
hervorgegangen (vgl. 1DHLF 1, 460). Die Wörter sind auch in andere Sprachen entlehnt worden, beispielsweise ins Englische (vgl. 3OED unter claque), ins Schwedische (vgl. SAOB unter klack) und Niederländische (vgl. WNT unter claque).
Abgesehen von älteren Belegen für das Wort Claque in anderen Bedeutungen, nämlich Überschuh
(1769) und Klapphut
(1807, 1809; vgl. Chapeau ClaqueDWDS), findet zuerst die Personenbezeichnung Claqueur bestellter Beifallklatscher
Eingang in deutschsprachige Texte (1819). Seine Herkunft zeigt das Substantiv zunächst in der für das Deutsche unüblichen Kleinschreibung (1822). Die heute gängige Pluralform Claqueure ist zuerst selten (1840), im 19. Jahrhundert dominiert die französische Form Claqueurs (1854b). Neben die französischen Wortformen treten dann jedoch bald ans Deutsche angepasste Varianten in Großschreibung (Claque: 1839a; selten auch Klaque und Klake: 1848, 1852a). Bis in die 1840er Jahre gelten Claque und Claqueur offenbar als nicht allgemein bekannt, was man aus beigefügten deutschen Erklärungen wie Klatschbande oder Klatscher schließen kann (1819, 1826, 1836). Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts können die Ausdrücke als ins Deutsche integriert angesehen werden.
Beifall auf Bestellung
Die frühen Belege für Claqueur und Claque in deutschsprachigen Texten beziehen sich auf die Pariser Theaterwelt und die sich dort um diese Zeit etablierende Praxis, bezahlte und versierte Beifallklatscher als Stimmungsmacher
in Schauspielhäuser zu bestellen, um das Publikum zu positiven Reaktionen zu animieren (1819). In der deutschen Presse wird dies vielfach als rein französische Angelegenheit beschrieben: In Deutschland hat sich dies Unwesen noch nirgends in bestimmter Form blicken lassen schreibt zum Beispiel im Jahr 1839b das Allgemeine Theater-Lexikon (vgl. auch 1854a). Doch auch wenn die Wörter Claqueur und Claque in deutschsprachigen Texten zunächst überwiegend auf die Verhältnisse in Frankreich bezogen werden, sind sie doch bald auch mit Bezug auf die deutschsprachige Theaterwelt bezeugt (1822, 1845a). Das Engagement der teilweise als dominant und manipulativ wahrgenommenen Beifallklatscher, der Einfluß dieses verderblichen Unwesens (1839c, 1839d) wird insgesamt kritisch gesehen. Dementsprechend ist neben dem wertfreien Gebrauch der Wörter (1839e, 1846) häufig eine abwertende Verwendung festzustellen.
Claque begegnet wiederholt in Kombination mit dem laut- und bedeutungsähnlichen, auch abwertend verwendeten Wort CliqueWGd, so zum Beispiel älter sprichwörtlich: Wem die Claque nicht soll fehlen, der muss sich eine Clique wählen (1867a, 1900; in übertragener Bedeutung: 1981, 2015) und in den pleonastischen Zusammensetzungen Claquenclique bzw. Cliquenclaque (1851, 1903, 1962).
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Ein einträgliches Gewerbe
Bezahlter Beifall (vgl. 1852b, 1890) ist keine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Den gezielten Einsatz von bestellten Beifallklatschern und Stimmungsmachern gab es bereits im antiken Theater (vgl. HWR 10, 112; Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs 2, 229; 1877). Im Jahr 1820 wird diese Art der Erfolgssicherung für kulturelle Aufführungen mit der Gründung der Agentur „Assurance de succès dramatique“ in Paris professionalisiert (1839d; vgl. Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs 2, 230). Hinter den im Publikum gezielt platzierten Claqueuren stand ein durchorganisiertes System. Der Chef de Claque bzw. Chef der Claque (1867b, 1890; jünger Claquechef: 1953) zeigte sich verantwortlich für den reibungslosen Ablauf der Beifalls-Choreografie. Untergeordnete Claqueure, die auch Chevaliers de lustre Ritter des Kronleuchters
genannt wurden (1845b), hatten nicht nur die Aufgabe, bei künstlerischen Höhepunkten des Stücks zu applaudieren, sondern auch zu lachen, zu jubeln, zu raunen oder zu weinen (1854b; vgl. Lexikon der Filmbegriffe unter Claqueur: Typen).
Das Claquenwesen war im 19. Jahrhundert offenbar ein einträgliches Gewerbe (1839f), das über Frankreich hinaus Bekanntheit erlangte und in vielen Schauspiel- und Opernhäusern etabliert war. In zeitgenössischen Berichten wurde jedoch auch über den Unmut des Publikums über die teilweise mächtigen und einflussreichen Claquen und die durch sie ausgelösten Tumulte in den Theatersälen geschrieben; sogar ein Verbot der klatschenden Freischärler mit Aufforderungen wie Hinaus mit der Claque und Nieder mit der Claque! wurde lautstark gefordert (1851, 1853, 1861, 1927). Die Dienste professioneller Applaus-Agenturen wurden im beginnenden 20. Jahrhundert größtenteils eingestellt (vgl. HWR 10, 114).
Applaus der Anhänger

Abb. 1: Skulpturengruppe „Die Claque“ von Guido Messer
Pixabay (pixabay.com) | vereinfachte Pixabay Lizenz
Der Gebrauch der Wörter bleibt nicht auf den Bereich der Theater- und Opernwelt beschränkt. Während die Ursprungsbedeutung von Claqueur/Claque an das Beifallklatschen während einer kulturellen Aufführung gebunden ist, löst sich die übertragene Bedeutung von diesem Kontext. Die Personenbezeichnung Claqueur ist bereits in den 1830er Jahren in der Bedeutung kritikloser Anhänger, der seine Zustimmung zur Schau stellt
belegt (1832). Und auch die Bezeichnung Claque ist schon früh in dieser Lesart bezeugt (1839g, 1852c, 1863). Das Beifallklatschen kann zum einen in anderen Umgebungen/Situationen, also zum Beispiel bei politischen Aktionen oder Reden, erfolgen (2005a), es kann sich aber auch um eine rein symbolische Zustimmung handeln. Die zur Schau gestellte Begeisterung für jemanden oder etwas, zum Beispiel als Befürwortung politischer Entscheidungen, wird als kritiklos, unaufrichtig und manipulativ bewertet; die Wörter Claque und Claqueur werden in der Übertragung stets abwertend verwendet (2015).
Von Mietenthusiasten, Warm-uppern und Klatschvieh
Im 19. Jahrhundert, als die französischen Entlehnungen Claque und Claqueur sich in der deutschen Sprache etablieren, begegnen auch andere Bezeichnungen für bestellte Beifallklatscher
. So ersinnt Heinrich Heine im Jahr 1844 die spöttisch gemeinte Zusammensetzung Mietenthusiast, als er über eine Konzerttour von Franz Liszt berichtet. Abgesehen von dieser Gelegenheitsbildung findet sich das Wort Vorklatscher (1818, 1855; vgl. 1DWB 12,2, 1233), das zwar vergleichsweise selten, aber bis heute noch bezeugt ist (1998). Weitere Präfixbildungen der Wortfamilie, nämlich Einklatscher (1996) und Anklatscher (2016), sind deutlich jünger: Sie kommen in den 1990er Jahren als Bezeichnungen für moderne Claqueure
im Fernseh- und Unterhaltungsbereich auf, die nach der Einführung des Privatfernsehens und neuer TV-Formate als Stimmungsmacher für das Studiopublikum eingesetzt werden – gelenkter Beifall als professionelle Dienstleistung ist wieder gefragt.
Seit den 1990er Jahren begegnet zudem der Ausdruck Anheizer: Gemeint ist eine Person, die das Publikum vor dem Beginn einer Aufführung/Fernsehshow einstimmt und für die gewünschte Stimmung sorgt (2005b). Synonym wird das Wort Warm-upper verwendet (2003) (vgl. Warm-upDWDS); die Personenbezeichnung geht auf englisch warm up zurück (vgl. 3OED unter warm-up, n. 5; Anglizismen-Wb., 1688).
Während Einklatscher, Anklatscher etc. wertungsneutrale Bezeichnungen für Personen sind, die das Beifallklatschen und Stimmungsmachen professionell gegen Bezahlung als Dienstleistung anbieten, wird das Kompositum Klatschvieh abwertend und despektierlich für das zum Klatschen animierte Studiopublikum verwendet. Die Zusammensetzung ist in Anlehnung an die ältere, ebenfalls abwertende Bildung StimmviehDWDS gebildet und kommt ebenfalls in den 1990er Jahren in Gebrauch (1993).
Literatur
Anglizismen-Wb. Anglizismen-Wörterbuch. Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz nach 1945, begründet von Broder Carstensen, fortgeführt von Ulrich Busse. Bd. 1–3. Berlin/New York 1993–1996.
2DFWB Deutsches Fremdwörterbuch. Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler. 2. Aufl., völlig neu erarbeitet im Institut für Deutsche Sprache von Gerhard Strauß u. a. Bd. 1 ff. Berlin/New York 1995 ff. (owid.de)
1DHLF Dictionnaire historique de la langue française, par Alain Rey et al., 3. Aufl. Bd. 1–2. Paris 2000.
1DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1–16. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. (woerterbuchnetz.de)
2DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Neubearbeitung. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (vormals Deutsche Akademie der Wissenschaften) und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. 1–9. Stuttgart 1983–2018. (woerterbuchnetz.de)
DWDS DWDS. Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute. (dwds.de)
Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs. Hrsg. von Christians, Heiko u. a., Bd. 1–2. Köln u. a. 2015–2018.
HWR Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Hrsg. von Gert Ueding. Mitbegründet von Walter Jens. Tübingen u. a. 1992–2015. 148540503.
25Kluge Kluge – Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearb. von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Aufl. Berlin/Boston 2011.
Lexikon der Filmbegriffe Wulff, Hans Jürgen (Hrsg.): Lexikon der Filmbegriffe. (uni-kiel.de)
3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)
SAOB Ordbok över svenska språket. Utg. av Svenska Akademien. Bd. 1–38. Lund u. a. 1898–2021. (svenska.se)
TLFi Trésor de la language française informatisé (Trésor de la language française, sous la direction de Paul Imbs/Bernard Quemada. Bd. 1–16. Paris 1972–1994). (atilf.fr)
WNT Woordenboek der Nederlandsche Taal. Bd. 1–29. ’s-Gravenhage u. a. 1882–1998. (ivdnt.org)