Wortgeschichte
Zur Wortbildung
Während das Substantiv EliteWGd bereits im 17. Jahrhundert erstmals bezeugt ist, kommt das dazugehörige Adjektiv elitär erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf (zunächst 1937, dann häufiger ab den 1950er Jahren, z. B. 1957b). Anders als bei dem Substantiv Elite handelt es sich nicht um eine Entlehnung aus dem Französischen, sondern um eine davon unabhängige Neubildung im Deutschen. Diese enthält das Lehnsuffix -är, das normalerweise zur Bildung von Adjektiven aus entlehnten Nomina verwendet wird wie in illusionär, defizitär, rudimentär.1) Im Französischen lautet das entsprechende Adjektiv élitiste; dazu passt im Deutschen am ehesten die – freilich selten bleibende – Bildung elitistisch (1979).
Die Bedeutung im Kontext
Die Bedeutung von elitär ist verhältnismäßig vage; es lassen sich daher je nach Bezugswort des Adjektivs mindestens drei Bedeutungsangaben machen, die sich teilweise auch überschneiden:
kennzeichnend für eine Elite
, z. B. sich elitär gebärden (1952), elitäre Geistesbildung (1957a)eine Elite darstellend, bildend
, z. B. in elitäre Minderheit (1957b), elitärer Professorenstand (1963), elitärer Zirkel (1978, 1984)für eine Elite bestimmt, einer Elite vorbehalten
, z. B. in elitäre Privilegien (1969, hier im Gegensatz zu egalitär), Arno Schmidts elitäres Mammutwerk Zettels Traum (1974)
Will man so etwas wie die Grundbedeutung des Adjektivs ermitteln, so könnte man diese, gewissermaßen als kleinsten gemeinsamen Nenner der Bedeutungspositionen 1–3, pauschal angeben als: in einem Bezug zu einer Elite stehend
. Die Art des Bezugs wird dann durch den jeweiligen Kontext näher bestimmt.
Elitäres Gerede: Bedeutungsverschlechterung ab ca. 1970
Zu den charakteristischen Eigenschaften, die man einer Elite zuweilen zuschreibt, gehören auch Einstellungen und Verhaltensweisen wie elitäre Koketterie (1971), elitäres Gerede (1973, 1975), elitäres Gehabe (1980a, 1997) und elitäre Haltung (2010). Gerade in Verbindung mit Bezugswörtern wie den genannten, die Handlungen, Einstellungen oder ein bestimmtes Verhalten bezeichnen, erhält das Wort tendenziell eine abwertende Konnotation: Ein elitäres Gerede oder ein elitäres Gehabe sind nicht nur schlicht eine für eine Elite charakteristische Redeweise bzw. ein entsprechendes Verhalten
, sondern sie sind gleichzeitig als arrogant
und abgehoben
zu verstehen. Dementsprechend können auch Personen und Personengruppen, die eine solche Haltung oder Redeweise zeigen, in dieser Weise bezeichnet werden (elitäre Snobs, 1989). Das Adjektiv elitär hat auf diese Weise eine pejorative Lesart herausgebildet, die man neben die oben erwähnten Bedeutungspositionen stellen kann.
Abb. 1: Wortverlaufskurve „elitär“ (Zeitungskorpora)
DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)
Eine naheliegende Annahme wäre, dass das Aufkommen dieser pejorativen Verwendung, die ab ca. 1970 in den Belegen greifbar wird, mit der Elitenkritik der zeitgenössischen Protestbewegungen in Verbindung steht. Hinzuweisen ist immerhin auf die Tatsache, dass elitär nach Ausweis der entsprechenden DWDS-Häufigkeitskurve von ca. 1972 bis 1975 einen ersten Höhepunkt aufweist (s. Abb. 1). Textbelege, die eine solche Kontextualisierung sicher zeigen, fehlen freilich (die frühesten sind die oben genannten 1971, 1973, 1975).
Zum Verhältnis von Elite und elitär
Hervorzuheben ist, dass das Substantiv EliteWGd keine vergleichbare Bedeutungsverschlechterung erfahren hat: Einer Elite anzugehören ist akzeptabel oder sogar sehr ehrenwert, elitär sollte man aber auch als Angehöriger einer Elite nicht sein (2002, vgl. auch 1980b). Nomen und Adjektiv haben sich hier also nicht im Gleichschritt entwickelt.
Anmerkungen
1) Zum Suffix -är/-ar vgl. Fleischer/Barz 2012, 349; zur Herkunft s. 25Kluge, 56.
Literatur
Fleischer/Barz 2012 Fleischer, Wolfgang/Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4., völlig neu bearbeitete Aufl. unter Mitarbeit von Marianne Schröder. Berlin/Boston 2012.
25Kluge Kluge – Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearb. von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Aufl. Berlin/Boston 2011.
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu elitär.