Wortgeschichte
Wortherkunft und erste Bezeugungen
Nobelviertel, das einen Stadtteil, dessen Erscheinungsbild von eleganten, vornehmen (Wohn-)Häusern und Geschäften bestimmt, wird bezeichnet (1992, 2013a), ist als Determinativkompositum bereits Ende des 19. Jahrhunderts bezeugt (1892). Es ist ein Unterbegriff von Stadtviertel, das seinerseits erstmals in der Mitte des 18. Jahrhunderts begegnet (1740). Gegenüber ReichenviertelWGd, das ebenfalls Wohngegenden Wohlhabender bezeichnet, umfasst Nobelviertel nicht nur teure und herrschaftliche Wohngegenden (1997b, 2002), sondern auch Geschäftsbezirke (2010b, 2013a). Vor allem aber impliziert Nobelviertel über die wirtschaftliche Lage der Bewohner hinaus stärker auch das Luxuriöse, das Vornehme (1997b, 2013b, 2014), hier wohl im Anschluss an die Bedeutung luxuriös, exklusiv, teuer
des Bestimmungswortes nobel (vgl. 10Paul, 708).
Verbreitung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Auch wenn Nobelviertel bereits während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vereinzelt verwendet wird (1921, 1971), findet es doch erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitere Verbreitung (1984, 1992, 1995). Nobelviertel tritt damit als Zusammensetzung vermehrt in etwa zeitgleich mit einer ganzen Reihe weiterer Bildungen mit Nobel-, angefangen bei Nobelhotel über Nobelrestaurant und Nobelkarosse bis hin zu Nobeldisko und Nobelschuppen, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf (vgl. die Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Zugleich handelt es sich in der Regel nicht um Selbst-, sondern um Fremdbezeichnungen, die wie in anderen Zusammensetzungen wie Nobelhotel auch spöttisch verwendet werden können (vgl. 10Paul, 708; 2013b, 2014).
Nobelviertel steht, wie Reichenviertel auch, am äußeren Ende des Spektrums an Wörtern, die zum Feld sozialräumliche SegregationWGd gehören, während sozialer BrennpunktWGd oder ElendsviertelWGd am entgegengesetzten Ende zu verorten sind (2004, 2010a). Wenn in Meldungen über Straftaten ein Stadtviertel als Nobelviertel bezeichnet wird, wie es in verschiedenen Belegen in den Korpora des DWDS seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Fall ist (1997a, 1999, 2000), dann zeigt sich hier, dass mit Nobelviertel die Vorstellung einer gewöhnlich niedrigen Kriminalitätsrate verbunden ist. Die bewusste Betonung, dass die Straftat gerade in einem Nobelviertel passiert ist, hebt also den ungewöhnlichen Charakter des Vorfalls oder aber der Art der Straftat hervor.
Im Vergleich zu Reichenviertel hat Nobelviertel insgesamt eine höhere Verbreitungsfrequenz (vgl. die Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).
Literatur
Duden online Duden online. Hrsg. von der Dudenredaktion. Mannheim 2011 ff. (duden.de)
10Paul Paul, Hermann: Deutsches Wörterbuch. Bedeutungsgeschichte und Aufbau unseres Wortschatzes. 10., überarbeitete u. erweiterte Aufl. von Helmut Henne, Heidrun Kämper und Georg Objartel. Tübingen 2002.