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Migrant Arbeitsmigrant

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Die Personenbezeichnung Migrant ist im Deutschen seit den 1980er Jahren belegt. Das Substantiv bezeichnet eine Person, die zeitweise oder dauerhaft in einem anderen Land als ihrem Herkunftsland lebt. Es kann sowohl auf Arbeitseinwanderer als auch auf Menschen, die sich längerfristig illegal in einem Land aufhalten, bezogen werden. Wenig früher als Migrant ist bereits das Kompositum Arbeitsmigrant nachweisbar.

Wortgeschichte

Migrant: Eine junge Wortbildung

Die DWDS-Wortverlaufskurve zeigt an, dass Migration und Migrant in den DWDS-Zeitungskorpora wesentlich frequenter sind als migrieren und Emigrant.

Abb. 1: DWDS-Wortverlaufskurve zu Migration, Migrant, Emigrant und migrieren.

DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)

In der Wortfamilie um MigrationWGd gehört die Personenbezeichnung Migrant zu den jüngeren Bildungen: Sie ist erst seit den 1980er Jahren im Deutschen belegt (1988, 1992). Wie bei exogenen Wortbildungen nicht ungewöhnlich (vgl. Fleischer/Barz 2012, 240), lässt sich nicht mit Sicherheit angeben, von welcher Basis das Substantiv abgeleitet wird. Eine Ableitung von migrieren ist unwahrscheinlich, da das Verb zur Zeit der Bildung von Migrant im Vergleich etwa zu MigrationWGd oder EmigrantWGd nur selten belegt ist (vgl. Abb. 1 sowie die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Eher ist eine Rückbildung zu älterem Emigrant denkbar. Ebenfalls in Erwägung zu ziehen ist ein Suffixtausch, wie er in der exogenen Wortbildung nicht unüblich ist: Migrant wäre dann auf der Basis des sehr häufig bezeugten Substantivs Migration gebildet. Mit den drei Wörtern migrieren/Migrant/Migration wird dann auch in diesem Fall ein für Lehnwortbildungen geläufiges Muster etabliert, wie es auch in denunzieren/Denunziant/Denunziation gegeben ist (vgl. auch Fleischer/Barz 2012, 240). In jedem Fall ist aber auf englisch migrant hinzuweisen, das bereits im 18. Jahrhundert belegt ist (vgl. 3OED unter migrant, n..

Semantisches Spektrum von Migrant

Seit seinen frühesten Bezeugungen trägt Migrant die Bedeutung Person, die ihr Herkunftsland verlassen hat, um zeitweise oder dauerhaft in einem anderen Land zu leben (1988). Das Substantiv wird entsprechend für (Arbeits-)Einwanderer, vornehmlich der ersten Generation, und damit im Kontext legaler Migration verwendet (1995a, 1998b, 2000a). Wenig früher als Migrant ist im Übrigen bereits das Kompositum Arbeitsmigrant belegt (1986a, 1986b), möglicherweise als Bildung zum früher belegten Arbeitsmigration (1973). Arbeitsmigrant bleibt allerdings insgesamt deutlich weniger verbreitet als Migrant selbst (vgl. Abb. 2 sowie die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).

Arbeitsmigrant begegnet ebenso wie Migrant auch als neutrale Bezeichnung, mit der das ältere Gastarbeiter vermieden werden soll (1995b, 1995c, 2004, 2011b). In den Quellen zeigt sich auch, dass mit der Verwendung von Migrant anstelle von Gastarbeiter (2000d) wenigstens zum Teil das Bemühen um ein neutrales Wort verbunden ist (1995c, 1998a). Daneben begegnen seltener Verwendungen in Bezug auf die Nachkommen von (Arbeits-)Immigranten, dann auch in Wortverbindungen wie Migrant der zweiten oder dritten Generation (1998c, 1998d). Hier ist der semantische Übergang zur Wortverbindung mit MigrationshintergrundWGd anzusetzen. Darüber hinaus wird Migrant aber auch synonym zum älteren ImmigrantWGd verwendet und bezieht sich hier nicht nur auf solche Einwanderer, die im Zuge bilateraler Anwerbeabkommen der jungen Bundesrepublik nach Deutschland gekommen sind, sondern auf Einwanderer im Allgemeinen (2000e, 2023).

Migrant kann zudem mindestens seit Beginn der 1990er Jahre auch auf sich längerfristig oder dauerhaft illegal in einem Land aufhaltende Personen bezogen werden (1994, 1996, 1997, 2020). Hier können sich semantische Überschneidungen zu anderen Personenbezeichnungen des semantischen Feldes Migration wie beispielsweise Flüchtling (1999b, 2000b, 2001, 2003), Asylant (2016) bzw. Asylsuchende oder Asylbewerber (2000c) ergeben, ohne dass die Wörter gleichwohl in einem synonymen Verhältnis zueinander aufgehen (1999a, 2011a).

Literatur

Fleischer/Barz 2012 Fleischer, Wolfgang/Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4., völlig neu bearbeitete Aufl. unter Mitarbeit von Marianne Schröder. Berlin/Boston 2012.

3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)

Belegauswahl

Wir wollen dadurch gleichzeitig erreichen, daß die Arbeitsmigration in die Bundesrepublik eingedämmt wird.

Plenarprotokoll vom 6. 12. 1973. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 07/69, S. 4179. [DWDS] (bundestag.de)

Wir als GRÜNE haben die Erklärung des Europäischen Parlaments trotzdem nicht zu unserem eigenen Antrag machen können, weil sie uns zu allgemein, zu unverbindlich, zuwenig konkret die tatsächliche Fremdenfeindlichkeit in der Bundesrepublik beschreibt, (Zustimmung bei den GRÜNEN) weil die Erklärung keinerlei konkrete Vorstellungen darüber enthält, wie die politischen und sozialen Rechte von Millionen von ausländischen Arbeitsmigranten und ihren Familien, die zum großen Teil seit Jahrzehnten unter uns leben, gesetzlich und politisch abgesichert werden sollen, weil uns klare und eindeutige Aussagen vor allen Dingen zur uneingeschränkten Absicherung des Grundrechts auf Asyl fehlen.

Plenarprotokoll vom 25. 9. 1986. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 10/232, S. 17991. [DWDS] (bundestag.de)

Sie finden in dieser Erklärung keine einzige Aussage zum Wahlrecht, zum Niederlassungsrecht — auch wenn das jetzt in den Reden teilweise völlig zu Recht angesprochen worden ist —, zur politischen Gleichberechtigung von Arbeitsmigranten und Flüchtlingen, was dem Reichtum und auch der politischen und historischen Verantwortung unseres Landes entspräche.

Plenarprotokoll vom 25. 9. 1986. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 10/232, S. 17991. [DWDS] (bundestag.de)

Dies ist auch deswegen wichtig, weil wir wissen, daß die meisten Migranten nicht entschieden haben, ob sie ihre Lebensplanung auf ein Leben in der Gastgesellschaft abstellen wollen oder ob sie nicht eines Tages in ihr Ursprungsland zurückgehen wollen.

Deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates: über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 3. bis 8. Oktober 1988 in Straßburg. In: Deutscher Bundestag: Drucksache Nr. 11/3316 vom 14. 11. 1988. [DWDS] (bundestag.de)

Anders als die Monophonen, die im Lande geblieben sind und sich dort ebenso redlich wie selbstgewiß von ihrer Wahrheit nähren, hat der Migrant also erfahren, wie relativ die scheinbar so selbstverständlichen kulturellen und religiösen Weltbilder sind; wie willkürlich, wie künstlich ihre Definition der Wirklichkeit ist. Und gerade hier liegt der Ansatzpunkt für die Kunst, die den vermeintlichen Fakten der festgefügten Glaubenssysteme ihre spielerischen Fiktionen entgegenstellt.

Süddeutsche Zeitung, 16. 5. 1992. [IDS]

Bisher galt zwischen beiden Nachbarstaaten das "Passauer Protokoll, dem zufolge Tschechien jene Migranten zurücknahm, die in Deutschland innerhalb einer Woche nach Grenzüberschreitung dingfest gemacht wurden.

Berliner Zeitung, 24. 3. 1994. [DWDS]

Die zumeist sehr gut ausgebildeten Migranten würden oft viel schlechter bezahlt als ihre deutschen Kollegen, kritisiert Meister.

Berliner Zeitung, 28. 7. 1995. [DWDS]

Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten haben bereits frühzeitig die Notwendigkeit und Aufgabe erkannt, den Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten, den „Gastarbeitern", Informationen über die Bundesrepublik, aber auch über das Herkunftsland zu vermitteln.

Bundesregierung: Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Ausländer über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland. In: Deutscher Bundestag: Drucksache Nr. 13/3140 vom 29. 11. 1995, S. 25. [DWDS] (bundestag.de)

3. Ältere Migrantinnen und Migranten Vor nunmehr 40 Jahren wurde der erste von mehreren Anwerbeverträgen geschlossen, in deren Folge „Gastarbeiter" in die Bundesrepublik Deutschland kamen.

Bundesregierung: Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Ausländer über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland. In: Deutscher Bundestag: Drucksache Nr. 13/3140 vom 29. 11. 1995. [DWDS] (bundestag.de)

Ihre Papiere haben die meisten Migranten vor Antritt der Fahrt wohlweislich weggeworfen oder bei Vertrauten hinterlegt.

Berliner Zeitung, 15. 7. 1996. [DWDS]

Nicaraguas Präsident Arnoldo Aleman warnte, eine Massenabschiebung illegaler Ausländer bedrohe die politische und wirtschaftliche Stabilität in den Heimatländern der Migranten.

Berliner Zeitung, 3. 4. 1997. [DWDS]

Schließlich ist an die ausländischen alten Menschen zu denken, die als „Gastarbeiter“ jahrzehntelang bei uns gearbeitet haben und in Deutschland bleiben wollen und die hinsichtlich ihrer Freizeit und Gesellungsbedürfnisse spezifische Anforderungen an die Wohnung, das Wohnumfeld, das Wohnquartier sowie an die offenen Angebote, an die Dienste und Hilfen der Altenhilfe stellen werden (siehe Kapitel XII „Wohnverhältnisse älterer Migranten“).

Bundesregierung: Zweiter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Wohnen im Alter und Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Sachverständigenkommission. In: Deutscher Bundestag: Drucksache Nr. 13/9750 vom 28. 1. 1998. [DWDS] (bundestag.de)

Das gastronomische Angebot, zu dem vor allem Migranten aus Südeuropa, China und Südamerika beitragen, ist nicht nur international, sondern liegt auch voll im Trend.

Der Tagesspiegel, 6. 3. 1998. [DWDS]

Filme von Migranten und Migrantinnen der zweiten und dritten Generation, bis 21. Oktober.

Der Tagesspiegel, 1. 10. 1998. [DWDS]

Dies zeige sich unter anderem an der Situation in Berlin, wo bereits die dritte Generation der Migranten lebt.

Der Tagesspiegel, 15. 10. 1998. [DWDS]

Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler gemeinsam anzusprechen leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration dieser jungen Menschen in unsere Gesellschaft.

Plenarprotokoll 14/56. In: 56. Sitzung des 14. Bundestages. [DWDS]

Schäuble sagte, eine Stichtagsregelung wäre eine „Steilvorlage für Flüchtlinge und illegale Migranten, um ihre Verfahren hinauszuzögern“.

Berliner Zeitung, 18. 11. 1999. [DWDS]

Immerhin ein Viertel aller in Deutschland lebenden Migranten wollen im Alter in Deutschland bleiben und nicht in ihre Heimat zurückkehren.

Der Tagesspiegel, 4. 1. 2000. [DWDS]

In den allermeisten Fällen sind die Gründe für das Verlassen der Heimat, ökonomische und politische, nicht voneinander zu trennen. Oft sind die Grenzen zwischen Migrant und Flüchtling fließend.

Berliner Zeitung, 17. 5. 2000. [DWDS]

Die rot-grüne Regierungskoalition will nicht nur das generelle Arbeitsverbot für Asylbewerber aufheben, sondern auch anderen Gruppen von Migranten den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern.

Berliner Zeitung, 20. 5. 2000. [DWDS]

Denn es war die Union, die in den 60ern die Migranten ins Land geholt hatte.

Der Tagesspiegel, 28. 6. 2000. [DWDS]

Migranten werden benötigt, um den Bevölkerungsrückgang und die Überalterung der Gesellschaft auszugleichen.

Der Tagesspiegel, 11. 7. 2000. [DWDS]

Überall steigt die Zahl der Migranten, der Vertriebenen und Flüchtlinge.

Weizsäcker, Richard von: Dreimal Stunde Null? 1949 1969 1989, Berlin 2001, S. 176. [DWDS]

Aus den vielfach tragischen Flucht-Biografien von Migranten macht Knapp einen höchstens zeitweise etwas schlappen Hans im Glück auf Wanderschaft; Konflikte um Einwanderung werden darauf reduziert, dass deutsche Muttersprachler, zu Migranten gewandt, falsches Deutsch benutzen.

Der Tagesspiegel, 20. 7. 2003. [DWDS]

Die Bundesregierung traf deshalb 1955 mit Italien die erste Anwerbevereinbarung für Arbeitsmigranten – die so genannten Gastarbeiter kamen.

Der Tagesspiegel, 2. 2. 2004. [DWDS]

Während Migranten in Sachen Ausbildung und Beschäftigung deutlich benachteiligt sind, stehen Asylsuchenden keine ausreichenden Sozialleistungen zur Verfügung.

Mittwochs beim Freitag – Jacob Jung: Kleine Presseschau (1.10). In: Jacob Jung Blog (Blog), 6. 7. 2011. [DWDS] (wordpress.com)

Ich wurde vom Gastarbeiter zum Ausländer, dann zum Migranten und schließlich zum Deutschen mit Migrationshintergrund, […](Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) dabei wollte ich eigentlich immer nur ein Mensch sein.

Plenarprotokoll vom 26. 10. 2011. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 17/135, S. 16031. [DWDS] (bundestag.de)

Nach wie vor bin ich der Meinung, dass der Kern des Asylrechtes verteidigt werden muss und ich formuliere das deshalb so, weil nicht jeder Migrant auch ein Asylant im Sinne der Internationalen Rechtsordnung ist.

Fischer, Heinz: Rede von Bundespräsident Heinz Fischer zum Thema „60 Jahre Mitgliedschaft Österreichs im Europarat“, 20. 4. 2016. [DWDS] (archive.org)

Es sei unzulässig, dass Ungarn illegal eingereiste Migranten abschiebe, ohne den Einzelfall zu prüfen, befand das höchste EU-Gericht am Donnerstag (Rechtssache C-808/18).

Der Tagesspiegel, 18. 12. 2020. [DWDS]

Eine Einbeziehung aller muslimischen Immigranten auf der jeweiligen Länderebene beispielsweise lehnte die Studie ab, da die Ergebnisse dann nicht vornehmlich den Vergleich zwischen verschiedenen europäischen Ländern zeigten, sondern eher zwischen den jeweiligen Herkunftsländern der Migranten.

WZB-Studie zu religiösem Fundamentalismus. In: Wikipedia: Die freie Enzyklopädie. 16. 7. 2023. [DWDS] (wikipedia.org)