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vormodern Vormoderne

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Erste Bezeugungen des Adjektivs vormodern, eine Bildung aus modern und dem Präfix vor-, datieren auf die Mitte des 19. Jahrhunderts. Zunächst im Sinne von unmodisch verwendet, entwickelt sich von hier aus die allgemeinere Bedeutung veraltet, nicht mehr zeitgemäß, die im 20. Jahrhundert auch abwertend im Sinne von rückständig verwendet wird. Daneben ist seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts auch die Bedeutung auf die Epoche vor der (westlichen) Moderne belegt. Auf der Grundlage dieser Bedeutung wird in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Substantiv Vormoderne in entsprechender Bedeutung gebildet.

Wortgeschichte

Von unmodisch zu veraltet, nicht mehr zeitgemäß

Erste vereinzelte Bezeugungen des Adjektivs vormodern, eine Bildung aus dem Grundwort modernWGd und dem Präfix vor-, reichen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurück (1845a, 1845b, 1870). Ihre auf Mode und Stil bezogenen Verwendungen zeigen, dass die Entstehung des neuen Adjektivs wohl vor dem Hintergrund der Bedeutung modisch, dem zeitgenössischen Geschmack entsprechend, die modern unter Einfluss des Wortes Mode ausbildet, zu verstehen ist und vormodern zunächst wohl veraltet bedeutet – und zwar im heute nicht mehr gängigen Sinne von unmodisch. Wohl von hier aus ist der Eingang in die Allgemeinsprache in der weiter gefassten Bedeutung veraltet, nicht mehr zeitgemäß zu begreifen (1886, 1965a, 2002a, 2014a). Des Weiteren sind sentimentalische Verwendungen zu verzeichnen, die aus der Perspektive der (Post-)Moderne einen vermeintlich vormodernen Zustand geradezu verklären (2016) – eine Haltung, die kulturgeschichtlich weit zurück reicht und gewissen Konjunkturzyklen unterliegt.

Auf die Epoche vor der (westlichen) Moderne bezogen

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts erhält das Adjektiv vormodern ein neues semantisches Profil und ist nun, wohl im Gegensatz zu moderne Gesellschaft, in der Bedeutung auf die Epoche vor der (westlichen) Moderne bezogen belegt (1874, 1885). Die konkrete Epoche, auf die das Adjektiv dabei rekurriert, hängt nun maßgeblich von der dem jeweiligen Sprechakt zugrundeliegenden Konzeption von Moderne ab und lässt sich daher nicht exakt bestimmen. Das Spektrum umfasst beispielsweise die Zeit bis 1800 oder die kulturelle Moderne der Jahrhundertwende – mithin zwei sehr unterschiedliche Konzeptionen (1888, 1899, 1908, 1980a, 1986, 2000b). Gleichwohl zeigt sich insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine deutliche Tendenz, insbesondere das europäische Zeitalter vor der Französischen Revolution als vormodern zu bezeichnen (1899, n- 1977, 1995b). Verwendungen in diesem Sinn tragen dann Konnotationen der vorindustriellen und vortechnischen Wirtschafts- und Lebensweise (1982b, 2002c, 2010a), einer noch nicht funktional ausdifferenzierten Gesellschaftsordnung (1979) sowie einer gegenüber der Moderne anderen Wissensordnung (2000a, 2002b, 2009).

Vor diesem Hintergrund ist ab Ende der 1960er Jahre und damit erst gut 100 Jahre nach dem Aufkommen des Adjektivs im deutschsprachigen Raum zudem die Substantivbildung Vormoderne belegt (1968 erscheint eine Studie zu Macht und Wirkung der Rhetorik, die den Untertitel Vier Aufsätze zur Ideengeschichte der Vormoderne trägt1), vgl. daneben 1978). Sie bezeichnet ihrerseits die Epoche vor der (westlichen) Moderne mit entsprechenden Konnotationen (1991, 2001c, 2001a). Als Vorläufer können hier wohl die bereits im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts belegte Kollokation vormoderne Zeit (1876, 1885, 1912) sowie die ab Mitte des 20. Jahrhunderts bezeugte Kollokation vormoderne Gesellschaft (1962, 1965b) gelten; beide Kollokationen werden im Übrigen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermehrt verwendet (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).

Die Abbildung zeigt die DWDS-Wortverlaufskurve zu vormodern und Vormoderne.

Abb. 1: DWDS-Wortverlaufskurve zu vormodern und Vormoderne

DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)

Dass das Substantiv nun gerade zu dieser Zeit in den Sprachhaushalt eingeht, ist wohl kein Zufall, sondern hängt sicherlich auch mit entsprechenden Diskurssträngen in den Sozial- und Geisteswissenschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammen (1981, 1995a, 1999b, 2004). Sowohl für das Adjektiv als auch für das Substantiv ist jedenfalls in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine steigende Verwendungsfrequenz zu verzeichnen (vgl. Abb. 1 sowie die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers; einschränkend ist anzumerken, dass das Bild der beiden Verlaufskurven hinsichtlich der Frage, ob das Adjektiv oder das Substantiv eine höhere Verwendungsfrequenz hat, basierend auf den unterschiedlichen Korpora keine übereinstimmenden Ergebnisse liefern).

Von nicht mehr zeitgemäß zu rückständig

Gelegentlich begegnen in jüngerer Zeit auch gegenwartsbezogene Verwendungen in Bezug auf außereuropäische Kulturen (2010b, 2014b, 2017a); in diesen Verwendungen wird das Wort auch abwertend in der Bedeutung rückständig gebraucht (2000c). Hier greifen die beiden Bedeutungen veraltet, nicht mehr zeitgemäß und auf die Epoche vor der (westlichen) Moderne bezogen ineinander. Diesen Äußerungen liegt in der Regel eine zutiefst eurozentristische Perspektive auf die europäische Moderne bzw. deren Modernisierungsprozess zugrunde, die zu Bezugspunkt und Gradmesser einer Entwicklung bzw. eines Fortschritts anderer Kulturen werden (vgl. dagegen allerdings auch 2017b). Diese Verwendung ist wohl auch in Zusammenhang mit der Semantik des Wortes ModernisierungWGd zu begreifen, das in der Soziologie ab etwa 1960 eine spezifische Verwendung zur Bezeichnung der Entwicklungsbemühungen in Ländern der Dritten Welt findet (GG 4, 129). Im Kontext entsprechender Modernisierungstheorien bedeutet Modernisierung seither Prozess der Transformation, der eine Gesellschaft von der Vormoderne in die Moderne überführt.

Vormodern und Postmodernismus

Zu verzeichnen sind nicht zuletzt Verwendungen des Adjektivs in Bezug auf Literatur und Künste, die seit Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder begegnen (1886, 1899, 1982a, 1990). In den ersten Bezeugungen dieser Art scheint die Dimension des Stils, die in den frühen, noch nicht sedimentierten Verwendungen des Wortes eine Rolle gespielt hat, nachzuwirken. Eine entsprechende Einordnung als vormodern ist dabei, soweit sie auf je zeitgenössische Künstler bezogen wird, zunächst überwiegend negativ konnotiert (1886, 1982a). Jüngere Belege (1980b) weisen darüber hinaus auch Bedeutungsaspekte einer Epochenschreibung auf, die Vormoderne, Moderne und PostmoderneWGd unterscheidet, hier nun spezifischer auf die Literatur- und Kunstgeschichte bezogen (1999a). Vor dem Hintergrund der nunmehr einsetzenden Beobachtungen einer Postmoderne bzw. eines PostmodernismusWGd kann vormodern im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts seine negativen Konnotationen verlieren und nun eher die Bedeutung einer früheren Epoche zuzuordnen tragen (1998, 2001b) – hier werden mithin beide zentralen Bedeutungen des Adjektivs wirksam.

Anmerkungen

1) Dockhorn, Klaus: Macht und Wirkung der Rhetorik. Vier Aufsätze zur Ideengeschichte der Vormoderne. Gehlen, Berlin-Zürich 1968.

Literatur

GG Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck. Bd. 1–8. Stuttgart 1972–1997.

Belegauswahl

Jetzt macht man kunstreich, oder besser, spekulativ, industriös aus einer bestimmten Anzahl abgetödteter, darum stiller, frommer, seliger Gedanken – „ein Buch, amüsirlich und lehrreich für Alt und Jung“ – ähnlich den Kirschnern, die aus zerstückelten Katzen-, Marder- und Iltisschwänzen eine vormoderne romantische Boa zusammenflicken, die auch abwechselungsweise die Großmutter, Mutter, Kinder und Kindskinder auf ihren Spaziergängen umthun können.

Stelzhamer, Franz: Mein Gedankenbuch. Erster Band: Prosa. Regensburg 1845, S. 57. (books.google.de)

Freund Còlestin, dem sich verrätherischer Weise seit Kurzem unter den Schläfen, wo sich der etwas vormoderne Lockenschnörkel mit dem ebenfalls veralteten, sturmbandähnlich von einem Ohre zum andern geschwungenen Barte zusammenschließt, etwas Grauliches ereignet, ist trotz dieses Grauens eine von jenen unverwelklichen semperfloreszenten Naturen, jene allmorgentlich beim Aufgang der neuen – oder alten, wie man will – Morgensonne hellerklingenden Memnonssäule, wie man sie in der ausgebreiteten Garçonschaft jeder Hauptstadt häufig zu finden pflegt […].

Der Humorist 9, 19. 3. 1845, Nr. 67, S. 265. (books.google.de)

Die vormoderne Antiqua ist in 13 Graden einfacher und 11 Graden verzierter Versalen vertreten […].

Journal für Buchdruckerkunst 37, 31. 8. 1870, Nr. 33, Sp. 345. (books.google.de)

Ja, wenn Das die Restaurationstheologie könnte, wenn sie die vormoderne Christenheit wieder erwecken könnte, dann hätte sie allerdings ihr Ziel erreicht; aber sie erweckt ja blos die vormoderne Fassung des Christenthums, und zwar der Eine mit mehr, der Andere mit weniger Virtuosität.

Seyler, Gotthold: Materialien zu einer Revision und Reform des Bekenntnissstandes der protestantischen Kirche im Deutschen Reiche. Gotha 1874, S. 389. (books.google.de)

In der vormodernen Zeit legte man die Bedetuung des Wissens in seine Uebereinstimmung mit der objectiven Wahrheit.

Pesch, T.: Die moderne Wissenschaft betrachtet in ihrer Grundfeste. Philosophische Darlegung für weitere Kreise. Freiburg im Breisgau 1876, S. 43. (books.google.de)

Viel wirksamer als die in ihren schwächsten Anfängen vorhandene Erkenntnis von der Salubrität des Bergklimas wirkte ein anderer ideeller Motor, der für die vormoderne Zeit als der wirksamste aller überhaupt in Betracht kommenden Beweggründe für das Eindringen in die Berge betrachtet werden muss, die Religion.

Berwerth, Fritz: Über die Erschliessung der Gebirge von den ältesten Zeiten bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. In: Jahrbuch des Siebenbürgischen Karpathen-Vereins. Jahrgang V. Hermannstadt 1885, S. 16–32, hier S. 29. (books.google.de)

Es ist eben der moderne Ton, der in ihnen anklingt. Wir haben seitdem zahlreiche geistliche Lieder von poetisch sehr begabten und frommen Verfassern erhalten; es sind das auch „moderne“ geistliche Lieder von außen angesehen; aber es ist von ihnen nur die Form modern, der Geist ist der alte, der vormoderne, wenn ich so sagen darf, und darum ist ihre Wirkung eine so viel andere.

Rothe, Richard: Novalis als religiöser Dichter. In: Gesammelte Vorträge und Abhandlungen Dr. Richard Rothe’s aus seinen letzten Lebensjahren. Eingeleitet von Dr. Friedrich Nippold. Elberfeld 1886, S. 64–82, hier S. 77. (books.google.de)

Um so dankbarer dürfen wir darum für alles sein, was das vormoderne Rom im Bilde festzuhalten geeignet ist, und dahin gehören Piranesis Kupferstiche und Radierungen.

Die Kunst für Alle 3, 15. 5. 1888, Nr. 16, S. 256. (books.google.de)

Bedenken Sie: Shakespeare ist ja vormodern, sein Leben fällt ja in eine noch weit von der französischen Revolution getrennten Periode!

Vischer, Friedrich Theodor: Shakespeare-Vorträge. Erster Band. Einleitung. Hamlet, Prinz von Dänemark. Stuttgart 1899, S. 59.

Ich will schließlich noch erwähnen, daß im vormodernen Japan allein eine Million Menschen lediglich von dem Trägergewerbe lebte, und daß um den Meilingpaß, über den der Transport von der östlichen Mitte Chinas nach Kanton geht, über 60000 Träger wohnen.

Friedrich, Ernst: Einführung in die Wirtschaftsgeographie: Produktion, Verkehr und Handel der Erde mit besonderer Berücksichtigung Deutschlands und der deutschen Kolonien. In: Ders.: Einführung in die Wirtschaftsgeographie. Leipzig 1908. [DTA]

Und so war umgekehrt in alten vormodernen Zeiten den Kirchen die Art ihrer Lösung des sozialen Problems nur darum möglich, weil sie mit der Gesellschaft zugleich den Staat in einer selbstverständlichen Abhängigkeit von sich hielten, weil Staat und Gesellschaft zusammen willig und überhaupt sich dem Glauben beugten und der Staat sich der Kirche für die Verwirklichung ihres Ideals zur Verfügung stellte.

Troeltsch, Ernst: Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen. Tübingen 1912, S. 12. [DWDS]

Dieselben Industrienationen haben die Reste der vormodernen Gesellschaft und ihrer politischen Ordnung Schritt für Schritt durch Revolution, Reform oder Auflösung inadäquater Machtpositionen beseitigt.

Bergstraesser, Arnold: Gedanken zu Verfahren und Aufgaben der kulturwissenschaftlichen Gegenwartsforschung. In: Kindermann, Gottfried-Karl (Hrsg.): Kulturen im Umbruch. Studien zur Problematik und Analyse des Kulturwandels in Entwicklungsländern. Freiburg im Breisgau 1962, S. 401–422, hier S. 413.

Doch zeigt sich eben darin, daß Hamburg Zeugnis ablegt für eine vormoderne Bildungspolitik, die man als sozial-konservativ bezeichnen körnte.

Die Zeit, 19. 11. 1965, Nr. 47. [DWDS] (zeit.de)

Wer das einfältige Leben vormoderner Gesellschaft mit seinen Krankheiten, seinen Abhängigkeiten, seiner Dumpfheit und Enge vorzieht, der soll dies für sich selbst und nicht für andere tun; der aktive Konservatismus, also die eigentlich reaktionäre Haltung, die den anderen ein vorgebliches Glück der Vergangenheit verschreiben und sie damit an jedem Schritt nach vorne hindern will, hat etwas Borniertes und Brutales.

Die Zeit, 19. 11. 1965, Nr. 47. [DWDS] (zeit.de)

Habermas selber fühlt sich offenbar durch diese „Sinnfrage“ beunruhigt und begegnet ihr gleich eingangs mit dem Hinweis, die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft sei ein Schlüssel, zur Analyse der „vormodernen“ Gesellschaft, und deshalb biete die Kapitalismusanalyse einen „ausgezeichneten Zugang“ zur Theorie der sozialen Evolution.

Die Zeit, 25. 3. 1977, Nr. 13. [DWDS] (zeit.de)

Die Reaktion ist eine Rückwendung zu jenen Formen, von denen man meint, sie hätten früher Urbanität und Bürgergeist beherbergt – zur „Vormoderne“, wobei plötzlich das verachtete 19. Jahrhundert wieder zu Ehren kommt, wenn auch manchmal auf recht verfremdete Weise.

Die Zeit, 25. 8. 1978, Nr. 35. [DWDS] (zeit.de)

Im Gegensatz zur vormodernen Gesellschaft mit ihren ständischen oder kastenartigen Gliederungen ist dabei das Individuum nicht einem Subsystem dauernd und vollständig zugeordnet, sondern jeder einzelne muß in vielen Bereichen mit ständig wechselnden Anforderungen, seine „Rollen“ spielen.

Die Zeit, 21. 12. 1979, Nr. 52. [DWDS] (zeit.de)

Allerdings bringt die kulturelle Moderne auch ihre eigenen Aporien aus sich hervor. Auf diese berufen sich Positionen, die entweder eine Nachmoderne ausrufen, die Rückkehr zur Vormoderne empfehlen oder die Moderne radikal verwerfen.

Die Zeit, 19. 9. 1980, Nr. 39. [DWDS] (zeit.de)

Die Dichtung wird demnach heute von zwei Seiten bedroht: von den prosahaft dilettierenden und stoffhubernden Scholaren eines ausufernden Langzeilen-Gedichts, aber auch von den ewig Gestrigen, die Traditionsbewußtsein mit Restäurationsideologie verwechseln und, zusammen mit den Nachlässigkeiten der Postmoderne, auch gleich die Meisterleistungen der klassischen Moderne außer Kraft zu setzen versuchen – zugunsten der Muster der Vormoderne.

Die Zeit, 21. 11. 1980, Nr. 48. [DWDS] (zeit.de)

Können wir, die wir modernen Gesellschaften angehören, aus dem Verständnis alternativer, insbesondere vormoderner Lebensformen nicht etwas lernen?

Habermas, Jürgen: Theorie des kommunikativen Handelns. Band 1. Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung. Frankfurt a. M. 1981, S. 101. [DWDS]

Lyriker, die bis vor kurzem noch als beispielhafte Figuren einer progressiven Ästhetik galten, fangen unverhofft an, wieder zu reimen. Wenn man für das Zurückweichen auf vormoderne Positionen bei den einzelnen Autoren auch unterschiedliche Ursachen ausmachen kann, bleibt doch unübersehbar, daß da auf Errungenschaften verzichtet wird, die wesentlich das künstlerische Profil unseres Jahrhunderts bestimmt haben.

Die Zeit, 20. 8. 1982, Nr. 34. [DWDS] (zeit.de)

Dort jedenfalls, wo man noch selbstverständlich in der Natur und mit Tieren aufwuchs und alt wurde, in der vormodern bäuerlichen Welt, blieb man spröde.

Die Zeit, 15. 10. 1982, Nr. 42. [DWDS] (zeit.de)

Auch für sie ist die moderne Welt anders als alle bisherigen Welten; und sie unterstreicht das, indem sie eine heile vormoderne Vergangenheit – das Mittelalter (Novalis), die klassische griechische Welt (Winckelmann, Goethe) oder die vorklassische griechische Welt (die „Morgenländerei“ der Romantik und Nietzsche) oder die germanische Welt (Wagner) oder die vorkulturelle Natur (Rousseau) – als Himmel auf Erden statuiert, gegen die sich die moderne Gegenwart – das Zeitalter des Verfalls durch Fortschritt – als Hölle auf Erden negativ abhebt.

Die Zeit, 12. 12. 1986, Nr. 51. [DWDS] (zeit.de)

Man hat in Singer den liebenswerten, an einer vernichteten und fast ganz untergegangenen Vergangenheit hängenden Fabulierer gesehen, warmherzig, weise, versponnen — und bescheiden in seinen literarischen Mitteln. Ein Zeuge des Vergangenen und ein Zeuge vergangener literarischer Mittel, ein fast vormoderner Autor.

Die Zeit, 6. 4. 1990, Nr. 15. [DWDS] (zeit.de)

Der Rassismus ist hier so komplex, weil er verschiedene Bereiche betrifft – die Tradition des „wissenschaftlichen“ Rassismus, die religiöse Tradition (Christen gegen den Rest der Welt zur Kreuzigung derselben) und das kulturelle Erbe (Aufklärung gegen Vormoderne).

Der Spiegel, 15. 4. 1991, S. 224. [IDS]

Zugleich ist die Debatte darüber, ob der jüdische Genozid, wie der Soziologe Zigmunt Baumann hervorgehoben hat, eine „spezifische der Moderne inhärente Möglichkeit“ darstellt und mit deren Scheitern gleichgesetzt werden muß oder ob es sich um einen Rückfall auf eine vormoderne Entwicklungsstufe, um einen politischen „Atavismus“ handelt, neu in Gang gekommen.

Berliner Zeitung, 26. 1. 1995. [DWDS]

Reisen ohne pragmatische Zwecke bildete im vormodernen Europa ein wichtiges Element des Prestigekonsums der Oberklassen. Bis ins 18. Jahrhundert konnten sich zumeist nur Aristokraten Vergnügungs- und Bildungsreisen erlauben.

Die Zeit, 23. 6. 1995, Nr. 26. [DWDS] (zeit.de)

Dieses anything goes, die Verbindung moderner und vormoderner Elemente, ist irritierend und typisch postmodern.

Der Tagesspiegel, 10. 7. 1998. [DWDS]

Die Entwicklung von naturverhafteter Mimesis über Impressionismus und Abstraktion bis zu neuer Gegenständlichkeit deutet den Verlauf westlicher Kunst von der Vormoderne über die Moderne bis zur Postmoderne an.

Die Zeit, 18. 2. 1999, Nr. 08. [DWDS] (zeit.de)

Die Entstehungsgeschichte unseres heutigen Umgangs mit der Zeit wird als dreiphasige Entwicklung von der Vormoderne über die Moderne zur Postmoderne dargestellt. Der kulturgeschichtliche Rückblick zeigt, daß die Menschen ihr Verständnis von Zeit immer an einer äußeren Instanz orientierten.

Die Presse, 16. 10. 1999. [IDS]

Denn das himmlische Glück, das in der vormodernen Gesellschaft dem Jenseits eingeschrieben war, will heute innerweltlich erlangt werden.

Der Tagesspiegel, 22. 9. 2000. [DWDS]

Von Moos macht auf eine historische Verbindung aufmerksam, die in Berlin wenig bekannt, auf jeden Fall aber gänzlich unfruchtbar geblieben ist: die zu Wien infoseek.de: und den Bauten der Wiener „Vormoderne“ von Otto Wagner und seinen Schülern.

Der Tagesspiegel, 27. 9. 2000. [DWDS]

Migranten gelten oft als Verkörperung vormoderner Traditionen – und damit im besten Fall als nur verknöchert, im Normalfall als undemokratisch und frauenfeindlich, im schlimmsten Fall als fanatisch und potenziell gewaltbereit.

Der Tagesspiegel, 3. 11. 2000. [DWDS]

Die Vorstellung von der Vormoderne als kleinräumiger Face-to-face-Gesellschaft, in der jeder jeden kennen (und erkennen) konnte, erweist sich also als ein wenig ergänzungsbedürftig.

Neue Zürcher Zeitung, 10. 2. 2001, S. 86. [IDS]

Zauberei ist machbar, lautet Rowlings simple Formel. Vormoderne Eindeutigkeit wird angeboten, ohne dass auf postmoderne Komplexität verzichtet wird.

taz, 22. 11. 2001, S. 23. [IDS]

Die Eisenbahn war das wichtigste Mittel, um aus – einigen – Städten gut erschlossene Industrie- und Ballungszentren zu machen. Im 19."Jahrhundert gingen die hohen Sterblichkeitsziffern der Vormoderne dank besserer Hygiene, Medizin und Ernährungslage zurück, die Geburtenraten ebenfalls, aber aus Mentalitätsgründen zeitlich stark verzögert, vor allem bei den Katholiken in wirtschaftlich schwachen Gebieten: Eine Bevölkerungsexplosion war die Folge, von 1798 bis 1900 verdoppelte sich die Einwohnerzahl von 1,65 auf 3,3 Millionen. Nachdem die neuen Verkehrsmittel die Getreidepreise hatten zusammenbrechen lassen, verlegte sich die Agrarwirtschaft auf die arbeitsextensive Viehzucht. Damit konnte man die wachsende Landbevölkerung nicht länger beschäftigen, so dass die Eisenbahn diese in die Enge urbaner Mietskasernen beförderte oder – zu gleichen Teilen – ins europäische Ausland und zu den Häfen nach Übersee.

Neue Zürcher Zeitung, 17. 12. 2001, S. 7. [IDS]

In Wahrheit reichte Marion Dönhoff mit ihrer Biografie noch fast in die vormoderne, jedenfalls eine längst versunkene Welt hinein – der Vater Mitglied des preußischen Herrenhauses, die Mutter ehemalige Palastdame der Kaiserin, als Hintergrund eine große, alte Familie Preußens.

Der Tagesspiegel, 11. 3. 2002. [DWDS]

Ganz im Geiste einer vormodernen, gleichsam alchemistischen Vorstellung einer Welt von Ähnlichkeitsbeziehungen, schließen sich hier Mikro-und Makrokosmos zusammen.

Der Tagesspiegel, 25. 5. 2002. [DWDS]

Mit dem Bild einer Ur-Landschaft erzählt Markowitsch davon, dass sich das Leben in vormoderner Zeit nach der Natur und ihren Vorgaben richtete. In der Moderne, mit den Entdeckungen von Wissenschaft und Technik verschoben sich die vermeintlich natürlichen Grenzen.

Berliner Zeitung, 4. 9. 2002. [DWDS]

Zu Staub zerfallen ist der Soziologie schließlich auch jener andere zentrale Begriff, der ihre ambitionierteren Entwürfe implizit oder explizit stets geleitet hat – der Begriff der Modernisierung. Kaum jemand glaubt noch, die soziale Entwicklung ganzer Gesellschaften münde zwangsläufig in modernen Arrangements, die vormoderne oder primitive Formen des Zusammenlebens ersetzen.

Die Zeit, 30. 9. 2004, Nr. 41. [DWDS] (zeit.de)

Diese Konsequenz der Leere-Lehre löst schnell Unbehagen aus, erinnert sie doch an ein vormodernes Weltbild.

Die Zeit, 17. 12. 2009, Nr. 52. [DWDS] (zeit.de)

Zu Beginn werden verschiedene Modelle kapitalistischen Wirtschaftens gezeigt: der verbrecherische Ausbeuterkapitalismus, eine vormoderne patriarchalische Wirtschaftsweise, sogar die Unternehmensgründung durch eine Frau.

Die Zeit, 7. 1. 2010, Nr. 02. [DWDS] (zeit.de)

Auch die vormodernen Inseln wählen elektronisch.

Die Zeit, 18. 3. 2010, Nr. 12. [DWDS] (zeit.de)

Nach der Herkunft zu fragen ist eigentlich eine altmodische, eine vormoderne Attitüde. Die Alte Welt, insbesondere das alte Europa, ist eine Welt, die Herkünfte und Zukünfte miteinander versöhnt hatte.

Die Zeit, 30. 1. 2014, Nr. 06. [DWDS] (zeit.de)

Individualismus, Freizügigkeit, die Forderung nach der Gleichstellung von Frauen und Homosexuellen haben in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Gleichzeitig hält man in anderen Teilen der Welt an sexuellen Vorstellungen und Praktiken fest, die an das vormoderne Europa erinnern. Die Frage, ob wir unserer Freiheit sicher sein können, steht damit weiter im Raum.

Die Zeit, 28. 4. 2014, Nr. 17. [DWDS] (zeit.de)

Ich war nur eines der Kinder der Moderne, die in vormodernen Verhältnissen groß geworden sind. Ich habe eine wunderbare Kindheit auf dem Land erlebt, aber in Verhältnissen, die weitgehend abgeschottet waren gegen die Moderne.

Die Zeit, 9. 1. 2016, Nr. 52. [DWDS] (zeit.de)

Der Kulturvergleich, dem in Afrika, Asien und Lateinamerika infolge billiger Smartphones und Flugreisen niemand mehr zu entgehen vermag, pulverisiert stabile Orientierungen. Was vormals sinnstiftend und materiell hinreichend war, wird entwertet und fühlt sich jetzt nur noch vormodern, ärmlich oder gar unmenschlich an. Die Erwartungen an einen verheißungsvollen Fortschritt sind hoch, die Möglichkeiten, sie schnell zu erfüllen, aber sehr unzulänglich.

Die Zeit, 3. 1. 2017 (online). [DWDS] (zeit.de)

Diese theologisch gestützte Autorität des Schreibens erklärt die gegenüber dem westlichen Wissensuniversum ungleich höher entwickelte Bibliothekskultur der vormodernen islamischen Welt.

Die Zeit, 16. 11. 2017, Nr. 44. [DWDS] (zeit.de)