Wortgeschichte
Antimodern und gegenmodern: Bedeutungen
Mit antimodern und gegenmodern sind im Deutschen gleich zwei Adjektive belegt, die in einem vorwiegend synonymischen Verhältnis zueinander stehen und gegen die Moderne gerichtet
bedeuten. Beide Wörter setzten sich aus einem Präfix sowie dem Anfang des 18. Jahrhunderts ins Deutsche entlehnten Adjektiv modernWGd zusammen.
Hinsichtlich ihrer Bedeutungen sowie der mit den Wörtern verbundenen Konnotationen sind die Adjektive den Substantiven AntimoderneWGd und GegenmoderneWGd sehr ähnlich: Sie begegnen sowohl in der Bedeutung gegen die gesellschaftliche Moderne gerichtet
(2001a, 1999) als auch in der Bedeutung gegen die literarische, künstlerische und architektonische Moderne gerichtet
(1997, 1991a). Ferner handelt es sich vornehmlich um Fremdzuschreibungen (1992, 1996b) oder aber in analytischer Perspektive um Beschreibungskategorien für bestimmte gesellschaftliche und kulturelle Strömungen (2002a). Vor diesem Kontext gehören zudem Bedeutungsaspekte des Rückständigen (2017) ebenso wie in der Regel negativ Konnotationen (1996a, 2016) zur semantischen Kontur der Wörter. Sie begegnen nicht zuletzt häufiger in Zusammenhang mit der Adressierung völkischer bzw. rechter sowie fundamentalistischen Strömungen (1991b, 2002b, 2005).
Antimodern, das Adjektiv modern und das Substantiv Antimoderne
Abb. 1: DWDS-Wortverlaufskurve zu antimodern
DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)
Antimodern ist das ältere der beiden Adjektive: Hier datieren erste Belege bereits auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts (1869, 1882). Insgesamt ist das Wort allerdings zunächst wenig verbreitet, eine größere Verwendungsfrequenz hat es erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (vgl. Abb. 1 sowie die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Möglicherweise handelt es sich daher bei den frühen Belegen eher um Spontanbildungen zum Adjektiv modernWGd als um ein in den Sprachhaushalt eingegangenes Wort – jedenfalls stehen neben Bezeugungen, in denen das Wort erkennbar auf das naturalistische Schlagwort modern bezogen ist (1890, 1896), durchaus heterogene und schwer auf einen Nenner zu bringende Verwendungen (1884, 1888, 1903). Antimodern ist im Übrigen – anders offenbar als gegenmodern – gelegentlich auch in alternativer Schreibung mit Bindestrich belegt (2001b, 2002a, 2009).
Abb. 2: DWDS-Wortverlaufskurve zu antimodern und Antimoderne
DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)
Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts scheint das Adjektiv antimodern (1963, 1966) in den allgemeinen Sprachhaushalt einzugehen. Die zunehmende Verbreitung sowohl von antimodern als auch von gegenmodern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist insofern wohl im Kontext entsprechender Debatten der Zeit um ModerneWGd und Post-WGd, Nach-WGd oder SpätmoderneWGd zu verorten. Schwierig zu entscheiden ist, inwieweit die Bildung des Substantivs AntimoderneWGd, die auf die 1980er Jahre datiert, Auswirkungen auf die weitere Verbreitung des Adjektivs antimodern hat: Die entsprechenden Wortverlaufskurven sind hinsichtlich der Frage der Verbreitung von Substantiv und Adjektiv nicht ganz einheitlich (vgl. Abb. 2 sowie die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Auch wenn das Adjektiv also vor dem Substantiv gebildet wird, kann für die semantische Kontur ebenso wie für die weitere Verbreitung des Adjektivs die Bildung des Substantivs durchaus relevant gewesen sein. So fällt jedenfalls auf, dass die Bedeutung auch von antimodern gegenüber den Bedeutungen von modern enger gefasst ist und sich eher im Sinne von auf die Strömung der Antimoderne bezogen
beschränkt, als dass es ex negativo auf das semantisch breiter aufgestellte modern bezogen ist.
Gegenmodern: Wortbildung unter Einfluss von antimodern?
Abb. 3: DWDS-Wortverlaufskurve zu antimodern und gegenmodern
DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)
Das Adjektiv gegenmodern ist erst seit den 1970er Jahren bezeugt (1978) und damit selbst dann, wenn man die frühen Belege um die Jahrhundertwende für antimodern als Gelegenheitsbildungen wertet, erst nach der Bildung von antimodern (1963, 1966). Zudem scheint gegenmodern insgesamt weniger weit verbreitet als antimodern (vgl. Abb. 3 sowie die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Ein Einflussfaktor für die Bildung von gegenmodern könnte freilich die zunehmende Verbreitung des Adjektivs antimodern gewesen sein.