Wortgeschichte
Etymologie und frühes Bedeutungsspektrum
Das Substantiv Aufstand geht auf spätmittelhochdeutsch ûfstant zurück (vgl. Pfeifer unter AufstandDWDS). In den älteren Sprachstufen hat es ein breites und heterogenes Bedeutungsspektrum, was durchaus typisch für Ableitungen von Partikelverben ist. So begegnet Aufstand zunächst und bis ins 18. Jahrhundert verstreut auch zu einzelnen Verwendungen des Verbs aufstehen in den Bedeutungen sich (von der Horizontalen) zur Vertikalen aufrichten
, nach oben stehen, gerichtet sein, aufrecht stehen, emporragen
sowie auf etwas, auf einer Unterlage stehen, sich befinden, angebracht sein
, auch: auf etwas hängenbleiben, auflaufen
(vgl. 2DWB 3, 759–760 sowie 3, 766–772). Das 2DWB setzt daneben zudem mit Erstbeleg 1687 die Bedeutung Zustand eines Bergwerkes sowie die Berichterstattung darüber
an (vgl. 2DWB 3, 760).
Aufruhr
: Die politische Bedeutungslinie
Im gegenwärtigen Sprachgebrauch wird Aufstand vornehmlich in der – zentral dem Themenfeld Politik und Gesellschaft zuzuordnenden – Bedeutung Aufruhr, Rebellion
verwendet. Es handelt sich hier um einen Fall von Monosemierung. Die Bedeutung ist bereits seit dem 15. Jahrhundert bezeugt (1584, 1609; das 2DWB 3, 765 bucht diese Bedeutung mit Erstbeleg aus dem Jahr 1472). Es gehört zu den zentralen Bedeutungsaspekten von Aufstand, dass es eine Erhebung gegen eine wie auch immer geartete Form der Obrigkeit bezeichnet (1681, 1738). Entsprechend begegnet Aufstand gerade in frühen Belegen in dieser Bedeutung auch mit Kontextwörtern wie EmpörungWGd (1681) oder RebellionWGd (1621).
Abb. 1: DWDS-Wortverlaufskurve zu Aufstand, Aufständischer und aufständisch
DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)
In der Bedeutungslinie Aufruhr, Rebellion
ist Aufstand über die Jahrhunderte weitgehend stabil (1639, 1789, 1860, 1931, 2003). Zugleich zeigt sich hinsichtlich der Verwendungsfrequenz nach einer frühen Bezeugungsspitze zunächst ein Rückgang, bevor die Verwendungshäufigkeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder deutlich ansteigt (vgl. Abb. 1).
Wortbildungen und Wortverbindungen
Auch wenn Aufstand in seiner Hauptbedeutung über die Jahrhunderte weitgehend konstant ist, zeigt sich doch, dass das Wort ab Ende des 18. Jahrhunderts ausgesprochen kombinationsfreudig wird. Neben allerdings auch zuvor schon belegten Kollokationen mit Adjektiven wie etwa allgemeiner Aufstand (1626, 1686, 1791), aber auch blutiger Aufstand (1685, 1976b), treten ab in etwa der Wende zum 19. Jahrhundert auch offener (1811, 1989) und bewaffneter Aufstand (1837, 1945). Ebenfalls ab Ende des 18. Jahrhunderts begegnen Wortbildungen mit Grundwort -aufstand: In Komposita wie Bauernaufstand (1796a, 1976a), Arbeiteraufstand (1846, 1913) oder Sklavenaufstand (1848b, 1954) wird dabei die Trägerschaft des Aufstandes über das Bestimmungswort näher bestimmt.
Zu den vielleicht verbreitetsten Komposita gehört Volksaufstand (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Zwar begegnen die Wörter Volk und Aufstand bereits deutlich früher in Bezug aufeinander (1653, 1731), gleichwohl ist Volksaufstand erst seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts belegt (1786, 1796b). Das Wort kann sowohl einen von weiten Teilen der Bevölkerung getragenen Aufstand (1985) als auch in einem scherzhaft-ironischen Sinn eine in der Bevölkerung verbreitete und geäußerte Empörung bzw. einen Massenauflauf bezeichnen (2009, 2010, vgl. auch DWDS unter VolksaufstandDWDS). Daneben treten mit Bezeichnungen wie Boxeraufstand (1902) oder Prager Aufstand (1969) Bezeichnungen bestimmter historischer Ereignisse.
Zur Wortfamilie um Aufstand gehören mit aufständisch sich in Aufruhr befindend, rebellisch, ungehorsam
(1855, 1885, 1972; vgl. auch 2DWB 3, 766 und Aufständischer Teilnehmer eines Aufstandes
(1848a, 1896, 1960) nicht zuletzt eine Adjektiv- und eine Substantivableitung. Beide sind in offenbar zeitgleich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Quellen belegt (1844a, 1844b).
Erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts bezeugt und damit noch relativ jung ist die feste Verbindung den Aufstand proben (1971, 1997). Sie hat sich ausgehend von Günter Grass’ 1966 uraufgeführtem Stück Die Plebejer proben den Aufstand im deutschen Sprachraum verbreitet (vgl. hierzu auch die Wortgeschichte zu PlebsWGd).
Literatur
2DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Neubearbeitung. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (vormals Deutsche Akademie der Wissenschaften) und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. 1–9. Stuttgart 1983–2018. (woerterbuchnetz.de)
DWDS DWDS. Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute. (dwds.de)
Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu Aufstand, aufständisch, Aufständischer, Volksaufstand.