Wortgeschichte
Revolteur: Bedeutung und Verbreitung
Das Substantiv Revolteur ist im Deutschen seit dem 19. Jahrhundert belegt (1839). Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts begegnet das Wort in verschiedenen Nachschlagewerken, wo es üblicherweise mit der Bedeutung Aufrührer, Empörer
angegeben wird (1806, 1807). Daneben ist es in sonstigen Quellen im 19. Jahrhundert (1853a, 1855) allerdings nur wenig verbreitet. Erst im 20. Jahrhundert steigt die Verwendungsfrequenz des Wortes leicht (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Insgesamt bleibt das Wort bis heute selten.
Seit dem 19. Jahrhundert hat das Wort deutliche politische Implikationen (1853b, 1860, 1910). Revolteur trägt in dieser Linie auch die Bedeutung jemand, der sich an einer Revolte beteiligt
(2002, 2009). Daneben kann das Wort aber auch in einem weiteren Sinn Menschen bezeichnen, die offensiv Meinungen und Haltungen vertreten, die von der Mehrheit abweichen, und die damit gegebenenfalls für Unruhe sorgen (1999); die Übergänge zwischen den Bedeutungen können dabei fließend sein (1969).
Lehnwort oder Ableitung zu revoltieren?
Mit Blick auf die Wortbildung ist nicht ganz einfach zu entscheiden, ob es sich um ein Lehnwort aus dem Französischen oder aber um eine Derivation innerhalb des Deutschen handelt. Das 1DFWB 3, 410–411 geht davon aus, dass das Substantiv im frühen 20. Jahrhundert aus dem seltenen französischen Substantiv Revolteur entlehnt wurde. Allerdings ist Revolteur im Deutschen – anders als noch im 1DFWB angegeben – nicht erst seit dem 20. Jahrhundert, sondern bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts belegt, und zu dieser Zeit ist ein entsprechendes französisches Substantiv kaum nachweisbar1). Der TLFi bucht das Wort im Übrigen nicht; die gebuchte Personenbezeichnung ist stattdessen révolté (vgl. TLFi unter révoltée).
Vor diesem Hintergrund eröffnet sich die Alternativhypothese, dass es sich bei der Bildung des deutschen Revolteur auch um eine Derivation innerhalb des Deutschen handeln könnte. Gebildet worden wäre das Wort dann aus dem – seinerseits allerdings aus dem Französischen entlehnten – Verb revoltierenWGd und dem exogenen substantivischen Affix -eur – ein durchaus typisches Muster zur Bildung von Nomina Agentis zu Verben im 18. und 19. Jahrhundert (vgl.
Fleischer/Barz 2012, 239–240 und 245). Für diese These könnte die Buchung von Revolteur in Heigelins Fremdwörterbuch im Jahr 1819 sprechen: Revolteur wird hier mit Verweis auf Révolté – und damit auf das eigentliche gleichbedeutende französische Substantiv – gebucht, als dessen Bedeutungen dann Empörer, Aufrührer, Meutherer
angegeben werden (Heigelin 1819, 47). Andererseits nimmt Rumpf in seinem Verdeutschungswörterbuch die Form Revolteur mit der Bedeutung Aufrührer, Empörer
auf, was eine Entlehnung aus dem Französischen nahelegt – wenngleich das Wort in Zusammenhang mit RevolteWGd und revoltieren angeführt wird, eine Ableitung im Deutschen also auch hier nicht völlig ausgeschlossen erscheint (Rumpf 1819, 289). Vereinzelt verzeichnen Wörterbücher des 19. Jahrhunderts auch die eingedeutschte Form Revoltör (vgl. etwa Gellinger 1841, 107 und Rosenkranz 1846, 102).
Neben Revolteur sind zudem die beiden Personenbezeichnungen Revoltierer und Revoltierender mit vergleichbarem Bedeutungsspektrum belegt.
Anmerkungen
1) So jedenfalls in den Google Books Korpora, Stand: Mai 2022.
Literatur
1DFWB Schulz, Hans/Otto Basler: Deutsches Fremdwörterbuch. Weitergeführt im Institut für deutsche Sprache unter der Leitung von Alan Kirkness. Bd. 1–7. Straßburg bzw. Berlin 1913–1988. (owid.de)
Fleischer/Barz 2012 Fleischer, Wolfgang/Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4., völlig neu bearbeitete Aufl. unter Mitarbeit von Marianne Schröder. Berlin/Boston 2012.
Gellinger 1841 Gellinger, G. F.: Handwörterbuch zur Erklärung und richtigen Aussprache der Fremdwörter, welche in der Schrift- und Umgangssprache bis jetzt noch gebräuchlich sind. Neustadt an der Aisch 1841.
Heigelin 1819 Heigelin, M. J. F.: Allgemeines Fremdwörter-Handbuch für Teutsche, worinn zur Verständigung, Ausscheidung und Würdigung der in teuschen Schriften und in der Kunst- und Umgangssprache vorkommenden fremdartigen Wörter, Ausdrücke, Namen und Redensarten Anleitung gegeben wird. Tübingen 1819.
Rosenkranz 1846 Rosenkranz, J. G. Ch. L.: Neues Fremdwörter-Buch für Jedermann. Zweite Aufl. Ansbach 1846.
Rumpf 1819 Rumpf, J. D. F.: Vollständiges Wörterbuch zur Verdeutschung der, in unsere Schrift und Umgangs-Sprache eingeschlichenen, fremden Ausdrücke; nebst Erklärung der wichtigsten sinnverwandten Wörter. Zweite, vermehrte und verbesserte Ausgabe. Berlin 1819.
TLFi Trésor de la language française informatisé (Trésor de la language française, sous la direction de Paul Imbs/Bernard Quemada. Bd. 1–16. Paris 1972–1994). (atilf.fr)
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu Revolteur.