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rebellieren

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Rebellieren ist im Deutschen seit Beginn des 16. Jahrhunderts bezeugt. Es kann im engeren Sinn sich gegen eine Obrigkeit auflehnen, einen Aufstand machen, im weiteren Sinn sich widersetzen sowie bildlich auch nicht die übliche Funktion erfüllen bedeuten. Rebellieren hat eine Verwendungsspitze vor 1800 bevor die Bezeugungsfrequenz deutlich sinkt; erst im 20. Jahrhundert steigt sie wieder an.

Wortgeschichte

Herkunft und Verbreitung

Das Verb rebellieren ist im Deutschen seit Anfang des 16. Jahrhunderts bezeugt – und damit erst nach dem Adjektiv rebellischWGd, das bereits seit Mitte des 15. Jahrhunderts belegt ist (vgl. Pfeifer unter rebellierenDWDS). Es wird aus dem Französischen, wo rebeller seit der altfranzösischen Sprachstufe überliefert ist, ins Deutsche entlehnt. Das französische Wort geht seinerseits auf lateinisch rebellāre sich auflehnen zurück (vgl. Pfeifer unter rebellierenDWDS). In älteren deutschsprachigen Quellen begegnet rebellieren – was durchaus nicht ungewöhnlich ist – in verschiedenen Formvarianten wie rebellen oder rebellern (1817, s. a. 1DFWB 3, 194–195).

Die Abbildung zeigt die DWDS-Wortverlaufskurve zu rebellieren.

Abb. 1: DWDS-Wortverlaufskurve zu rebellieren.

DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)

Vergleichbar den anderen Wörtern der Wortfamilie wie beispielsweise RebellWGd oder RebellionWGd weist auch das Verb mit Blick auf die Bezeugungsfrequenz eine deutliche Bezeugungsspitze vor 1800 auf. Im 19. Jahrhundert sinkt die Frequenz deutlich, bevor sie im 20. Jahrhundert wieder ansteigt (vgl. Abb. 1 sowie die bedeutungsübergreifende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).

Bedeutungsentwicklung

Rebellieren trägt seit seiner Entlehnung zentral die Bedeutung sich gegen eine Obrigkeit auflehnen, einen Aufstand machen (1609, 1614). In dieser politischen Linie ist die Bedeutung über die Jahrhunderte stabil (1700, 1792, 1884, 1961). Daneben treten zunächst noch selten, aber doch schon früh auch Verwendungen in einem weiteren Sinn von sich widersetzten auf, bei denen die Handlung nicht gegen eine politische oder gesellschaftliche Obrigkeit im Speziellen gerichtet ist (1615, 1800, 1920, 1997).

Im Kontext der Protestbewegungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begegnet neben den Substantiven Rebell und Rebellion auch das Verb rebellieren (1968, 1977, 2003). Es wird auch hier im Sinn von sich auflehnen, revoltieren, aber auch Ablehnung, Widerstand, Protest ausdrücken verwendet. Die Rebellion richtete sich in diesen Kontexten etwa gegen autoritäre, hierarchische Strukturen, gegen als undemokratisch wahrgenommene Tendenzen, gegen den Kapitalismus, den Vietnamkrieg oder das System der Hochschulen (vgl. hierzu im Detail Protestdiskurs 1967/68 unter rebellieren).

Neben den Bezeugungen in politischen und gesellschaftlichen Kontexten stehen schließlich ebenfalls bereits früh Verwendungen des Wortes in Bezug auf Gefühle oder Organe (1689, 1889, 1929). Rebellieren wird hier auch in der Bedeutung nicht die übliche Funktion erfüllen gebraucht (vgl. auch DWDS unter rebellierenDWDS).

Literatur

1DFWB Schulz, Hans/Otto Basler: Deutsches Fremdwörterbuch. Weitergeführt im Institut für deutsche Sprache unter der Leitung von Alan Kirkness. Bd. 1–7. Straßburg bzw. Berlin 1913–1988. (owid.de)

DWDS DWDS. Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute. (dwds.de)

Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)

Protestdiskurs 1967/68 Leibniz-Institut für deutsche Sprache (IDS): Diskurswörterbuch Protestdiskurs 1967/68. (owid.de)

Belegauswahl

Brieff auß Constantinopoli melden/ demnach der Cicala nach ermelter Niderlag beym Bassa zu Damasco hilff suchen wollen/ hab derselbe auch rebelliert, deßwegen sich gedachter Cicala in ein Castel Salvirt vnd alda belaͤgert worden/ so hab der Carenterogli Babilonia eingenommen.

N. N.: Relation: Aller Fürnemmen vnd gedenckwürdigen Historien/ so sich hin vnnd wider in Hoch vnnd Nieder Teutschland/ auch in Franckreich/ Jtalien/ Schott vnd Engelland/ Hisspanien/ Hungern/ Polen/ Siebenbürgen/ Wallachey/ Moldaw/ Türckey/ etc. Jnn diesem 1609. Jahr verlauffen vnd zugetragen möchte. Straßburg 1609, S. [152]. (deutschestextarchiv.de)

Weiters so hat es an wolernandter Statt ein gewaltiges Schloß oder Citta della, daß dann ein sehr gewaltige Vestung ist/ welche der groß Hertzog Cosman hat erbawen lassen/ nach dem er die Statt Hoch Siena vnter sein dominio gebracht/ vnd der Herr Peter Strozio geschlagen worden/ welche Vestung mit gewaltigen Pasteyen/ grossem geschütz vnd Munition genugsam versehen/ dagegen die Bürgerschafft nicht baldt rebellieren werden/ Ist aber mit lauter Italianischen Kriegsvolck bewahret.

Beatus, Georg: Amphitheatrvm Naturae, Schawplatz Menschlicher Herzlichkeit. In zwey unterchiedliche Theil verfasset. Frankfurt 1614, S. 592. (deutschestextarchiv.de)

JNallen vnnd jeden zuſtaͤnden/ gilt die ſcienz vilmehꝛ/ denn der reichthumb oder guͤter/ dañ ob ſchon dz Gluͤck wider den Menſchẽ rebelliret/ ſo verlaͤſt jne doch die ſcienz niemaln […].

Albertinus, Aegidius: Der Landtstörtzer: Gusman von Alfarche oder Picaro genannt/ dessen wunderbarliches/ abenthewrlichs vnd possirlichs Leben/ was gestallt er schier alle ort der Welt durchloffen/ allerhand Ständt/ Dienst vnd Aembter versucht/ vil guts vnd böses begangen vnd außgestanden/ jetzt reich/ bald arm/ vnd widerumb reich vnd gar elendig worden/ doch letztlichen sich bekehrt hat/ hierin beschriben wirdt. München 1615, S. 74. (deutschestextarchiv.de)

Surius ſchreibt von zwey adelichen Toͤchtern im Fuͤrſtenthum Lombardia, wie ſolche ehrliebende Kinder/ in dem Einfall der Barbariſchen Voͤlcker/ zu Schirmung ihrer Jungfraͤulichen Zierde folgenden Argliſt erſonnen/ benanntlich hat ein jede auß ihnen gantz junge vnd geropffte Huͤnnlein in den bloſſen Bueſen verborgen/ allwo ſie nach vnd nach durch die Waͤrme alſo zur Faͤule gegriffen/ daß ſie nachgehends einen vnglaublichen Geſtanck verurſacht/ indem nun die Barbariſche Kriegs-Knecht diſe ſo edle/ ſchoͤne Toͤchter ergafft/ haben ſie nit anderſt verhofft/ es gehoͤren diſe Leuth vnd Beuth fuͤr ſie/ nachdem ſie aber den uͤblen Geſtanck vermerckt/ ſo hat ihnen/ pfuy Teuffel! der Magen alſo rebelliret/ daß ſie alſobald von ihrem gottloſen Vorhaben abgewichen/ auß Argwohn eines anderen Zuſtands/ vnd alſo haben diſe Engliſche Creaturen durch ſolchen Geſtanck den Geruch ihrer vnverſehrten Lilien erhalten/ vnd war ſolches ein ſehr heiliger Betrug/ vnd lobwuͤrdigſte Falſchheit/ allwo durch ſo kleine Huͤnnl/ ſo groſſe Galgen-Voͤgl vertriben/ vnd durch faules Fleiſch/ ſo friſche Schelmen uͤberwunden waren.

Sancta Clara, Abraham a: Judas Der Ertz-Schelm/ Für ehrliche Leuth/ Oder: Eigentlicher Entwurff/ vnd Lebens-Beschreibung deß Iscariotischen Bößwicht. Worinnen underschiedliche Discurs, sittliche Lehrs-Puncten/ Gedicht/ und Geschicht/ auch sehr reicher Vorrath Biblischer Concepte. Der Anderte Thail. Salzburg 1689, S. 134. (deutschestextarchiv.de)

Ach wer iſt doch/ der da ſaget/ daß die unterthanen rebelliren/ ſich auffmachen und die Obrigkeit vertreiben ſollen/ wie laͤſterlich geſchrieben und geſchrieen wird: Jhr menſchen-kinder ſeyd ſchuldig/ ſo wol der boͤſen zornigen/ als der guͤtigen liebreichen Obrigkeit zu gehorſamen/ denn ihr leidet/ was eure thaten werth ſeyn.

Arnold, Gottfried: Gottfrid Arnolds Fortsetzung und Erläuterung Oder Dritter und Vierdter Theil der unpartheyischen Kirchen- und Ketzer-Historie. Bestehend In Beschreibung der noch übrigen Streitigkeiten im XVIIden Jahrhundert. Frankfurt a. M. 1700, S. 642. (deutschestextarchiv.de)

Freilich rebellirten die Bauern ein wenig daruͤber, aber Bauernrebellion hat ſelten Beſtand.

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale, von ihm selbst beschrieben und zur Warnung für Eltern und studierende Jünglinge herausgegeben. Ein Beitrag zur Charakteristik der Universitäten in Deutschland. Erster Theil. Halle 1792, S. 283. (deutschestextarchiv.de)

Hier erkundigte ſie ſich eben ſo unbefangen nach dem ausführlichen Rezepte des Doktors und ſo lange, bis der kleine Säugling am Buſen rebellirte und ſie in ein Nebenzimmer über die Wiege trieb.

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin 1800, S. 411. (deutschestextarchiv.de)

Unsere Leute wollten längst rebellern; ich habe nur immer abgewehrt weil mir Herr Breme immer sagte, es sei noch nicht Zeit, und das ist ein gescheiter Mann, auf den ich Vertrauen habe.

Goethe, Johann Wolfgang: Die Aufgeregten. In: Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Bd. 5. Hamburg 1948 [zuerst 1817] ff. [DWDS]

Ebenso rebellierten 1525 die Joachimsthaler, doch endigte der groſse Streit in einem Vergleich, indem man sich über ein Schiedsgericht verständigte.

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens in technischer und kulturgeschichtlicher Beziehung. Erste Abteilung. Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig 1884, S. 778. (deutschestextarchiv.de)

Man wird älter, enger, die Ausſchweifungen, die doch nur die Folgen von großen, elementaren Jugendleidenſchaften der Seele waren, rächen ſich, die Nerven rebelliren, man merkt: es geht mit dem ganzen Kerl bergab .. Na! Und man läßt’s halt gehen ..

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig 1889, S. 447. (deutschestextarchiv.de)

Im romantischen Denken aber rebellierte alles gegen diese Lösung.

Benjamin, Walter: Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik. In: Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser (Hrsg.): Gesammelte Schriften. Bd. 1, 1. Frankfurt a. M. 1980 [1920], S. 114. [DWDS]

Da war ich so übermüdet, u. mein Magen rebellierte derart, daß ich nichts essen konnte u. in einem momentanen sproposito Eva die Schuld an meiner Übermüdung zuschrieb.

Klemperer, Victor: [Tagebuch] 1929. In: Ders.: Leben sammeln, nicht fragen wozu und warum. Berlin 2000 [1929], S. 45. [DWDS]

Warum die Rebellen rebellieren? Ihnen paßt die zentralistische Republik nicht.

Die Zeit, 20. 1. 1961, Nr. 04. [DWDS] (zeit.de)

Sogar die CDU hat begonnen, Selbstkritik zu üben. Sie beginnt zu fragen, ob nicht vielleicht auch sie Schuld daran trage, daß die Studenten rebellieren und daß manche Erscheinungsformen der deutschen Demokratie mit kritischer Distanz oder gar mit unverhohlener Abneigung betrachtet werden.

Die Zeit, 15. 3. 1968, Nr. 11. [DWDS] (zeit.de)

In den Augen der Studenten ist die Universität Teil des Establishments und darum selbst ein Machtträger – gleich zwei Gründe, gegen sie zu rebellieren.

Die Zeit, 22. 7. 1977, Nr. 30. [DWDS] (zeit.de)

Zehn Bilder, die aus nichts mehr als aus Texten auf Glasscheiben bestehen, lehnen an den vier Wänden. Wurden sie abgehängt, weil sie gegen unser Verständnis von Kunst rebellieren?

Berliner Zeitung, 1. 8. 1997. [DWDS]

Wer gegen die regierenden 68er, die ApoOpas rebellieren, sich einen Namen machen, in ihre Institutionen marschieren möchte, kann das mit schönem Medienerfolg auf ihre Weise versuchen: Leg dich quer, dann bist du wer!

Der Tagesspiegel, 18. 8. 2003. [DWDS]