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Jetset

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Das englische Wort setzt sich zusammen aus jet düsengetriebenes Flugzeug und set exklusive Personengruppe, die durch besondere Interessen oder Gewohnheiten gekennzeichnet ist. Die Bildung tritt ab Mitte der 1960er Jahre in deutschen Texten auf und bezeichnet – zuweilen mit abwertendem und spöttischem Unterton – eine Gesellschaftsschicht, die durch Internationalität und einen luxuriösen, extravaganten Lebensstil gekennzeichnet ist.

Wortgeschichte

Set und Sekte: zur Herkunft der englischen Bildung

Das Erstglied dieser ursprünglich englischen Wortbildung ist leicht als jet düsengetriebenes Flugzeug zu identifizieren (vgl. 3OED unter jet n. 3, IV 10 a). Die Bedeutung des Zweitglieds englisch set lässt sich umschreiben als exklusive Personengruppe, die durch besondere Interessen oder Gewohnheiten gekennzeichnet ist (a group of persons in society having its own peculiar interests, fashions, and conventions; a social group of a select or exclusive character, s. 3OED unter set, n. 2). Das englische Wort ist nicht mit dem vom Verb set abgeleiteten Substantiv zu verwechseln, sondern ist mit deutsch Sekte etymologisch verwandt; beide sind letztlich auf lateinisch secta Partei, philosophische Schule zurückzuführen, s. Pfeifer unter SekteDWDS.In der genannten Bedeutung ist das Wort laut 3OED seit dem späten 18. Jahrhundert belegt; es tritt häufig mit einem vorangestellten Element (Adjektiv oder Substantiv) auf, das die jeweilige Personengruppe näher bestimmt, so z. B. in der Verbindung Bloomsbury set Gruppe englischer Künstler und Intellektueller mit dem Londoner Stadtteil Bloomsbury als Mittelpunkt. Im Fall von englisch jetset handelt es sich somit um eine exklusive Gruppe von Personen (ein set), die durch das Erstglied jet Düsenflugzeug näher gekennzeichnet ist (vgl. 3OED unter jet set bzw. jet 10). Jet steht hier metonymisch für die vorwiegend internationale Flugreise mit dem Passagierjet und damit für eine Form des Reisens, die um 1950/1960 noch einer Minderheit vorbehalten war. Mit dem Erstglied Jet sind gleichzeitig Konzepte wie Schnelligkeit, Dynamik und Mobilität assoziiert.

Der internationale Jetset

Das im Englischen laut 3OED zuerst 1949 bezeugte Wort wird ab Mitte der 1960er Jahre in deutschen Zeitungstexten greifbar (in dem Beleg von 1965 wird es freilich schon als bekannt vorausgesetzt, daher dürfte die Entlehnung schon um wenige Jahre älter sein, vgl. auch Anglizismen-Wb. 727–728). Es tritt häufig in der Verbindung internationaler Jetset auf (vgl. 1966, 1978). Dieses Attribut hebt noch einmal einen Aspekt hervor, der bereits durch das Erstelement Jet angedeutet ist, nämlich das selbstverständliche Reisen über Ländergrenzen hinweg als Kennzeichen für diese Personengruppe. Es ist also weniger der Reichtum, sondern die durch diesen Reichtum ermöglichte Ungebundenheit, die hier als klassenbestimmende Eigenschaft in den Vordergrund gerückt wird. In dieser Hinsicht typisch ist daher der Beleg 1966, in dem von reichen Leuten die Rede ist, die heute in Jamaica, morgen in Deauville oder St.-Tropez auftauchen.

Extravaganz und Frivolität

Mit Jetset werden vornehmlich Luxus, Glamour und Amüsement auf angesagten Parties assoziiert (1973, 1994, 1999b, 1999a, 2020; vgl. auch die Wortbildungen Jetsetter und jetsetten in den Belegen 1968 bzw. 1983a). Das Wort impliziert somit Unernstes und auch nicht ganz Ernstzunehmendes. Wer als seriös gelten will, sollte sich in jedem Fall vom Jetset fernhalten (1991, 1983b). Jetset kann somit durchaus verwendet werden, um Personen sprachlich abzuwerten; dazu passen auch spöttische Verwendungen wie in dem Beleg 1998. In diesem Punkt besteht auch ein deutlicher Unterschied zu anderen Oberschichtenbezeichnungen wie EliteWGd, EstablishmentWGd und partiell auch die oberen ZehntausendWGd, die jeweils andere Aspekte der privilegierten Klassen fokussieren. Eine mit Jetset in dieser Hinsicht vergleichbare Konnotation weist freilich auch High SocietyWGd auf.

Literatur

Anglizismen-Wb. Anglizismen-Wörterbuch. Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz nach 1945, begründet von Broder Carstensen, fortgeführt von Ulrich Busse. Bd. 1–3. Berlin/New York 1993–1996.

3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)

Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)

Belegauswahl

Der tägliche Umgang mit dem Unbekannten hat die Apollo-Männer zu einer besonderen Gruppe gemacht, die man vielleicht – den „jetset“ haben wir ja schon – den „space-set“ nennen könnte.

Die Zeit, 21. 5. 1965, Nr. 21. [DWDS] (zeit.de)

Acapulco genießt trotz anderslautender Meldungen noch den kostbaren Ruf als Spielplatz des internationalen Jetsets, jener reichen Leute, die heute in Jamaica, morgen in Deauville oder St.-Tropez auftauchen.

Die Zeit, 17. 6. 1966, Nr. 25. [DWDS] (zeit.de)

Herrscher über das nächtliche Paris seien die »Happy Few«, die rund 2000 Jet-Setter, die ohne Gespür fürs wirkliche Pläsier den Spaß nur an der Menge des ausgegebenen Geldes messen.

Der Spiegel, 25. 2. 1968.

Nur können sie nicht – wie ihre Altersgenossen aus ebenso reichen Busineßfamilien – in der Anonymität südfranzösischer Luxusvillen untertauchen, nacktbaden und den Jetset amourös durchtechteln.

Die Zeit, 26. 1. 1973, Nr. 05. [DWDS] (zeit.de)

Der internationale Jetset wird nun doch kein echtes Rindvieh in seinen illustren Reihen sehen. Die Brüsseler EG-Komission zieht nämlich entgegen anderslautenden Vermutungen nicht in Betracht, eine Kuh in der ersten Klasse von Melbourne nach Frankfurt fliegen zu lassen.

Die Zeit, 23. 6. 1978, S. 21; Brüsseler Spitzen [IDS]

Am jetsettenden Manager orientieren sich ganze Industrien von der Fluggesellschaft bis zum Spesenrestaurant, in denen Frauen die klassische Rolle bei Service und Entertainment zukommt und, der vereinzelten weiblichen Führungskraft, der Status als Exotikum.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. 4. 1983, S. R1.

Mancher Bissen müßte – wären wir nicht alle nur Menschen – im Halse stecken bleiben, wenn das päpstliche Jetset in die Elendszonen dieser Welt fliegt – hier Hummer, dort Hunger.

Die Zeit, 10. 6. 1983, Nr. 24. [DWDS] (zeit.de)

Die unerlaubte Nähe des führenden Landespolitikers zum industriellen Jet-set, das übergroße Einfühlungsvermögen von Justizkreisen in die Nöte von Politikern – in Baden-Württemberg sind die unerläßlichen Distanzen geschwunden.

Die Zeit, 18. 1. 1991, Nr. 04. [DWDS] (zeit.de)

Daß er seinen Ruhm gleichwohl genossen hat, davon zeugt sein Buch, das sich liest wie ein Who’s Who des Jetset der frühen Jahre, und der Champagner durchfließt die 250 Seiten in Strömen.

Berliner Zeitung, 20. 7. 1994. [DWDS]

Wolfgang Joop, der Luxus-Philosoph von eigenen Gnaden, spricht denn auch von einer „Vermassung“ des Jetset.

Berliner Zeitung, 30. 5. 1998. [DWDS]

Noch deutlicher vermitteln die Sammlungsbereiche für freie und angewandte Kunst, dass der eventhungrige Jet-Set ohnehin nicht der Adressat des Museums ist.

Berliner Zeitung, 4. 11. 1999. [DWDS]

Während zu der Hochzeit über 3000 Gäste aus aller Welt erwartet werden, fehlte bei der Prinzenparty internationaler Hoch-Adel und Jet-Set.

Der Tagesspiegel, 14. 11. 1999. [DWDS]

Glitzer und Glamour, Jetset und Super-VIPs passen ohnehin nicht zur freundlichen Knorrigkeit der Zermatter, die lieber bodenständig als versnobt, lieber bergbäuerisch als elitär sind.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. 2. 2020, S. R1.