Wortgeschichte
Ursprünge in der US-amerikanischen Subkultur
Hipster ist ein Lehnwort aus dem Englischen: Im US-amerikanischen Raum ist das Wort als Bildung aus dem Adjektiv hip und dem Suffix -ster seit Anfang der 1930er Jahre bezeugt (vgl. 3OED unter hipster, n.2 and adj.1). Ursprünglich bezeichnet das englische Wort eine SubkulturWGd (vgl. Greif 2014, 13), genauer zunächst vorwiegend afroamerikanische Bebop- und Jazzmusiker, ab den 1950er Jahren weiße Angehörige einer Subkultur oder der Boheme, die von dem Wunsch der angelsächsischen Avantgarde getrieben war, sich von dem Weißen an und in sich zu lösen und das coole Wissen und die exotische Energie, die Lust und die Gewalt der Afroamerikaner zu erlangen
(Greif 2014a, 25–26). Das englische Wort hipster ist in diesen beiden Ausbildungen tiefensemantisch mithin an die Diskursfigur der race
gebunden.
Prominent behandelt wird die Sozialfigur des Hipsters in zwei bis heute einschlägigen Abhandlungen: Anatole Broyard publiziert 1948 A Portrait of the Hipster (Broyard 1948), Norman Mailer 1957 den Essay The White Negro (vgl. die Wiederveröffentlichung im Dissent Magazine im Jahr 2007). Im englischsprachigen Raum steigt zu dieser Zeit die Bezeugungsfrequenz von hipster (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Ob Mailers Essay im englischen Raum zur Verbreitung des Wortes beigetragen hat, ist schwer zu sagen. In frühen Belegen im deutschsprachigen Raum, in denen das Wort noch als fremdsprachlich markiert ist, wird jedenfalls nicht nur auf den englischen Diskurs im Allgemeinen, sondern bisweilen auch auf Mailer im Speziellen verwiesen (1962), so dass eine gewisse Rolle für die Verbreitung des Wortes wohl angenommen werden kann.
Im Deutschen ist Hipster seit den 1960er Jahren gelegentlich bezeugt, hier zunächst unter Bezugnahme auf die einschlägige US-amerikanische Subkultur (1969a, 1969b, 1989a, 1989b). Verwendungen in dieser Bedeutung lassen sich bis heute nachweisen (2001). In dieser Bedeutungslinie wird der Plural im Deutschen – anders als in der später ausgebildeten Bedeutung trendorientierte Person
– auf -s gebildet (1989c, 1989d; vgl. demgegenüber 2000a, 2015a für die Pluralbildung in der Bedeutungslinie trendorientierte Person
).
Neue Hipster an der Schwelle zum 21. Jahrhundert
An der Schwelle zum 21. Jahrhundert taucht in den USA, insbesondere in New York, eine neue Sozialfigur auf, die ebenfalls als hipster bezeichnet wird. Das Wort erhält im Englischen in diesem Zuge die neue Bedeutung eine Person, die den neuesten Trends folgt und als hip gilt
(vgl. 3OED unter hipster, n.2 and adj.1). Indem das Wort auf die neue Sozialfigur übertragen wird, wird erkennbar auf die frühere Subkultur zurückgegriffen. Zugleich wird das Wort in seiner neuen Bedeutung nunmehr sehr viel weiter gefasst und bezeichnet nicht mehr im engeren Sinn eine Subkultur. Warum genau hipster im Englischen wieder aufgegriffen wird, ist ungeklärt. Formuliert worden ist die vage These, dass der Stil der allerersten Hipster viele Menschen an die
(Greif 2014b, 116).alten
Hipster der fünfziger Jahre erinnerte und dass der Begriff aus diesem Grund plötzlich wieder auftauchte
In Deutschland begegnet Hipster mit der neuen Bedeutung Person, die einen urbanen, mode- und trendbewussten Lebensstil pflegt und Selbstverwirklichung, Kreativität und Individualismus einen hohen Stellenwert beimisst
, ab Mitte der 1990er Jahre vorerst nur gelegentlich (1997, 1998a, 1998b), ab den 2000er Jahren dann mit deutlich steigender Verwendungsfrequenz.
Hipster hat Konnotationen des Trendigen (2003a), des Individuellen (2000b), verbunden mit einem exklusiven Wissen insbesondere darüber, was in bestimmten Szenen angesagt ist, bevor es die breite MasseWGd erreicht (2000c), des PostmodernenWGd (2005) sowie nicht zuletzt des Urbanen (2002a). Im Deutschen wird Hipster besonders häufig mit Berlin assoziiert (2002b); wohl auch deswegen tritt die Kollokation Berliner Hipster häufig auf (2012a, 2012b, 2017).
Ist der Hipster männlich?
Einiges spricht dafür, dass der Hipster des beginnenden 21. Jahrhunderts – zunächst – nur auf Männer bezogen wird. Zwar lässt sich dies anhand von Einzelbelegen auf Wortebene nur schwer nachweisen, gleichwohl liegt dieser Rückschluss angesichts der Tatsache, dass Frauen in Texten über Hipster zunächst nicht vorkommen (vgl. Tortorici 2014, 100), nahe. Das 3OED etwa vermerkt explizit, das Wort bezeichne seit den 1990er Jahren a type or stereotype of relatively affluent young urban males adopting aspects of bohemian or alternative lifestyles
(3OED unter hipster, n.2 and adj.1, Hervorhebung ASB). Warum der Hipster als vorwiegend männlich wahrgenommen wird, ist schwer zu sagen. Dass das Wort Hipster zunächst Männer adressiert und Frauen in Quellen nicht vorkommen, heißt natürlich nicht, dass es keine weiblichen Hipster gegeben hätte, sondern nur, dass sie nicht mit dem Wort bezeichnet worden sind. Möglicherweise hängt es damit zusammen, dass die Menschen, die diesen Diskurs führten, nichts Neues darin zu erkennen vermochten […], dass sich Frauen auf eine bestimmte Weise kleiden, um sich einer Kultur anzupassen
(Tortorici 2014, 100).
Vor diesem Hintergrund ist eine neue wortgeschichtliche Entwicklung seit Mitte der 2010er Jahre allerdings interessant: Es treten nunmehr Wortbildungen wie Hipster-Mädchen (2012c, 2016a), Hipsterin (2012d, 2015b) und Hipster-Frau (2013, 2015c) auf, die dezidiert weibliche Hipster adressieren. Das wiederum lässt den Rückschluss zu, dass Hipster seine dominant männliche Konnotation verloren hat (2012e, 2014a).
Hipstertum
Zeitgleich zu der neuen Bedeutung von Hipster entsteht mit Hipstertum, Lebenseinstellung, Weltsicht, Lebensstil der Hipster
(vgl. auch 2DFWB unter Hippie), eine neue Ableitung, die im Deutschen seit Mitte der 1990er Jahre bezeugt ist (1995, 2000d, 2011). Obwohl es erst parallel zum sachhistorischen Auftreten der neuen Hipster und der entsprechenden Entstehung der neuen Bedeutung trendorientierte Person
entsteht, bezeichnet Hipstertum sowohl ältere Subkulturvertreter (2003b) als auch die neuen Hipster der Nullerjahre (2008).
Mipster und Nipster. Zwei Diskursereignisse
In den 2010er Jahren entstehen im Kontext zweier Diskursereignisse, eines weltweiten und eines überwiegend deutschen, mit Mipster (2014b) und Nipster (2014c) zwei neue Bildungen auf der Basis von Hipster. Mipster – eine Bildung aus Muslim und Hipster – entsteht 2013 in der Nachfolge eines Youtube-Videoclips mit dem Titel Somewhere in America #MIPSTERZ, in dem sich einige amerikanische Musliminnen zu Somewhere in America
des Rappers Jay-Z als muslimische Hipster in Szene setzen. Zu sehen sind junge, urbane, trendorientierte Frauen, die Kopftuch und Hipster-Röhrenjeans tragen, die sich selbst im Videotitel als #MIPSTERZ
bezeichnen und mit Insignien des Hipstertums, so etwa dem Schnurrbart, spielen, wodurch sie sich visuell als muslimische Hipster inszenieren. Anders als bei Hipster, das heute überwiegend als Fremdzuschreibung verwendet wird (2012e), handelt es sich bei der Neubildung Mipster damit um eine Selbstbezeichnung. Das Video ging um die Welt und hat auch in Deutschland ein Diskursereignis hervorgerufen (vgl. exemplarisch die Berichterstattung im Tagesspiegel, in der Welt oder in Cicero; daneben 2014b, 2016b). Mipster wird bis heute gelegentlich verwendet, bleibt dabei aber erklärungsbedürftig (2019).
Ein vor allem auf den deutschsprachigen Raum beschränktes Diskursereignis ereignet sich 2014 um die Wortschöpfung Nipster, eine Kontamination aus Nazi und Hipster (2014c). Vermutlich geht die Wortprägung auf einen Artikel der Tageszeitung taz mit dem Titel Hipster unterm Hakenkreuz. Zehn Schritte zum Nipster
vom 6. April 2014 zurück (2014d). Thema und Wort werden in zahlreichen Medienberichten (2014e, 2014f), prominent unter anderem der Kulturjournal-Beitrag Michel Abdollahi sucht die neue Nazi-Mode des NDR vom 4. August 2014, aufgegriffen. Über Deutschland hinaus verbreitet ein Beitrag des Rolling Stone vom 23. Juni 2014 das Wort. Nipster bezeichnet Neonazis, deren äußeres Erscheinungsbild eine Aneignung von Hipsterattributen, die mit rechten Insignien kombiniert werden, ist, um sich einen trendigen
Anstrich zu geben (2014g, 2014c). Wie weitreichend das Diskursereignis für die Besetzung des Wortes Nipster war, zeigt die Geschichte eines Nürnberger Online-Magazins, das sich 2012 den Eigennamen Nipster
, wohl als Bildung aus Nürnberg und Hipster, gegeben hatte (2012f). Das Multi-Kulti-Projekt
, wie es sich selbst nennt, hat den Namen in der Nachfolge aufgegeben (vgl. das entsprechende Statement auf der Website von Nürnberg und so).
Nach dem Diskursereignis von 2014/2015 begegnet das Wort Nipster heute kaum mehr; möglicherweise hat die Tatsache, dass die rechte Szene das Wort unmittelbar nach der Prägung als negativ konnotierte Fremdzuschreibung als Hashtag, also als zur besseren Auffindbarkeit mit dem Schriftzeichen # markiertes Schlagwort, in den sozialen Medien besetzt und damit umgedeutet hat, zum Rückgang beigetragen (vgl. schon die Beobachtung im Rolling Stone).
Literatur
Broyard 1948 Broyard, Anatole: A Portrait of the Hipster. In: Partisan Review XV, 6 (1948), S. 721–727.
2DFWB Deutsches Fremdwörterbuch. Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler. 2. Aufl., völlig neu erarbeitet im Institut für Deutsche Sprache von Gerhard Strauß u. a. Bd. 1 ff. Berlin/New York 1995 ff. (owid.de)
Greif 2014 Greif, Mark: Vorwort zur amerikanischen Ausgabe. Aus dem Englischen von Tobias Moorstedt. In: Mark Greif u. a. (Hrsg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Aus dem Englischen von Niklas Hofmann und Tobias Moorstedt. Frankfurt a. M. 2014, S. 11–19.
Greif 2014b Greif, Mark: Nachruf auf den weißen Hipster. Aus dem Englischen von Tobias Moorstedt. In: Mark Greif u. a. (Hrsg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Aus dem Englischen von Niklas Hofmann und Tobias Moorstedt. Frankfurt a. M. 2014, S. 112–140.
Greif 2014a Greif, Mark: Positionen. Aus dem Englischen von Tobias Moorstedt. In: Mark Greif u. a. (Hrsg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Aus dem Englischen von Niklas Hofmann und Tobias Moorstedt. Frankfurt a. M. 2014, S. 23–31.
3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)
Tortorici 2014 Tortorici, Dayna: Man erkennt sie, wenn man sie sieht. Aus dem Englischen von Niklas Hofmann. In: Mark Greif u. a. (Hrsg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Aus dem Englischen von Niklas Hofmann und Tobias Moorstedt. Frankfurt a. M. 2014, S. 99–111.
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu Hipster, Hipstertum, Mipster, Nipster.