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Yuppisierung

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Yuppisierung wird Ende der 1980er Jahre als allgemeinsprachliches Synonym für Gentrifizierung aus dem amerikanischen Englisch ins Deutsche entlehnt. Stärker als das zunächst fachsprachliche Gentrifizierung ist Yuppisierung in seiner Semantik dabei an eine bestimmte Sozialfigur und ihre Rolle für den Gentrifizierungsprozess, den Yuppie, gebunden. Das mag auch der Grund sein, weshalb Yuppisierung nach einem Bezeugungshöhepunkt in den 1990er Jahren – wie seine Ableitungsgrundlage Yuppie auch – eine rückläufige Verwendungsfrequenz hat, während Gentrifizierung seit seiner Entlehnung eine steigende Bezeugungsfrequenz aufweist.

Wortgeschichte

Yuppisierung: Neologismus der 1980er Jahre

Seit Ende der 1980er Jahre begegnet in deutschsprachigen Texten gelegentlich der Neologismus Yuppisierung, seltener auch Yuppifizierung, als Synonym für GentrifizierungWGd (1988a, 1990, 1997, 2000). Zunächst über Anführungszeichen als Lehnübersetzung aus dem englischen yuppification gekennzeichnet (1988a, 1988b), etabliert sich das Wort mit der Bedeutung Prozess des sozioökonomischen Wandels innerhalb eines Stadtteils durch Zuzug insb. junger, karrierebewusster, großen Wert auf Statussymbole und äußere Erscheinung legender Aufsteiger in den 1990er Jahren im Deutschen (1998, 2010).

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Historischer Kontext für die Wortprägung im Englischen ebenso wie für die Entlehnung und Verbreitung ins Deutsche ist, wie für Gentrifizierung auch, ein Strukturwandel der Städte im Zuge des Übergangs von der industriellen zur postindustriellen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Gentrifizierung ist ein symptomatischer Teilaspekt dieses Strukturwandels. In Deutschland setzt der Prozess verstärkt ab den 1990er Jahren ein, als nach einer Phase der Suburbanisierung die Kernstädte auch für einkommensstärkere Bevölkerungsgruppen wieder attraktiver werden (vgl. mit einem Überblick zu Ursachen, Formen und Folgen von Gentrifizierung Kronauer 2018, online).

YuppisierungGentrifizierung

Während GentrifikationWGd bzw. Gentrifizierung aus der Fachsprache der Städtesoziologie entstammt, ist Yuppisierung, das mindestens teilweise negativ konnotiert ist (1988c, 2001, 2002), eher der Allgemeinsprache zuzuordnen. Das mag mit seiner Etymologie zusammenhängen: Das Wort geht auf das amerikanische yuppification zurück, das seinerseits action or process by which an area, building, clothing, etc., becomes rendered characteristic of or suitable for yuppies bedeutet (vgl. 3OED unter yuppification, n.). Ableitungsgrundlage ist sowohl im Englischen als auch im Deutschen yuppie bzw. YuppieWGd, das im Englischen etwa 1980 als Akronym von young urban professional gebildet wird und im Deutschen wenig später mit der Bedeutung junger, karrierebewusster, großen Wert auf Statussymbole und äußere Erscheinung legender Stadtmensch, Aufsteiger bezeugt ist (1984a, 1984b). Gegenüber Gentrifizierung ist Yuppisierung damit über seine Ableitungsgrundlage stärker an eine spezifische Sozialfigur und ihre Rolle im Prozess der Gentrifizierung, den Yuppie, gebunden.

Ein Verb zum Substantiv Yuppisierung – üblicherweise die Ableitungsgrundlage für Bildungen mit -ung – ist im Übrigen nicht bezeugt. Das Wort gehört im Bereich der Wortbildung des Substantivs damit zu den wenigen Suffixderivationen mit -ung, die keine verbale, sondern eine substantivische Basis haben (vgl. hierzu Fleischer/Barz 2012, 225 u. 229).

Wort der 1990er Jahre

Während Gentrifizierung in seinen verschiedenen Formvarianten seit seiner Entlehnung aus dem Englischen eine fast kontinuierlich steigende Bezeugungsfrequenz aufweist (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers), sinkt diejenige von Yuppifizierung nach einem Höhepunkt in den 1990er Jahren im Deutschen deutlich ab (vgl. Google NGram Viewer). Das mag damit zusammenhängen, dass die Ableitungsgrundlage Yuppie ihrerseits einen Peak in den 1990er Jahren hat (vgl. Google NGram Viewer). Auch insgesamt ist Yuppisierung deutlich weniger verbreitet als Gentrifikation und Gentrifizierung (vgl. Google NGram Viewer).

Literatur

Fleischer/Barz 2012 Fleischer, Wolfgang/Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4., völlig neu bearbeitete Aufl. unter Mitarbeit von Marianne Schröder. Berlin/Boston 2012.

Kronauer 2018 Kronauer, Martin: Gentrifizierung: Ursachen, Formen und Folgen. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Dossier „Stadt und Gesellschaft“, Bonn 9. 7. 2018. (bpb.de)

3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)

Belegauswahl

Vor allem den New Yorkern, die Yuppies voran, geht Europa nicht mehr aus dem Sinn.

Die Zeit, 8. 6. 1984, Nr. 24. [DWDS] (zeit.de)

Bei einer Diskussionsveranstaltung im September 1984 in San Francisco, zusammen mit seinem ehemaligen Mitstreiter Abbie Hoffmann, präsentiert er sich als eleganter Geschäftsmann und junger Aufsteiger: als „Yuppie“ (Young upwardly moving Professionals ), wie man diese „in“-Gruppe heute nennt.

Die Zeit, 26. 10. 1984, Nr. 44. [DWDS] (zeit.de)

Bestritten wird allerdings, das Viertel gehe durch das Flora-Projekt einer rücksichtslosen „Yuppisierung“ entgegen, die die sozial Schwachen vertreiben würde.

Die Zeit, 29. 7. 1988, Nr. 31. [DWDS] (zeit.de)

Das Wort „Yuppisierung“ konnte auch durch bürgermeisterliche Beschwichtigungsformeln nicht aus der Welt geschafft werden.

Die Zeit, 16. 9. 1988, Nr. 38. [DWDS] (zeit.de)

Längst ist die Musicalfabrik nur mehr der Aufhänger für eine schärfer werdende Debatte über die „Yuppisierung“ Hamburger Altbauviertel. Stadtteilinitiativler zeichnen das Schreckensbild einer Horde junger zahlungskräftiger Erfolgsmenschen in Designer-Klamotten, die, Drinks schlürfend, ständig nach schicken Luxusgütern Ausschau halten.

Der Spiegel, 5. 9. 1988, S. 64. [IDS]

„Die Kulturschickeria aus der ganzen Republik vergnügt sich praktisch auf unsere Kosten“, wetterte ein St. Paulianer am Premierenabend. Freilich hat sich der Trend zur „Yuppifizierung“ auch schon vorher bemerkbar gemacht. Seit 1988 steigen die Mieten sprunghaft an, ein Ende ist nicht abzusehen.

Die Zeit, 6. 7. 1990, Nr. 28. [DWDS] (zeit.de)

Für Häußermann haben „alle Bezirke ihren Charakter seit der Wende nur stärker artikuliert“. Anstelle der gefürchteten „Yuppisierung“ ganzer Bezirke wie Kreuzberg [...].

Berliner Zeitung, 23. 10. 1997. [DWDS]

Aber keine Yuppisierung des Stadions mit vollverglasten Vip-Zentren, sondern behutsame Anpassung an Sicherheits- und Technikstandards.

Berliner Zeitung, 3. 3. 1998. [DWDS]

Über Kultur und Kommerz, Yuppisierung und Absturz ganzer Stadtteile ist im Berlin der Nachwendezeit viel diskutiert worden, vor allem im Ostberliner Arbeiter- und Szenebezirk Prenzlauer Berg.

die tageszeitung, 7. 8. 2000, Jg. 22, überregionale Ausgabe, S. 19. [IDS]

Da fällt Maier die so genannte soziale Stadtteilentwicklung ein. Mit dem Ergebnis, dass „in manchen früher armen Stadtteilen inzwischen mehr über die Yuppisierung als über das Verkommen geklagt wird“. Klagen, die er für „manchmal übertrieben“ hält: Man habe im Großen und Ganzen eine Politik gemacht, „die die Vertreibung der ursprünglichen Bevölkerung aufgrund hoher Mieten verhindert“ habe.

die tageszeitung, 29. 6. 2001, Jg. 23, Ausgabe Hamburg, S. 22. [IDS]

Gentrifizierung nennt man diesen Prozess, der, je nach politischer Perspektive, als soziale Aufwertung armer Stadtviertel bzw. als Yuppisierung bekannt ist.

die tageszeitung, 21. 9. 2002, Jg. 24, überregionale Ausgabe, S. 13. [IDS]

Dabei galt die Yuppisierung lange Zeit als Zauberweg, um in sogenannten Problemvierteln eine stabile soziale Mischung herzustellen.

Die Zeit, 29. 4. 2010, Nr. 18. [DWDS] (zeit.de)