Wortgeschichte
Hip – Hipster – Hippie
Das Wort Hippie ist mit der Bedeutung Angehöriger einer in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre zunächst in den USA auftretenden, dann sich weltweit ausbreitenden subkulturellen Bewegung, die in ihren Werten und ihrem Auftreten betont antibürgerlich und unkonventionell ist und für eine pazifistische Lebensform steht
im Deutschen seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre bezeugt (vgl. auch 2DFWB unter Hippie sowie Anglizismen-Wb. 2, 661–662). 1967 gelegentlich noch als Entlehnung aus dem Englischen markiert (1967a), ist es zeitgleich auch schon als deutsches Wort belegt (1967b).
Englisch Hippie stellt eine Ableitung vom Adjektiv hip dar (vgl. 3OED unter hippy, hippie, n. and adj. 3), dessen Herkunft bis heute weitgehend ungeklärt ist. Das englische hippie steht wortgeschichtlich wohl in engem Zusammenhang mit dem seit den 1930er Jahren bezeugten hipster: Hippie bezeichnet hier seit den 1940er Jahren zunächst a person who is hip, esp. about jazz music and culture
, (vgl. 3OED unter hippie, n. and adj.), und hat insofern semantische Überschneidungen mit hipster (vgl. hierzu auch HipsterWGd). Mitte der 1960er Jahre bildet sich vor dem Hintergrund einer neuen Jugendbewegung die Bedeutung Mitglied einer gegenkulturellen Bewegung, die sich durch Pazifismus, Ablehnung konservativer Werte und ein nonkonformistisches Auftreten auszeichnet und oft mit der Einnahme halluzinogener Drogen verbunden ist
aus (vgl. 3OED unter hippy, hippie, n. and adj. 3). In dieser Bedeutung wird das Wort fast zeitgleich ins Deutsche entlehnt (1967c, 1967d, 1967e). Im Deutschen ist Hippie damit im Übrigen früher bezeugt als Hipster, das zwar seit Ende der 1960er Jahre gelegentlich begegnet (1969a), weitere Verbreitung allerdings erst an der Schwelle zum 21. Jahrhundert in der neuen Bedeutung Person, die den neuesten Trends folgt und als zeitgemäß und unter anderem modisch auf dem Laufenden gilt
findet (2000a). Im Deutschen sind Hippie und Hipster damit semantisch weniger eng verbunden als im Englischen. Gleichwohl scheint in manchen Belegen die sachgeschichtliche Herkunft des Hippies aus der Generation der Beatniks, die dem Hipster in seiner ursprünglichen Bedeutung Angehöriger einer Subkultur in den USA in der Mitte des 20. Jahrhunderts
eng verwandt sind, durchaus durch (1967f).
In den ersten Bezeugungen ist Hippie auf angloamerikanische Verhältnisse bezogen (1967a, 1967c), wird dann zunehmend aber auch auf Europa und den deutschsprachigen Raum übertragen (1967g, 1967h, 1967i). Mit der Zeit bildet sich zudem eine breitere Bedeutung aus, in der Hippie nun auch solche Personen bezeichnet, die in Bezug auf Kleidungsstil, Ideale und Lebensweise ähnlich unkonventionell sind und mehr oder weniger Überschneidungen mit der Hippie-Bewegung haben, ohne jedoch im engeren Sinn der subkulturellen Bewegung der 1960er und –70er Jahre anzugehören (1989, 2017). Der Übergang zu Neo-Hippie ist hier fließend.
Drogen, freie Liebe, lange Haare: Konnotationen
Mit dem Wort Hippie verbinden sich eine ganze Reihe an Konnotationen, die von Drogenkonsum (1967d) über lange Haare (1971a), freie Liebe (1967e) und Gewaltlosigkeit (1967j) bis hin zu Arbeitsverweigerung und einem gewissen Grad an Ungepflegtheit und Verwahrlosung (1967k) reichen. Wohl auch vor dem Hintergrund dieser Konnotationen begegnet Hippie im Deutschen in den 1960er und –70er Jahren häufiger zusammen mit GammlerWGd (1969b, 1969c, 1971b, 1981). Zudem bildet sich das Synonym BlumenkindWGd für Hippie aus, eine Lehnübersetzung, die auf das Englische flower children zurückzuführen ist.
Von Hippie-Mode bis Alt-Hippie: Komposita
Einmal ins Deutsche entlehnt, wird Hippie zu einem ausgesprochen produktiven Wort: Bereits Ende der 1960er Jahre sind zahlreiche Komposita bezeugt, deren Spektrum von Hippie-Dichtung (1967l) und Hippie-Gemeinde (1967m) über Hippie-Rummel und Hippie-Aufruhr bis hin zu Hippie-Ideen, Hippie-Mode und Hippie-Accessoires reicht (1967n).
Hervorzuheben ist die Bildung Alt-Hippie (1994) bzw. Althippie (1985): Das Wort begegnet vereinzelt bereits Ende der 1960er Jahre, hier als Bezeichnung für einen Angehörigen der Hippiebewegung in fortgeschrittenem Alter (1968, 1969d). Ab den 1980er Jahren steigt die Bezeugungsfrequenz und das Kompositum erhält die neue Bedeutung Anhänger der Hippie-Bewegung der 60er und 70er Jahre der ersten Stunde, der weiterhin den Lebensstil der Hippies pflegt
(1985, 1998a, 1994). Die Bildung von Alt-Hippie legt im Übrigen nahe, dass Hippie nunmehr vermehrt historisierend gebraucht wird (2004).
Hippietum
Zu den Ableitungen von Hippie gehört das Wort Hippietum, das seit Ende der 1960er Jahre mit der Bedeutung (dem typischen Hippie entsprechende, nachempfundene) friedfertige, sanftmütige Lebenseinstellung
(2DFWB unter Hippie) bezeugt ist (1969e, 1971c). Zunächst bezeichnet Hippietum die Bewegung, den Lebensstil der Hippies; insgesamt ist jedoch auffällig, dass das Wort um 1970 nur gelegentlich verwendet wird, dann jedoch erst ab Anfang der 1990er Jahre – und damit in etwa zeitgleich zur Ausbildung von Wörtern wie Alt-Hippie und Neo-Hippie – wieder vermehrt begegnet (1995a, 1998b, 2009). Hippietum kann, so das 2DFWB unter Hippie, neben einem bestimmten Lebensstil auch ein Stilmerkmal in der Popmusik bezeichnen (1992, 2007).
hippiesk
Eine Hippietum vergleichbare semantische Entwicklung durchläuft das Adjektiv hippiesk (1969f), selten auch in der alternativen Schreibung hippieesk (2013): Das Wort, seinerseits eine Ableitung vom Substantiv Hippie, begegnet ebenfalls bereits um 1970 gelegentlich in der Bedeutung hippiehaft, hippieähnlich
(1969g, 2000b, vgl. auch 2DFWB unter Hippie), erst ab den 1990er Jahren jedoch steigt die Verwendungsfrequenz. Synonyme sind hippiehaft, hippiemäßig und hippieartig. Hippiesk begegnet gelegentlich auch in Bezug auf literarische und filmische Werke, wo es fast als ästhetische Kategorie erscheint (1996a, 1998c).
Neo-Hippie
Neben dem Alt-Hippie begegnet seit Mitte der 1990er Jahre im Deutschen eine neue Wortbildung mit Hippie, der Neo-Hippie (1993, 2005). Nicht ganz klar auszumachen ist, ob es sich um eine im Deutschen entstandene Wortbildung oder um eine Entlehnung aus dem Englischen handelt, wo neo-hippie bereits seit den 1980er Jahren als Substantiv und als Adjektiv bezeugt ist (vgl. 3OED unter neo-hippie, n. and adj.). Neo-Hippie bezeichnet eine Person, die lose in Erscheinungsbild, Lebensweise und Werten an das Hippietum der 60er und 70er Jahre erinnert
(1996b). Anders als die Wortbildung Alt-Hippie bezeichnet Neo-Hippie damit im Grunde eine neue Sozialfigur bzw. JugendkulturWGd (1995b), die nur noch partielle Überschneidungen mit Werten, Lebensweise und Erscheinungsbild der Subkultur der Hippies hat und bisweilen auch nur mehr Modestil ist (2001, 2005).
Literatur
Anglizismen-Wb. Anglizismen-Wörterbuch. Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz nach 1945, begründet von Broder Carstensen, fortgeführt von Ulrich Busse. Bd. 1–3. Berlin/New York 1993–1996.
2DFWB Deutsches Fremdwörterbuch. Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler. 2. Aufl., völlig neu erarbeitet im Institut für Deutsche Sprache von Gerhard Strauß u. a. Bd. 1 ff. Berlin/New York 1995 ff. (owid.de)
3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu Hippie, hippiesk, Hippietum, Neo-Hippie.