Wortgeschichte
Soziabel im Wortfeld sozial
Im Wortfeld sozial gehört soziabel zu den Wörtern mit geringer Bezeugungsfrequenz. Gleichzeitig gehört es neben gesellschaftlich, das seit Mitte des 17. Jahrhunderts im Deutschen bezeugt ist (1674), zu den ältesten Wörtern des Feldes. In seiner frühen begriffshistorischen Studie Über das Eindringen des Wortes sozial
in die deutsche Sprache stellt Geck 1963 die These auf, dass soziabel allem Anschein nach geraume Zeit in irgendeinem Maße für
(Geck 1963, 25). Andererseits könnte das ältere soziabel die Entlehnung von sozialWGd aus dem Französischen ins Deutsche im ausgehenden 18. Jahrhundert auch vorbereitet haben – jedenfalls wird social Anfang des 19. Jahrhunderts auch noch mit der Bedeutungsangabe sozial
stand und dessen Aufkommen verzögert haben könntesociabel
gebucht (vgl. 1Liechtenstern/Schiffner 8, 745). Seit den frühesten Bezeugungen hat soziabel die Bedeutung gesellig, umgänglich
(1719, 1859). Daneben treten die heute nicht mehr gebräuchliche Bedeutung vereinbar
(1853, 1871, vgl. auch 2Campe Verdeutschung, 558) sowie jünger und insbesondere in der Soziologie die Bedeutung fähig, willig, sich in die Gesellschaft einzupassen
(2005).
Frühe Bezeugungen
Soziabel begegnet in deutschsprachigen Texten seit Ende des 17. Jahrhunderts. Zunächst wird das Wort über das Schriftbild noch als fremdsprachig gekennzeichnet (1691, 1719), seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Lehnwort (1727, 1741). Ebenfalls in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird das Wort in Gladovs Fremdwörterbuch À la Mode-Sprach der Teutschen erstmals lexikographisch erfasst – hier in der Form sociable, was Rückschlüsse auf französische Einflüsse bei der Entlehnung des Wortes zulässt. Gladov bucht sociable mit der Bedeutung geſellig, fuͤglich, das ſich geſellen oder fuͤgen laͤſſet
(A la Mode-Sprach, 653). Auch Campes Buchung im Verdeutschungswörterbuch von 1813 spricht für eine Übernahme aus dem Französischen (2Campe Verdeutschung, 558). Französisch Sociable lässt sich bis zum Mittelfranzösischen zurückverfolgen (vgl. TLFi unter sociable) und geht etymologisch auf das lateinische sociābilis vereinbar; gesellig-verträglich
zurück. Zugleich werden in Worterklärungen noch im Verlauf des 19. Jahrhunderts auch lateinische Einflüsse geltend gemacht (1853).
Soziabel: Ein Wort der Wörterbücher und Enzyklopädien
Obgleich das Wort bereits 1727 Aufnahme in ein Wörterbuch findet, bleibt es dennoch im 18. Jahrhundert insgesamt bei nur sporadischen Verwendungen. Das ändert sich auch im Verlauf des 19. Jahrhunderts kaum; erst seit der Jahrhundertwende ist soziabel, das dann seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch in der Schreibweise soziabel begegnet (1853), etwas häufiger bezeugt (vgl. die Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers sowie 1DFWB 4, 287–288). Eigenwillig ist vor diesem Hintergrund die Beleglage des 19. Jahrhunderts: Es sind zwar nicht ausschließlich (1857a, 1875), aber doch in im Verhältnis zu anderen Quellen ausgesprochen zahlreiche Wörterbücher und Enzyklopädien, in denen das Wort auftritt (vgl. exemplarisch nur 1813, 1819, 1857b, 1863, 1906).
Allgemeinsprachliche und fachsprachliche Verwendungen ab 1900
Seit der Jahrhundertwende steigt die Bezeugungsfrequenz von soziabel etwas an. Auch wenn es seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nun auch in soziologischen und anderen fachwissenschaftlichen Kontexten Verwendung findet (1924, 1933, 1994, 2005), begegnet soziabel seither keinesfalls ausschließlich in der Fachsprache der Soziologie, sondern tritt seit der Jahrhundertwende in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen auf (1919/20, 1960, 1969, 2000).
Jünger als soziabel sind die beiden Wortbildungen SoziabilitätWGd und SoziabilisierungWGd.
Literatur
A la Mode-Sprach Gladov, Friedrich: A la Mode-Sprach der Teutschen Oder Compendieuses Hand-Lexicon. Jn welchem die meisten aus fremden Sprachen entlehnte Wörter und gewöhnliche Redens-Arten, So in denen Zeitungen, Briefen und täglichen Conversationen vorkommen, Klar und deutlich erkläret werden. Nürnberg 1727. (deutschestextarchiv.de)
2Campe Verdeutschung Campe, Joachim Heinrich: Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. Ein Ergänzungsband zu Adelung’s und Campe’s Wörterbüchern. Neue stark vermehrte und durchgängig verbesserte Ausgabe. (Documenta Linguistica. Quellen zur Geschichte der deutschen Sprache des 15. bis 20. Jahrhunderts. Reihe II. Wörterbücher des 17. und 18. Jahrhunderts. Hrsg. von Helmut Henne.) Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Braunschweig 1813. Hildesheim/New York 1970. (mdz-nbn-resolving.de)
1DFWB Schulz, Hans/Otto Basler: Deutsches Fremdwörterbuch. Weitergeführt im Institut für deutsche Sprache unter der Leitung von Alan Kirkness. Bd. 1–7. Straßburg bzw. Berlin 1913–1988. (owid.de)
Geck 1963 Geck, Ludwig Heinrich Adolph: Über das Eindringen des Wortes „sozial“ in die deutsche Sprache. Göttingen 1963.
1Liechtenstern/Schiffner Liechtenstern, Joseph Marx von/Schiffner, Albert: Allgemeines deutsches Sach-Wörterbuch aller menschlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, verbunden mit den Erklärungen der aus andern Sprachen entlehnten Ausdrücke und der weniger bekannten Kunstwörter. Meissen 1824-.
TLFi Trésor de la language française informatisé (Trésor de la language française, sous la direction de Paul Imbs/Bernard Quemada. Bd. 1–16. Paris 1972–1994). (atilf.fr)
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu soziabel.