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kleiner Mann kleine Leute

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Mit der spätestens Anfang des 19. Jahrhunderts aufkommenden Verbindung der kleine Mann werden all jene bezeichnet, die im Gegensatz zu den Großen nicht über Macht und Einfluss verfügen. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert verschiebt sich der semantische Schwerpunkt eher auf die Bedeutung Bevölkerungsmehrheit, Durchschnittsbürger. Zur Herstellung eines eindeutigeren Geschlechterbezugs treten dann schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts auch Analogiebildungen wie die kleine Frau bzw. die kleine Hausfrau hinzu. Die Verbindung findet auch Eingang in Idiome wie Der Hund ist das Pferd des kleinen Mannes.

Wortgeschichte

Die Kleinen und die Großen

Die Adjektive klein und großsog. Dimensionsadjektive – werden mindestens seit frühneuhochdeutscher Zeit auch zur Bezeichnung gesellschaftlicher Gegensätze gebraucht: groß bzw. die Großen sind die Mächtigen und Privilegierten, d. h. in der feudalen Gesellschaft typischerweise die Adligen (s. 1DWB 9, 480 f.). Als klein bzw. die Kleinen werden aber offenbar nicht diejenigen bezeichnet, die ganz am anderen Ende der Skala stehen, sondern eher die normalen Leute, also diejenigen, die nicht über Macht, übermäßigen Reichtum und besonderen Status verfügen – ohne dass sie in jedem Fall als arm und unterdrückt zu gelten hätten (zu den Bezeugungen des Adjektivs bzw. seiner Substantivierung vor 1800 (s. 1DWB 11, 1097).

Der kleine Mann als kollektive Standesbezeichung

Die Verbindung die kleinen Leute ist im Deutschen Textarchiv zuerst für 1589 bezeugt (hier als Gegensatz zu gewaltige leute). Die Verbindung der kleine Mann als Ausdruck der sozialen Zugehörigkeit kommt wohl später auf; der erste eindeutige Beleg – allerdings im Plural die kleinen Männer – stammt von 1809, und zwar aus einer Schrift des konservativen Staatstheoretikers Adam Müller (in diesem Sinne möglicherweise aber auch schon 1778). Hier werden die kleinen Männer mit leicht kritischem Unterton als diejenigen bestimmt, die gerade jetzt auf der Bühne stehen, die also im Gefolge der französischen Revolution einen Zuwachs an politischem Einfluss erfahren haben. In der Publizistik der Zeit um 1848 erscheint der kleine Mann nicht als Akteur wie noch bei Müller; er wird vielmehr deutlich als Opfer von Ausbeutung und Willkür durch die feudalen Herrscher dargestellt (1849a, 1849b, 1849c, vgl. später auch 1863, 1870, 1928). Hier ist die Verbindung übrigens überwiegend auf die einfache Landbevölkerung bezogen, nicht auf die Arbeiterschaft bzw. die Unterschicht in den Städten (vgl. auch 1854 mit Bezug auf die Zustände im alten Rom). Die Darstellung des kleinen Mannes als Opfer von Unterdrückung bzw. als eines der Hilfe und Zuwendung Bedürftigen ist dabei keine Besonderheit linker Sozialkritik, sondern findet sich bei Autoren unterschiedlichster Couleur, so etwa bei dem national-liberalen Historiker Heinrich von Treitschke (1879a), bei Bertha von Suttner (1902) ebenso wie bei anderen ideologisch nicht immer klar einzuordnenden Autoren (1890, 1901). Den Charakter eines Schlagworts, das fest mit einer bestimmten politischen Richtung verknüpft ist, erhält die Verbindung somit nie.

Fokusverschiebung: der kleine Mann als Inbegriff gesellschaftlicher Normalität

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschiebt sich der semantische Fokus: Kleiner Mann wird nun zunehmend auch in der Bedeutung einfacher, normaler Mann, Durchschnittsbürger verwendet (1898, 1903, 1906). Der für den Gebrauch des 19. Jahrhunderts dominierende Gegensatz zwischen dem kleinen Mann und den Herrschenden tritt hier tendenziell in den Hintergrund. Dieser Übergang lässt sich als Metonymie beschreiben: In einer durch starke Ungleichheit gekennzeichneten Gesellschaft wie der des 19. Jahrhunderts bilden die sozial Unterprivilegierten – die Kleinen – gegenüber den wenigen Privilegierten die Mehrheit und sind insofern als Normalfall, als durchschnittliche Repräsentanten einer Gesellschaft zu beschreiben – der Bedeutungsaspekt unterprivilegiert ist daher eng verbunden mit dem Bedeutungsaspekt normal, in der Mehrheit. Im Zuge des metonymischen Wandels wird nun der zweite Aspekt gewissermaßen in der Vordergrund gerückt. Der kleine Mann erscheint dementsprechend auch als Synonym zu der Mann aus dem Volke (1910).

Beide Bedeutungen – Angehöriger der Unterschicht sowie Durschnittsbürger – bleiben freilich überwiegend eng aufeinander bezogen. Dies wird etwa an der Hauptfigur in Hans Falladas Roman Kleiner Mann – was nun? (1932) deutlich – ein kleiner Angestellter aus einfachen Verhältnissen. Dieser kleine Mann ist als durchschnittlicher Repräsentant der Gesellschaft angelegt; gleichzeitig wird der soziale Status der Figur als beständig gefährdet beschrieben, vor allem durch die prekären Umstände der Weltwirtschaftskrise.

Geschlechterfragen

Die Verbindung der kleine Mann funktioniert semantisch gewissermaßen pars pro toto: Ein fiktives Individuum steht für eine ganze Gruppe ähnlicher Referenten. Wenn nun kleiner Mann für Angehöriger der Unterschicht bzw. Normalbürger steht, stellt sich die Frage, wie es um die Referenten weiblichen Geschlechts bestellt ist. Ob sie mitgemeint sind oder ob es tatsächlich ausschließlich um Männer geht (etwa als Familienoberhäupter im herkömmlichen Sinn), ist für die historischen Belege schwer zu entscheiden. In einigen Fällen gibt es jedoch offenbar das Bedürfnis, den Geschlechterbezug zu klären, in dem die Verbindung der kleine Mann durch das analoge die kleine Frau (oder auch die kleine Hausfrau) ergänzt wird, damit der geschlechterübergreifende Bezug unmissverständlich zum Ausdruck kommt (1906, 1997b). Möglicherweise dient auch das Setzen von Anführungszeichen oder der häufige Zusatz der sogenannte kleine Mann als Zeichen für den uneigentlichen, geschlechtsübergreifenden Bezug von Mann.

Idiomatische Erweiterung I: der kleine Mann auf der Straße

Die Verwendungsweise einfacher, normaler Mann, Bürger hält sich bis in die Gegenwart (z. B. 1974). Für die Mitte des 20. Jahrhunderts ist dann eine Erweiterung der Verbindung belegt: Neben dem erwähnten kleinen Mann aus dem Volke ist nun auch vom kleinen Mann auf der Straße die Rede (1957, 1961). An der Bedeutung der Verbindung ändert sich durch den Zusatz auf der Straße allerdings kaum etwas: In den Belegen ist der Normalbürger gemeint, wobei auch hier oft ein Gegensatz zu den Herrschenden konstruiert wird (1957; vgl. auch NormalverbraucherWGd). Die Verbindung stellt das Ergebnis einer Kreuzung zweier semantisch übereinstimmender Wortverbindungen dar: der kleine Mann und der Mann auf der StraßeWGd werden kombiniert zu der kleine Mann auf der Straße.

Idiomatische Erweiterung II: Der Hund ist das Pferd des kleinen Mannes

Der kleine Mann hat in eine weitere komplexe Wortverbindung Eingang gefunden, nämlich in Fügungen des Typs Die Ziege ist die Kuh des kleinen Mannes. Verbindungen dieser Art lassen sich ab ca. 1918 belegen (1918; möglicherweise aber schon 1907). Die Bedeutung dieser Konstruktion lässt sich wie folgt umschreiben: Ein X (z. B. ein Hund) ist die für den Normalbürger bestimmte Entsprechung eines höherwertigen, nur für wenige bestimmten Y (z. B. ein Pferd). Die beiden Leerstellen – hier angegeben durch X und Y – sind im Prinzip frei besetzbar. Es kann sich um ganz unterschiedliche Wortpaare handeln, z. B. Ziege und Kuh, Sparkasse und Bank (1952), Angeln und Jagd (1994), Hund und Pferd (2001 ) oder auch um Eigennamen wie Puccini und Verdi (1931). Für die Besetzung der Leerstellen sind allerdings zwei Eigenschaften zentral: (1) Beide Substantive gehören zum selben Wortfeld und (2) beide stehen in einer Abstufungsrelation, wobei das erste Substantiv als in irgendeiner Weise schwächer zu gelten hat bzw. im Vergleich zum ersten Element weniger wert ist als das zweite – eine Kuh gibt mehr Milch als eine Ziege, eine Bank tätigt größere Geschäfte als eine Sparkasse usw.

Allerdings ist insofern ein semantischer Wandel der Fügung festzustellen, als diese auch in der Bedeutung in einfacherer, günstigerer Ausführung von etwas vorkommen kann, ohne dass hier unbedingt ein Bezug zum Normalbürger vorliegt. Diese Bedeutungsvariante bezieht sich offenbar auf technische Entwicklungen, z. B. wenn von der chemischen Waffen als der Atombombe des kleinen Mannes die Rede ist, weil diese billiger herzustellen ist (1997a; vgl. auch die älteren Beispiele 1949, 1996). Hier liegt eine metonymische Verschiebung vor: Die Bedeutungsaspekte für den Normalbürger und vergleichsweise einfach in der Ausführung korrespondieren eng miteinander, und im Zuge des Wandels wird der zweite Aspekt fokussiert.

Die kleinen Leute als teil-synonymer Ausdruck

Die Verbindung die kleinen Leute ist, wie der kleine Mann, ebenfalls ein häufiger Ausdruck zur Kennzeichnung einer Zugehörigkeit zu den unteren sozialen Schichten; die kleinen Leute ist in dieser Verwendung spätestens im auslaufenden 16. Jahrhundert (1589) zum ersten Mal bezeugt und bis in die Gegenwart hin präsent.

Die kleinen Leute könnte als Plural zu der kleine Mann aufgefasst werden. Dies greift aber zu kurz: In der kleine Mann steht Mann nicht für eine Einzelperson, sondern ist als Kollektivum zu verstehen – und ein Plural zu einem Kollektivum ist unnötig. Vor allem aber stimmen die beiden Verbindungen im Hinblick auf ihre Semantik nicht vollkommen überrein, jedenfalls weniger, als vielleicht zu erwarten wäre. Die Verbindung die kleinen Leute steht zwar, wie der kleine Mann, für die unteren Schichten, die Nicht-Privilegierten einer Gesellschaft. Die kleinen Leute werden dementsprechend auch häufig als Leidtragende von Benachteiligung und Ausbeutung beschrieben (z. B. 1845, 1900), und in der Formel wir kleinen Leute kommt dies durchaus auch als Selbstbeschreibung zum Ausdruck (1922, 1933). Im Gegensatz zu der kleine Mann ist die Bedeutung Durchschnittsbürger hier aber bei weitem nicht so ausgeprägt, trotz einiger Belege, die durchaus in diesem Sinne zu lesen sind (z. B. 1946).

Europäische Parallelen

Der Gebrauch des Dimensionsadjektivs klein zur sozialen Unterscheidung ist nicht allein eine Erscheinung des Deutschen, sondern mindestens auch im Englischen und Französischen verbreitet. So kennt das Englische ebenfalls die Fügung the little man, und zwar mit einem Gebrauchsspektrum, das dem seines deutschen Pendants genau entspricht: [The type of] a man of little wealth or status, an undistinguished and ordinary man; the man in the street (3OED unter little man 4 a). Daneben findet man auch little people) mit der Bedeutungsangabe people of little wealth or status; the poor; ordinary or undistinguished people (Bed. 2). Das Französische wäre hier mit den Verbindungen les petites gens, petit peuple zu nennen (TLFi unter petit). Ein Entlehnungszusammenhang ist hier aber wohl kaum anzunehmen: Die Übertragung von körperlicher Größe auf den sozialen Rang ist wohl zu naheliegend, als dass sie eines Anstoßes aus einer benachbarten Sprache bedurft hätte.

Literatur

1DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1–16. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. (woerterbuchnetz.de)

3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)

TLFi Trésor de la langue française informatisé (Trésor de la langue française, sous la direction de Paul Imbs/Bernard Quemada. Bd. 1–16. Paris 1972–1994). (atilf.fr)

Belegauswahl

Es ist aber Gottes Zorn ein schrecklicher Zorn / daher die Epistel zum Hebreern am 10. sagt: Es ist schrecklich in die Hand des lebendigen Gottes fallen. Kleiner Leute zorn pflegt man wol zuuerachten.

Sattler, Basilius: Drey Predigten, Gethan bey der Leich vnd Begrebnis, Weilandt Des Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten und Herrn, H. Julij, Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg. Wolfenbüttel 1589, Bl. [G iv] v. [DTA]

Was ehedem von dem ſeligen Vogte in dieſen Blaͤttern geſchrieben, zeigt die ganze Wuͤrde, und den groſſen Werth des Amts […], welches ein Vogt hieſelbſt bekleidet, den unendlichen Einfluß auf das gemeine Beſte, welchen er ſich geben kann, und die hohe Achtung ſo er verdient, wenn er ſich durch Einſicht und Redlichkeit das noͤthige Anſehn erwirbt. Die Abſicht des Verfaſſers, der ſich in ſeinen patriotiſchen Phantaſien zu dieſem Stuͤck bekannt hat, gieng dahin, den Dienſt zu erheben, um groſſe Maͤnner zu vermoͤgen, denſelben anzunehmen, und unwuͤrdige davon auszuſchlieſſen. So oft derſelbe die Satyre zur Beſſerung eines Standes gebraucht, will er durch Liebe gewinnen, und keine Abneigung gegen ſeine Lehren erwecken. Er macht es wie der Capitaͤin, der auch mit einem ſchlechten Unterofficier nicht anders als mit dem Hute in der Hand ſpricht, um Leuten, welche die Seele des Regiments ſind, Achtung gegen ihren Stand, und durch dieſe Achtung einen Geiſt beyzubringen, der ſich unter der Beſchimpfung verlieret. Er ſpricht mit Ehrfurcht von dem Landmanne, wenn er gleich einem ſchlechten Wirthe die Geiſſel fuͤhlen laͤßt […]; er macht den Handwerker zum erſten Patrioten, um ihn von der Verſuchung abzuhalten, ein ſchaͤdlicher Kraͤmer zu werden, und zieht den groſſen Kaufmann allen groſſen und kleinen Maͤnnergen vor, damit derſelbe ſich nicht durch einen Adelbrief erniedrigen, oder ſeine Tochter zu unbuͤrgerlichen Eher bereden moͤge.

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. 2. neue verbesserte und vermehrte Aufl. Dritter Theil. Hrsg. von Jenny von Voigts. Berlin 1778, S. 121. (deutschestextarchiv.de)

Demnach, ſobald die Freiheit bloß als die Eigenſchaft einzelner Beſtandtheile des Staates, z. B. der kleinen Maͤnner, die gerade jetzt auf der Buͤhne ſtehen, anerkannt wird […]; ſobald man ſie nicht eben ſo wohl allen andern nothwendigen Elementen des Staates zuſpricht; ſobald man, wie es in Frankreich geſchah, ein, von aller der Eigenheit, in deren Behauptung ſich eben die Freiheit aͤußert, entkleidetes Weſen, ein Abſtractum, einen Begriff „Menſch” frei erklaͤrt: ſo iſt die Freiheit ſelbſt ein Begriff, und kann keine andre Kraft begehren, als die der bloßen Maſſe […]; ſie kann wie ein großer Fels andre kleinere Felſen zerſchmettern, iſt aber in dem allgemeinen Ruin eben auch nichts mehr als Truͤmmer.

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Erster Theil. Berlin 1809, S. 211–212. (deutschestextarchiv.de)

Allein ſein [Guillaume-Chrétien de Lamoignon de Malesherbes’] Bemühen ſcheiterte an dem Widerſtande der Geldmänner und ihres Beſchützers Terray, und von einem Könige, der insgeheim für eigene Rechnung Kornhandel trieb, war kein offenes Ohr für die Bedrängniß der kleinen Leute zu hoffen.

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig 1845, S. 27. (deutschestextarchiv.de)

Wir haben gleich nach Erscheinen des im Dezember vorigen Jahres octroyirten provisorischen Ablösungsgesetzes nachgewiesen, daß es lediglich auf den Vortheil der gnädigen Gutsherren berechnet, daß der sogenannte „kleine Mann“ der reinen Willkühr der Großen, schon bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts, preisgegeben und seinen Feinden zur beliebigen Manipulation überliefert ist. […]Trotzdem ist die noble Ritterschaft mit ihm nicht zufrieden. Sie verlangt ein Gesetz, das dem ritterlichen Beutel noch einige Annehmlichkeiten mehr zuwenden soll.

[…]

Nach der bittern Lehrzeit in den letzten Monaten des Jahres 1848, und der bisherigen im Jahre 1849, ist das schlesische Landvolk, der „kleine Mann,“ […]immer mehr und mehr zu der Einsicht gekommen, daß die Herren Rittergutsbesitzer […], statt sich durch ein fein ersonnenes Ablösungsgesetz neue Reichthümer zu octroyiren, von Rechtswegen mindestens denjenigen Theil ihres Raubes, den sie mit Hülfe der früheren Ablösungsgesetze ins Trockne gebracht haben, zurückgeben müssen.

Mag immerhin „Mein tapferes Kriegsheer“ noch einige Zeit verwandt werden, mit dem Schweiß und Blut des „kleinen Mannes“ die gutsherrlichen Taschen zu füllen: der Bauer wartet nur des Augenblicks, wo er seine Abrechnung halten kann […], und die wird er wahrlich nicht ohne den Wirth machen.

Neue Rheinische Zeitung, 22. März 1849, Nr. 252, o. S. (deutschestextarchiv.de)

Im Uebrigen fuhr die edle Ritterschaft fort, unter dem Titel von Robotdiensten, Grundzinsen, Laudemien, Marktgroschen, Zehnten und der vielen andern feudalen Abgaben und Leistungen, das Landvolk nach Kräften auszusaugen und von dem Schweiß des sich von früh bis in die tiefe Nacht abplackenden kleinen Mannes herrlich und in Freuden zu leben.

Neue Rheinische Zeitung, 5. April 1849, Nr. 264, o. S. (deutschestextarchiv.de)

Wildschweine, Hirsche und Rehe durchwühlten, fraßen, zertraten oft in Einer Nacht, was dem Bauer oder dem „kleinen Manne“ für’s ganze Jahr zum eignen Unterhalt und zur Bezahlung der Steuern und Abgaben dienen sollte.

N. N.: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Nr. 272, Samstag, 14. April 1849. Köln 1848, S. 1535. (deutschestextarchiv.de)

Jenes unnatürliche Uebergewicht, das dem bisherigen nach der reiche Grundherr über den kleinen Mann ausübte, ward noch dadurch erhöht, daß erſterer in der Lage war, letzteren von der Concurrenz an den Vortheilen des ager publicus faſt gänzlich auszuſchließen.

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Zweiter Theil. Erste Abtheilung. Leipzig 1854, S. 247. (deutschestextarchiv.de)

„Mag dagegen auch angeführt werden — fährt die Botſchaft fort — daß die indirecte Steuer in kleinen Raten und auf unmerkliche Weiſe entrichtet werde, immer bleibt die Thatſache beſtehen, daß dem kleinen Mann ein Theil ſeines ſauer verdienten Einkommens, […]welches er bei einer richtigen Vertheilung der Staatslaſten auf die Verbeſſerung ſeines wirthſchaftlichen Zuſtandes verwenden könnte und wofür ihm keineswegs, wie ebenfalls entgegengeſtellt worden, ein genügender Erſatz dadurch gewährt werden kann, daß ſich der Preis der Arbeit u. ſ. w. einigermaßen den Preiſen der nothwendigſten Lebensbedürfniſſe entſprechend regulirt, durch das jetzige Steuerſyſtem entzogen wird.

Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich 1863, S. 107. (deutschestextarchiv.de)

Es iſt nicht zu beſchreiben, wie der kleine Mann, der um jeden Preis Arbeit ſucht, da von gewiſſenloſen Händlern betrügeriſch übertheuert, durch abſichtlichen Lotterkredit in Abhängigkeit gebracht wird. Da wirken die Kreditvereine, die Rohſtoffgenoſſenſchaften Wunder.

Schmoller, Gustav von: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Statistische und nationalökonomische Untersuchungen. Halle (Saale) 1870, S. 206. (deutschestextarchiv.de)

[…]Die Fäulniß eines ſolchen Staatslebens begann bereits den rechtſchaffenen Gradſinn des Volkscharakters zu zerſtören. Ein Menſchenalter voll namenloſer Leiden hatte den bürgerlichen Muth gebrochen, den kleinen Mann gewöhnt vor dem Mächtigen zu kriechen. Unſere freimüthige Sprache lernte in allerunterthänigſter Ergebenheit zu erſterben und bildete ſich jenen überreichen Wortſchatz von verſchnörkelten knechtiſchen Redensarten, den ſie noch heute nicht gänzlich abgeſchüttelt hat.

Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Erster Theil: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig 1879, S. 19. (deutschestextarchiv.de)

Die Schlacht an der Katzbach war der erſte wahrhaft fruchtbare Sieg dieſes Feldzugs. Sie […]befreite Schleſien, ſie hob die Zuverſicht im Heere der Verbündeten und brachte dem Werke Scharnhorſts eine glänzende Rechtfertigung, da die neue Landwehr ſich den beſten Linientruppen ebenbürtig zeigte; ſie erweckte was jedem nationalen Kriege unentbehrlich iſt, die Freude an einem volksthümlichen Helden, zu dem der kleine Mann bewundernd aufſchauen konnte. Der Name Blüchers war in Aller Munde.

Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Erster Theil: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig 1879, S. 473. (deutschestextarchiv.de)

Kopelke (klopft sich mit der Cigarre auf dem Daumen herum):

[…]Ja, wissen Se! Offen jestanden! Abber det kann ick den Mann eejentlich janich verdenken! Denn. Se könn’n sagen, wat Se wollen — ick bin man sozusagen ’n janz eenfacher Mann, verstehn Se! […]Abber det kann ’k Ihn’n sagen: mit det Kind is’t retour jejangen! Schon wenn se een’n immer so anseht, verstehn Se! — wahhaft’jen Jott, abber so wat kann eenen durch un durch jehn!

[…]

Kopelke:

[…]Ja! Wenn eener immer ville Jeld hat, wissen Se, denn mag’t ja wol noch jehn! Ja! Det liebe Jeld! … Nehm’n Se mir mal zun Beispiel! Ick wah ooch nich uf’n Kopp jefallen als Junge! Ick wah immer der Erste in de Schule! Wat meen’n Se woll?! .. Abber de Umstände, wissen Se! de Umstände! Et half nischt! Vater liess mir Schuster weer’n! … Freilich, mit die Schusterei is det nu ooch nischt mehr heitzudage! […]Die ollen Fabriken, wissen Se! Die ollen Fabriken rujeniren den kleenen Mann! … Sehn Se! So bin ick eejentlich, wat man so ’ne verfehlte Existenz nennt!

Holz, Arno/Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Drama in drei Aufzügen. Berlin 1890, S. 19. (deutschestextarchiv.de)

Wer ſich einmal den „Letzten Comödianten,“ „Chriſtian Lammfell,“ „Ein Schneider,“ um nur wenige ſeiner Werke zu nennen, anſehen möchte, der würde mit Staunen bemerken, welch’ ein ſtarker Vorläuſer des heute herrſchenden Realismus in Carl von Holtei zu finden iſt. Sind dieſe Werke [Karl von Holteis] auch ſtellenweiſe von einer gewiſſen Rührſeligkeit […], die aber zum Theil im ſchleſiſchen Volkscharacter wurzelt, nicht ganz freizuſprechen, ſo ſpricht ſich in ihnen doch eine ſtarke Vorliebe zur Schilderung echter Wahrheit aus, ganz beſonders wiſſen ſie Ton, Empfindungs- und Denkart des kleinen Mannes vortreſſlich wiederzuſpiegeln.

Mährisches Tagblatt, Nr. 18, 24. 1. 1898, S. [1]. (deutschestextarchiv.de)

Die kleinen Leute müssen dran glauben, wie so häufig.

Kerr, Alfred: Neuer Luxus, alte Not. In: Ders.: Mein Berlin, 2002 [28. 10. 1900], S. 84. [DWDS]

Wenn daher das Institut auf der einen Seite die Not des kleinen Mannes erleichterte, so trug es auf der andern doch immer wieder dazu bei, ihn zur Unzufriedenheit zu reizen, seine Begehrlichkeit aufzustacheln.

Pöhlmann, Robert von: Geschichte der sozialen Frage und des Sozialismus in der antiken Welt – Zweites Buch. In: Geschichte des Altertums, Berlin 2001 [zuerst 1901], S. 14000. [DWDS]

Und es war ein gar vornehmes Publikum gewesen: Bischöfe und Minister, Generäle und Aristokraten, Damen aus hohen und höchsten Kreisen, und daneben, in vielen Exemplaren, auch »der kleine Mann«, dem stets geholfen werden soll.

Suttner, Bertha von: Martha’s Kinder. In: Deutsche Literatur von Frauen. Berlin 2001 [1902], S. 69806. [DWDS]

Der Vorsitzende hält dem Angeklagten vor, daß Niemand , namentlich nicht der kleine Mann in der Provinz, sich ein Bild davon machen könne, was die Kur eigentlich koste.

Berliner Tageblatt (Abend-Ausgabe), 2. 2. 1903, S. 4. [DWDS]

So viel scheint festzustehen, daß die Psyche des kleinen Mannes und besonders der kleinen Hausfrau, sowie des Dienstmädchens sich der Sparmarke oder dem Bon zuneigen.

Kropeit, Richard: Die Reklame-Schule, Berlin-Schöneberg: Kropeit 1907 [zuerst 1906], S. 556. [DWDS]

Frankreich ist im Begriff, wenn auch in weitem Abstande, dem Beispiele Englands zu folgen, wo die – gegenwärtig mit 2½ v. H. verzinsten – Konsols längst aufgehört haben, ein Wertpapier des kleinen Mannes zu sein […], und sich nur noch in großen Beträgen im Spind größter Kapitalisten, Banken, Stiftungen, Mündelgeldverwaltungen und ähnlicher physischer und juristischer Personen anhäufen.

Vossische Zeitung (Abend-Ausgabe), 1. 3. 1907, S. 9. [DWDS]

Lange Zeit iſt es Uebung der Heiligenbiographen geweſen, den Gegenſtand ihrer Betrachtung in jener abſtrakten und unkörperlichen Form darzuſtellen […], die ihn wie eine Wolke umgab, hinter der die Verehrung ihn ſo hoch ſtellen konnte als ſie wollte, aus der aber der Leſer wenig Gewinn für ſein praktiſches Chriſtentum ziehen konnte, da ſie ihm kaum eine Handhabe zur Nachahmung bot. Dieſer Methode, die ſich bis in unſere Tage verfolgen läßt, wagte ſich ſelbſt Voltaire nicht zu entziehen, denn der hl. Ludwig von Frankreich z. B. erhielt auch unter ſeinen Händen die ſüßliche, unperſönliche Schablonenhaftigkeit gewiſſer Heiligenbilder. Das iſt’s aber nicht was dem Volke not tut. Der kleine Mann, der von einem andern Mann aus dem Volke lieſt, wie er […]— allen Gewalten zum Trotz — durch Klippen und Hemmniſſe den Weg zur Heiligkeit gefunden, wird an einer ſolchen Erſcheinung nicht vorübergehen können.

Reichspost, Nr. 106, 18. 4. 1910, S. 2. (deutschestextarchiv.de)

Eine gute und gut gehaltene Ziege als „Kuh des kleinen Mannes“ kann 600, 700, sogar 800 l Milch im Jahre geben, so daß fünf solcher Ziegen den Milchertrag einer guten Milchkuh bringen.

Schlipf, Johann Adam: Schlipfs populäres Handbuch der Landwirtschaft, Berlin: Parey 1918, S. 513. [DWDS]

»Das weiß ich nicht«, sagte der Mann langsam, »hat man Euch gerufen, so braucht man Euch wahrscheinlich, das ist wohl eine Ausnahme, wir aber, wir kleinen Leute, halten uns an die Regel, das könnt Ihr uns nicht verdenken.« – [»]Nein, nein«, sagte K., »ich habe Euch nur zu danken, Euch und allen hier.«

Kafka, Franz: Das Schloß. In: Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka. Berlin 2000 [1922], S. 105977. [DWDS]

Wir kämpfen für Ehrlichkeit und Sauberkeit in der Politik, Schutz des kleinen Mannes vor der Ausbeutung, nicht für abstrakte Phantome, für deutsche Erziehung in der Hoffnung, daß der kommende Freiheitskampf einst ein einiges Volk vorfinden wird.

Völkischer Beobachter (Reichsausgabe), 2. 3. 1928, S. 1. [DWDS]

Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes, und Lehár ist dem kleinen Mann sein Puccini.

Tucholsky, Kurt: Lehár am Klavier. In: Ders.: Werke – Briefe – Materialien, Berlin 2000 [zuerst 1931], S. 8577. [DWDS]

Gauner sind alle und wir kleinen Leute werden ausgepowert nach Strich und Faden!"

Goote, Thor [d. i. Langsdorff, Werner von]: Die Fahne Hoch! Berlin 1933, S. 198. [DWDS]

Kleine Leute, lärmend vergnügt, Saal, Kapelle, Tanz, Schnaps.

Klemperer, Victor: [Tagebuch] 1946. In: So sitze ich denn zwischen allen Stühlen. Berlin 1999 [1946], S. 240. [DWDS]

Allerdings hat das Drehflügelflugzeug einige Eigenschaften, die es als „das Flugzeug des kleinen Mannes“ erscheinen lassen; könnten, sobald verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind.

Die Zeit, 15. 12. 1949, Nr. 50. [DWDS] (zeit.de)

Die Sparkassen hätten nämlich heute als „Banken des kleinen Mannes“ nicht mehr 22 Mrd. wie 1913, nicht mehr 19 Mrd. wie 1939 und 45 Mrd. wie 1945 auf den Sparkonten ihrer Kunden, sondern nur etwa 4 1/2 Mrd. DM.

Die Zeit, 21. 2. 1952, Nr. 08. [DWDS] (zeit.de)

Der kleine Mann auf der Straße, vor allem aber die große Gemeinde der aktiven Sportler, hat für die Entscheidungen, wie sie in Bonn getroffen wurden, kein Verständnis.

Neues Deutschland, 23. 8. 1957, S. 8. [DWDS]

Seine Entscheidungen würden auch vom „kleinen Mann auf der Straße“ zur Kenntnis genommen.

Süddeutsche Zeitung, 25. 7. 1961, S. 3. [DWDS]

Als die Bundesminister Schiller und Strauß im Jahre 1968, zur Zeit der Großen Koalition, den Bundesschatzbrief „erfanden“ und Anfang 1969 einführten, wollten sie damit sowohl zugunsten des „kleinen Mannes“ als auch der Bundesfinanzen eine Lücke zwischen dem Sparbuch und dem festverzinslichen Wertpapier schließen.

N. N. [gn.]: Bundesschatzbriefe. In: Aktuelles Lexikon 1974–2000, München [zuerst 1974], S. 583. [DWDS]

„Angeln soll in Brandenburg die Jagd des kleinen Mannes bleiben“, forderte Weichenhan.

Berliner Zeitung, 10. 11. 1994. [DWDS]

„Bitte erkennen Sie das ungeheure Technologie-Potential, das in diesem Satelliten-System des kleinen Mannes steckt.“

Berliner Zeitung, 1. 2. 1996. [DWDS]

Atombombe des kleinen Mannes nennt man C-Waffen, weil sie einfach und billig herzustellen sind.

Berliner Zeitung, 6. 11. 1997. [DWDS]

Seit einiger Zeit versucht jedoch auch der kleine Mann oder die kleine Frau sein oder ihr Glück ­ wenn auch nicht am Roulettetisch, sondern an der Börse.

Der Tagesspiegel, 16. 12. 1997. [DWDS]

Einst bezeichnete man den Hund als „Pferd des kleinen Mannes“.

Berliner Zeitung, 1. 12. 2001. [DWDS]