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Gammler Langhaariger · Politgammler

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Gammler bezeichnet seit den frühen 1960er Jahren Angehörige einer Subkultur, die sowohl hinsichtlich ihrer Werte als auch hinsichtlich ihres Aussehens bewusst von der sozialen Norm und den Werten der Elterngeneration abweichen. Das Substantiv entsteht etwa zeitgleich zur neuen Bedeutung untätig die Zeit verbringen für das Verb gammeln. Bedeutungsverwandt mit Gammler ist Langhaariger. Ende der 1960er Jahre wird in der Presse das neue Kompositum Politgammler gebildet und auf bestimmte politische und studentische Gruppierungen der 68er-Generation übertragen. Damit bezeichnet Politgammler eine neu entstandene Protestbewegung und unterscheidet sich damit semantisch von Gammler.

Wortgeschichte

Gammler und gammeln im Hochdeutschen

Das Substantiv Gammler ist im Hochdeutschen seit der ersten Hälfte der 1960er Jahre mit der Bedeutung junger Mensch, der einer Subkultur der 1960er Jahre angehört bezeugt (1963, 1964b, 1964c). Es entsteht als Bezeichnung für eine Sozialfigur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in etwa zeitgleich zur überregionalen Verbreitung einer neuen Bedeutung für das Verb gammelnWGd, das seither untätig die Zeit verbringen, sich herumtreiben, äußere Formen und allgemeingültiges Normverhalten ablehnen bedeuten kann. Überwiegend ist Gammler wohl eine abwertende Fremdbezeichnung (1963, 1966f), auch wenn einzelne Belege darauf hinweisen, dass das Wort zumindest zeitweise auch als Selbstbezeichnung verwendet worden ist (1964a). Mit Gammler verbinden sich zudem Vorstellungen eines ungepflegten Äußeren mit langen Haaren (1964b, 1966e), einer Ablehnung von geregelter Arbeit bzw. der Leistungs- und Konsumgesellschaft (1966a, 1966b, 1966c) sowie einer Ablehnung von Werten der als autoritär empfundenen Elterngeneration (1966d). Der Gammler steht damit wie andere subkulturelle Sozialfiguren auch zugleich für die Abweichung von der sozialen Norm (1966b). Besonders in frühen Belegen begegnet zudem auffallend oft ein Paris-Bezug (1964d, 1964e, 1966e). Von Gammler wird in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre das Substantiv Gammlertum, Lebensform, Lebenseinstellung der Gammler, abgeleitet (1967b, 1968a; vgl. Duden online unter Gammlertum).

Bis 1967 begegnet Gammler in Belegen in der Regel alleine, ab 1967/1968 mehren sich jedoch solche Bezeugungen, in denen der Gammler in einer Reihe mit anderen Sozialfiguren der 1960er Jahre (1967e, 1968e), insbesondere zusammen mit dem HippieWGd (1970b, 1970c, 1970d), genannt wird. Letzteres mag darin begründet liegen, dass Hippie und Gammler hinsichtlich der mit den Sozialfiguren verbundenen Vorstellungen wie etwa der eines bestimmten äußeren Erscheinungsbildes (lange Haare) und der der Ablehnung von Leistungs- und Konsumgesellschaft deutliche Überschneidungen haben; gleichwohl sind die Ausdrücke, nicht synonym: HippietumWGd bezeichnet eine wenige Jahre nach dem Gammlertum einsetzende Subkultur (1967d), die sich sachhistorisch allerdings wohl auch aus dem Gammlertum heraus entwickelt.

Das Wort Gammler begegnet vorwiegend in der männlichen Form, die weibliche Form Gammlerin mit der Bedeutung weiblicher Gammler (1966h, 1970f) ist sehr viel seltener bezeugt (vgl. die Wortverlaufskurven des Google NGram Viewers). Zunächst weitgehend gleichbedeutend, begegnet Gammlerin gegenwärtig auch in semantisch unspezifischerer Weise (2014). Zu vermerken ist in diesem Zusammenhang, dass Gammler nach dem deutlichen Verwendungsrückgang in den 1970er Jahren seither eine weitgehend konstante Bezeugungsfrequenz hat, wohingegen für Gammlerin seit den 2000er Jahren ein neuerlicher Anstieg der Verwendungsfrequenz zu beobachten ist (vgl. die Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).

Zu den Wortbildungen zu Gammler gehören nicht zuletzt zahlreiche Komposita wie beispielsweise Gammlertreff (1970e), Gammlerleben (1965b) oder Gammlerdasein (1967c).

Sachgeschichte – Diskursgeschichte – Sprachgeschichte

Die DWDS-Wortverlaufskurve zeigt den Anstieg und anschließenden Rückgang der Verwendung von Gammler in den 1960er und 1970er Jahren.

Abb. 1: DWDS-Wortverlaufskurve zu Gammler

DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)

In einem gewissen Ungleichgewicht stehen wohl die sachhistorische Reichweite der Subkultur und der Diskurs über die Gammler: Mehr als 5000 bis 7000 Gammler, die vorwiegend in den Großstädten anzutreffen waren, hat es in Deutschland vermutlich nicht gegeben (vgl. Farin 2010). Demgegenüber steht ein breiter medialer Diskurs – der Spiegel widmet dem Gammler 1966 gar eine Titelgeschichte (vgl. Der Spiegel 39/1966) – und auch im politischen Diskurs hat der Gammler im gleichen Jahr Wellen geschlagen (1966f, 1966g). Die breite mediale Berichterstattung in den 1960er und beginnenden 1970er Jahren spiegelt sich in der Wortverlaufskurve für Gammler wider, die nach einem Höhepunkt zu dieser Zeit einen deutlichen Rückgang der Bezeugungsfrequenz ab den 1970er Jahren zeigt (vgl. Abb. 1 sowie die Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).

Politgammler

Vermutlich vornehmlich ein Diskursereignis ist die Berichterstattung über sogenannte Politgammler, innerhalb derer das Wort gebildet wird (1967a, 1970a). In erster Linie sind das die Bild-Zeitung und die ebenfalls zum Springer-Verlag gehörende B.Z. (vgl. daneben auch den Hinweis auf die Praxis der Bild-Zeitung, Studenten als Politgammler zu titulieren, in Glotz/Langenbucher 1969, 37).1) Das neu gebildete Kompositum Politgammler wird in dieser Presse auf bestimmte politische und studentische Gruppierungen der 68er-Generation übertragen und insbesondere in Zusammenhang mit der Erwähnung von Rudi Dutschke verwendet. Damit unterscheidet sich die Semantik von Politgammler von derjenigen von Gammler, insofern Politgammler die Protagonisten der neuen, Ende der 1960er Jahre entstehenden Protestbewegungen bezeichnet – und nicht die älteren Angehörigen der subkulturellen Bewegung der Mitte der 1960er Jahre. Gegenwärtige Verwendungen von Politgammler bzw. in alternativer, gegenwärtig dominierender Schreibung Polit-Gammler begegnen in historisierendem Bezug auf die Medienkampagne Ende der 1960er Jahre (2000, 2018).

Langhaariger als bedeutungsverwandter Ausdruck zu Gammler und Hippie

Bedeutungsverwandt mit Gammler ist Langhaariger (1965a, 1968b, 2006). Mit der Bedeutung Angehöriger einer Subkultur begegnet Langhaariger seit Mitte der 1960er Jahren in deutschsprachigen Texten. Zugleich hat das Wort aber auch semantische Überschneidungen mit Hippie, zu dessen dominanten Konnotationen ebenfalls lange Haare gehören (1972). Anders als Gammler und Hippie ist Langhaariger allerdings keine Neubildung des 20. Jahrhunderts, sondern wird in der breiteren Bedeutung Mensch mit langen Haaren bereits deutlich früher verwendet (1898).

Schäkerer. Gammler im Schweizerdeutschen

Im Schweizerdeutschen ist die wortgeschichtliche Entwicklung eine andere als im Binnendeutschen. So ist das Wort hier mindestens seit dem 19. Jahrhundert bezeugt – das Idiotikon jedenfalls nimmt es Ende des 19. Jahrhunderts als Lemma auf. Auch ist die Bedeutung eine andere als im Hochdeutschen: Gammler bzw. Gammlerin ist hier zunächst eine Ableitung von gammlen das sich lustig machen, schäkerhaft einander herumbalgen, bes. vom mutwilligen Treiben zwischen beiden Geschlechtern bedeutet. Ein Gammler ist mithin eine Person, die schäkert. Etymologisch ist diese semantische Entwicklung bis auf das Mittelhochdeutsche gameln, schäkern, zurückzuführen (vgl. Idiotikon 2, 298).

Anmerkungen

1) In den Korpora des DWDS und dem Deutschen Referenzkorpus des IDS Mannheim gibt es für die 1960er und 1970er Jahre nur wenige Treffer zum Kompositum (1968c, 1968d), erst ab den 1990er Jahren steigt die geringfügig Belegzahl (1995, 2000, 2018). Das allerdings hat wohl in erster Linie damit zu tun, dass diejenigen Zeitungen, die Politgammler verwenden, nicht Teil der Korpora sind.

Literatur

Duden online Duden online. Hrsg. von der Dudenredaktion. Mannheim 2011 ff. (duden.de)

Farin 2010 Farin, Klaus: Gammler vs Provos. In: Dossier Jugendkulturen in Deutschland (25. 2. 2010). (bpb.de)

Glotz/Langenbucher 1969 Glotz, Peter/Wolfgang R. Langenbucher: Der mißachtete Leser. Zur Kritik der deutschen Presse. Köln/Berlin 1969.

Idiotikon Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Bd. 1 ff. Basel/Frauenfeld 1881 ff. (idiotikon.ch)

Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)

Belegauswahl

Sein Axiom »Es besteht ebenso wenig ein Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Befähigung für das öffentliche Leben als dass entweder bloss Langhaarige oder bloss Kahlköpfige Lederarbeiter sein könnten«, ist so treffend, dass er heute nach Jahrtausenden nicht allein von seiner überzeugenden Kraft nichts eingebüsst, sondern im Gegentheil durch die inzwischen gemachten Erfahrungen vollinhaltlich bestätigt worden ist.

Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin 1898, S. 23. (deutschestextarchiv.de)

„Die Gammler“ heißen in der Heimsprache der Erzieher die Jungen und Mädchen, die im Klubraum herumlungern, Stammpublikum sind und am liebsten Pingpong spielen.

Die Zeit, 6. 12. 1963, Nr. 49. [DWDS] (zeit.de)

Sie nennen sich selbst Gammler, leben vom Schnorren. Den Bettlern fühlen sie sich überlegen.

Die Zeit, 9. 10. 1964, Nr. 41. [DWDS] (zeit.de)

Neben ihm ein unrasierter, etwas heruntergekommener „Gammler“.

Die Zeit, 9. 10. 1964, Nr. 41. [DWDS] (zeit.de)

Aber es war schon zu spät – er war bereits „Gammler“.

Die Zeit, 9. 10. 1964, Nr. 41. [DWDS] (zeit.de)

Viele hundert „Gammler“ leben ständig in Paris, zwei Drittel davon Deutsche.

Die Zeit, 9. 10. 1964, Nr. 41. [DWDS] (zeit.de)

Das Beispiel der Petra Kellner zeigt: Viele „Gammler“ sind oft und gern in Paris.

Die Zeit, 9. 10. 1964, Nr. 41. [DWDS] (zeit.de)

Die Exzesse jugendlicher „Langhaariger“ und „Lederjacken“ gewinnen unter dem Schirm „sozialistischer“ Ordnung einen anderen – peinlichen – Stellenwert als im „verderbten“ Westen.

Die Zeit, 30. 7. 1965, Nr. 31. [DWDS] (zeit.de)

Skolimowski, der sich in mehreren Filmen Polanskis (so bei „Das Messer im Wasser“) als Drehbuch-Mitautor betätigte, schon in der Filmhochschule obstinat auf seine späteren Spielfilme hinarbeitete und die Hauptrollen seiner Filme stets selbst spielt, schildert in „Besondere Kennzeichen – keine“ den Gewissenskonflikt eines jungen Mannes, der vor der Einberufung in die Armee in ein Gammlerleben ausweicht; in „Walkover“ spinnt er die Geschichte dieses Helden fort, der, nachdem er den Wehrdienst schließlich doch absolvierte, sein Studium abbrach und sich nun als Amateurboxer und Schwarzhändler mit Uhren durchs Leben schlägt.

Die Zeit, 19. 11. 1965, Nr. 47. [DWDS] (zeit.de)

Gammler sind Leute, so könnte man vorläufig definieren, die jung sind, wenig arbeiten, viel reisen und die Geselligkeit mit anderen Menschen über alles schätzen.

Die Zeit, 25. 3. 1966, Nr. 13. [DWDS] (zeit.de)

Während der Normalbürger in mindestens zwei Welten lebt – in der Welt der Arbeit und in der Welt der Freizeit – möchten Gammler allein im Bereich der Freizeit zu Hause sein.

Die Zeit, 25. 3. 1966, Nr. 13. [DWDS] (zeit.de)

Idealtypisch zugespitzt, darf man vielleicht sagen:Die Welt der Gammler ist eine Welt ohne Statussymbole. Ich kenne einen anderen Gammler, der buchstäblich nichts sein eigen nennt.

Die Zeit, 25. 3. 1966, Nr. 13. [DWDS] (zeit.de)

Die meisten Gammler sind von zu Hause fortgelaufen, weil sie sich so viel sagen lassen mußten. Meistens bezieht sich ihre Kritik an autoritärem Verhalten auf die eigenen Eltern, manchmal auf die Schule, manchmal auf die Arbeitsstätte.

Die Zeit, 25. 3. 1966, Nr. 13. [DWDS] (zeit.de)

Das französische Innenministerium ist der Auffassung, daß unter den Pariser Seinebrücken schon genügend Chlochards kampieren, es bestehe daher kein Bedarf an ausländischen Gammlern. Die Grenzpolizei wurde angewiesen, Touristen mit langen Haaren und wenig Barschaft die Einreise zu verweigern.

Die Zeit, 15. 4. 1966, Nr. 16. [DWDS] (zeit.de)

Bundeskanzler Ludwig Erhard forderte „Maßnahmen“ gegen „Gammler“.

Die Zeit, 1. 7. 1966, Nr. 27. [DWDS] (zeit.de)

Hamburg hat einen jungen Innensenator, der sich um das liberaleImage der Hansestadt verdient zu machen sucht. Er verteidigt die Gammler gegen den Kanzler.

Die Zeit, 15. 7. 1966, Nr. 29. [DWDS] (zeit.de)

Einen Tag vorher hatten wir eine Gammlerin, die „Prinz“, getroffen. Die ist schon zwei Jahre von zu Hause weg. Wie sie heißt, weiß ich nicht. Unter Gammlern sagt man das nicht.

Der Spiegel, 19. 9. 1966, S. 78. [IDS]

[…]Was sich in der Ruine, an der Peripherie der pluralistischen Gesellschaft, zusammenfindet, repräsentiert einen bunten sozialen Querschnitt in Schockfarben. Mit wildwachsendem Bart oder Aftershave-Lotion gepflegt, im Minipullover aus „Selbach men’s shop“ oder abgewetztem indianischen Poncho, als hoffnungsvoller Wissenschaftler oder Politgammler.

Hermann, Kai: Die Revolte der Studenten. Hamburg 1967, S. 67.

James erzählt bereitwillig immer wieder die Anekdote des Chinesen und Zen-Buddhisten Liu-Ling, mit der er das nunmehr zweitausend Jahre alte Gammlertum zu untermauern trachtet.

Die Zeit, 13. 1. 1967, Nr. 02. [DWDS] (zeit.de)

Peters Tagebuch enthält sein ganzes Gammlerdasein.

Die Zeit, 13. 1. 1967, Nr. 02. [DWDS] (zeit.de)

Aber was machen die in Hannover erst, wenn statt der Gammler die „Hippies“ kommen?

Die Zeit, 25. 8. 1967, Nr. 34. [DWDS] (zeit.de)

Das „revolutionäre Potential“ istin Nürnberg klein genug – nach Blomes Schätzung rund 300 Provos, Gammler, Oberschüler, Hippies, Kriegsdienstverweigerer, Arbeiter und Linksintellektuelle.

Die Zeit, 15. 12. 1967, Nr. 50. [DWDS] (zeit.de)

Und schließlich hatte die eigentlich unpolitische Jugendbewegung der sechziger Jahre, dieses Konglomerat aus Beat, Gammlertum und Hippiekult, auch bei jugendlichen Linksintellektuellen die Freude an Protest und Provokation gewaltig wachsen lassen.

Die Zeit, 1. 3. 1968, Nr. 09. [DWDS] (zeit.de)

Was laufen auch die Langhaarigen und Bärtigen so ungewaschen herum und verkleistern die Pulsadern des Verkehrs!

Die Zeit, 22. 3. 1968, Nr. 12. [DWDS] (zeit.de)

Ein Bündel von Zitaten belegt die wiederholte Aufforderung an die Berliner, die Justiz in die eigenen Hände zu nehmen – zuletzt am 7. Februar in „Bild“: „Man darf auch nicht die ganze Dreckarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen.“ Dazu der greuliche Jargon: „Krawalltüten“, „Politgammler“, „immatrikulierter Mob“.

Die Zeit, 19. 4. 1968, S. 1. [IDS]

Polit-Gammler“ und „FU-Chinesen“ („Bild“).

Der Spiegel, 22. 4. 1968, S. 25. [IDS]

Er zeichnet nicht nur die Gammler, Provos, die studentische Opposition, Beat-Fans und Hippies, sondern stellt auch die unterschiedlichen Deutungsversuche als ein kritisches Instrumentarium zur Verfügung, denn die Realität richtet sichja bekanntlich wenig nach der Theorie.

Die Zeit, 29. 11. 1968, Nr. 48. [DWDS] (zeit.de)

Die jüngsten Wandlungen des antikommunistischen Bewußtseins: das teilweise Ersetzen des Außen- durch den Innenfeind, der Sowjets durch die APO, sozialistische Studenten, Hippies etc., zusammengedacht im Agressionsobjekt „Politgammler“, lassen dessen herrschaftsstabilisierende Funktion klar hervortreten: Disziplinierung der Opposition, Einschränkung der auf soziale Emanzipation gerichteten Tendenzen, konzertierte Aktion aller Gesellschaftsgruppen zugunsten von Leistungssteigerung und Machtentfaltung im Interesse der Herrschenden.

Thielen, Hans-Helmut: Der Verfall der Inneren Führung in der Bundeswehr. Frankfurt a. M. 1970, S. 25.

Von der Auswanderung und der praktischen Entwicklungshilfe in der Dritten Welt spannt sich der Bogen der Möglichkeiten über Hunderte von Berufen bis zur freiwilligen Absage an die Gesellschaft als Gammler oder Hippie.

Die Zeit, 6. 2. 1970, Nr. 06. [DWDS] (zeit.de)

Seit blumenbekränzte Hippies und langmähnige Gammler, mitunter auch Schüler und Jünger des CVJM zur Wunderdroge greifen, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Gesundheitsapostel vor den drohenden Rauschgefahren wortgewaltig warnen.

Die Zeit, 6. 3. 1970, Nr. 10. [DWDS] (zeit.de)

Die Sehnsucht nach Disziplin und Ordnung, die Empörung über das „Parasitentum der Hippies und Gammler“ bewegte die Gäste.

Die Zeit, 29. 5. 1970, Nr. 22. [DWDS] (zeit.de)

Doch nicht Gartenlaube oder Gammlertreff bleiben als Resümee.

Die Zeit, 13. 11. 1970, Nr. 46. [DWDS] (zeit.de)

Sie bekommt zu spüren, daß eine Gammlerin ihr in vielem überlegen ist, und gewinnt dadurch kritischen Abstand zu sich selbst.

Die Zeit, 13. 11. 1970, Nr. 46. [DWDS] (zeit.de)

Langhaarige werden nicht aus ästhetischen oder hygienischen Gründen ausgewiesen, sondern weil sie wie Hippies aussehen.

Die Zeit, 22. 9. 1972, Nr. 38. [DWDS] (zeit.de)

Und die Springer-Presse gibt sie schon mal in ihren Schlagzeilen: „Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt –“ „Polit-Gammler Dutschke dreht an einem dollen Ding –“ „Unruhestifter unter Studenten ausmerzen – Jetzt wird“ „aufgeräumt.“

Der Spiegel, 3. 7. 1995, S. 70. [IDS]

Nie habe sie den Egomanen an ihrer Seite in Frage gestellt, nie öffentlich widersprochen, wenn er gegen die Ostpolitik der SPD hetzte oder über die alten Kampfzeiten schwadronierte, als Bild gegen linke „Polit-Gammler“ und „langbehaarte Affen“ schoss und ein Bild-Leser auf Rudi Dutschke.

Süddeutsche Zeitung, 3. 11. 2000, S. 13. [IDS]

Langhaarige, bekanntlich Gammler, wurden kriminalisiert, relegiert, zwangsfrisiert.

Die Zeit, 12. 1. 2006, Nr. 03. [DWDS] (zeit.de)

Eine Frau, die in der Öffentlichkeit ihr Baby gestillt hatte, war dabei von einem Passanten fotografiert und später im Internet als „Tramp“ (etwa: „Gammlerin“) bezeichnet worden.

Mannheimer Morgen, 17. 3. 2014, S. 13. [IDS]

Springers „BZ“ hatte Dutschke „Polit-Gammler“ genannt.

Der Spiegel (online), 09. 4. 2018. [IDS]