Wortgeschichte
Etymologie und sprachliche Vorläufer
Pauperisierung geht wie PauperismusWGd auch auf das lateinische pauper, arm
, zurück. Letzteres gelangt über das Englische in den deutschen Sprachraum: Um 1800 wird im Englischen das Substantiv pauperism Existenz einer extrem armen Bevölkerungsschicht
mit dem Suffix -ism abgeleitet (vgl. 3OED unter pauperism, n.). In den 1830er Jahren wird Pauperismus ins Deutsche entlehnt (1830) und bezeichnet seither vornehmlich diejenige Art der Massenverarmung und -verelendung, wie sie in der Nachfolge der tiefgreifenden gesellschaftlichen und ökonomischen Umbauprozesse um 1800 für die vor- und frühindustrielle Phase in Europa charakteristisch war (1846). Pauperisierung ist schließlich als weitere Suffixbildung zum lateinischen pauper erst 20 Jahre später als Pauperismus und wohl zuerst bei Marx bezeugt (1867).
Damit ist das Substantiv Pauperisierung im Übrigen zugleich älter als das Verb pauperisieren, das man eigentlich als Ableitungsgrundlage erwarten würde: Letzteres begegnet im Deutschen erst ab den 1880er Jahren (1888, 1890). Seither bedeutet es jemandes extreme Verarmung und Abhängigkeit von Wohltätigkeit bewirken oder in Kauf nehmen
(vgl. auch DWDS unter pauperisierenDWDS, 1938, 1962, 1994). Insgesamt ist pauperisieren im Vergleich zu Pauperisierung deutlich seltener belegt (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).
Bedeutungsentwicklung
Wie die anderen zum semantischen Feld gehörenden Wörter, so insbesondere das Adjektiv pauperWGd, das Substantiv PauperWGd und das Substantiv PauperismusWGd, ist auch Pauperisierung zunächst auf jene neue Form der Massenarmut, wie sie in Deutschland vor allem in den 1830er und 1840er Jahren entsteht, bezogen. Während Pauperismus dabei den gesellschaftlichen Zustand der Massenverarmung bezeichnet (1842b, 1842a) und bis heute vorwiegend wenn auch nicht ausschließlich in historischer Perspektive auf jenes Phänomen der Massenverarmung zu Zeiten der Vor- und Frühindustrialisierung beschränkt bleibt (1964, 1991), betont Pauperisierung mit dem Suffix –ierung das Prozesshafte der Massenverarmung (1867, 1891). Das Wort trägt mithin zunächst zentral die Bedeutung Prozess der zunehmenden Verarmung breiter Bevölkerungsteile zu Zeiten der Vor- und Frühindustrialisierung
.
Abb. 1: DWDS-Wortverlaufskurve zu Pauperisierung
DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)
Im weiteren Verlauf erfährt Pauperisierung eine Bedeutungserweiterung: Gegenwärtig wird es überwiegend auf aktuelle, auch außereuropäische (1997, 2000), sozioökonomische Entwicklungen bezogen (1995, 2003, 2013). Damit verliert das Wort den zentralen Bezug zur Massenarmut der Vor- und Frühindustrialisierung und bedeutet nun Prozess der zunehmenden Verarmung breiter Bevölkerungsteile
im Allgemeinen. Die ältere Bedeutung Prozess der zunehmenden Verarmung breiter Bevölkerungsteile zu Zeiten der Vor- und Frühindustrialisierung im Speziellen
bleibt freilich daneben bestehen (2008). Im Zusammenhang mit der semantischen Entwicklung ist nicht uninteressant, dass Pauperisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen leichten Anstieg in der Bezeugungsfrequenz aufweist (vgl. neben Abb. 1 auch die Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers).
Literatur
DWDS DWDS. Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute. (dwds.de)
3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu Pauperisierung, pauperisieren.