Wortgeschichte
Naturschutzbewegung, Umweltbewegung, Klimabewegung. Drei Komposita mit ähnlichem semantischem Spektrum
Mit Naturschutzbewegung, Umweltbewegung und Klimabewegung sind heute im Deutschen drei Komposita zum Grundwort BewegungWGd bezeugt, die in je verschiedenen historischen Zeiträumen gebildet werden. So ist Naturschutzbewegung ein Wort des beginnenden 20. Jahrhunderts (1909), Umweltbewegung entsteht um das Jahr 1980 (1980), Klimabewegung ist schließlich seit der Wende zum 21. Jahrhundert belegt (2001). Diese Wörter haben, insofern sie alle drei letztlich auf den Schutz der natürlichen Umgebung des Menschen abzielen, deutliche semantische Überschneidungen – nicht umsonst treten Natur- und Umweltschutz gegenwartssprachlich auch zusammen auf (2002). Zugleich lassen sie sich hinsichtlich zentraler Implikationen, die sich auch und gerade aus der Semantik des Bestimmungswortes und seiner Transformation in der diachronen Perspektive ergeben, voneinander abgrenzen.
Naturschutzbewegung: Vom Schutz der Schönheit zum Erhalt des Naturhaushalts
Naturschutzbewegung ist das älteste der drei Komposita. Seine semantische Kontur wird maßgeblich vom Bestimmungswort NaturschutzWGd mitgeprägt, das nur wenig früher bezeugt und mutmaßlich auf den Berliner Musikprofessor Ernst Rudorff zurückzuführen ist (1897a). Entstanden um 1900 im Umfeld der sich zu dieser Zeit ausbildenden Natur- und Heimatschutzbewegung, bezieht sich Naturschutz in der Frühzeit wesentlich auf Naturdenkmäler, die hier zunächst noch weniger in Hinblick auf ihre ökologische Bedeutung als vielmehr aufgrund ihrer nationalen Semantisierung wertgeschätzt werden (1897b). Entsprechend bedeutet Naturschutzbewegung zunächst soziale Bestrebung einer Vielzahl von Personen ohne feste Organisation, die auf den Erhalt der Schönheit von Naturdenkmälern abzielt
(1909).
In den 1920er Jahren wird Naturschutz zu einem Rechtsbegriff (1926), während der NS-Zeit wird das Wort Naturschutz in das Weltbild des Nationalsozialismus eingebunden (1935). Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts werden unter Naturschutz schließlich alle staatlich festgelegten und überwachten Maßnahmen zur Erhaltung von Eigenart und Schönheit der heimatlichen Natur
verstanden (2017; vgl. im Detail auch den Artikel NaturschutzWGd). Entsprechend ändert sich auch die semantische Kontur von Naturschutzbewegung, dessen frühe, insbesondere auch auf den Erhalt von Naturdenkmälern abzielende Bedeutung (1915) sukzessive in soziale Bewegung, die auf den Erhalt von Biodiversität, Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts sowie Vielfalt und Schönheit der Natur
übergeht (2017). Zugleich ist anhand dieser Bestimmung auch erkennbar, dass die ältere, auf die Schönheit der Natur(denkmäler) abzielende Bedeutung in der heutigen Bestimmung weiter präsent ist.
Umwelt statt Natur: Die Entstehung des Wortes Umweltbewegung
Um 1980 begegnet dann mit Umweltschutzbewegung (1974), das wenige Jahre später zu Umweltbewegung verkürzt wird (1980), ein neues Wort, das die soziale Bestrebung einer Vielzahl von Personen ohne sehr feste Organisation bezeichnet, die sich für den Erhalt der natürlichen Umgebung des Menschen und anderer Lebewesen einsetzt. Semantisch ist Umweltbewegung damit auf den ersten Blick Naturschutzbewegung recht nah. Ähnlich wie Naturschutz und Naturschutzbewegung zielen UmweltschutzWGd und Umweltschutzbewegung auf den Naturhaushalt; allerdings entfällt hier die ältere Bedeutungsebene, die auf die Naturschönheit abzielt. Zugleich rücken bei Umweltschutz und Umweltbewegung nun der Mensch sowie andere Lebewesen ins Zentrum des Wort- wie Sachverständnisses (vgl. zur Abgrenzung von Natur und Umwelt auch den Artikel UmweltWGd).
Voraussetzung hierfür ist die semantische Erweiterung des Bestimmungswortes Umwelt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.1): Zu dieser Zeit entsteht das Abstraktum die Umwelt (1962), das sich auf die natürliche Umgebung sowohl des Menschen als auch anderer Lebewesen
bezieht. Neu hinzu kommt die Implikation, dass die Umwelt potentiell gefährdet ist und daher ein schützenswertes Gut darstellt – erst mit dieser neuen Implikation bildet sich auch das Abstraktum die Umwelt aus (vgl. zur Entstehung des abstrakten Substantivs die Umwelt im Detail den entsprechenden Abschnitt in der Wortgeschichte zu UmweltWGd, das der Bildung von Umweltschutzbewegung bzw. Umweltbewegung als Bestimmungswort zugrunde liegt. Entsprechend trägt Umweltbewegung – anders als Naturschutzbewegung – ebenfalls zentral die Implikation der Gefährdung der Natur als menschlicher Lebensgrundlage.
Seit seiner Bildung ist die Bezeugungsfrequenz des Wortes im Übrigen signifikant gestiegen und löst hinsichtlich der Verwendungsfrequenz das ältere Naturschutzbewegung deutlich ab (vgl. die entsprechenden Wortverlaufskurven des DWDS [Abb. 1 ] und des Google NGram Viewers).
Klimabewegung oder: Vom Umwelt- zum Klimaschutz
Seit Ende des 20. Jahrhunderts lässt sich eine neuerliche sach- wie sprachgeschichtliche Entwicklung beobachten, die mit der dargelegten semantischen Erweiterung bzw. Ergänzung der Naturschutz- durch die Umweltbewegung vergleichbar ist: Die Entstehung einer als Klimaschutzbewegung (1999) bzw. dann gekürzt Klimabewegung (2013) bezeichneten Bestrebung. Auch hier setzt die semantische Entwicklung mit der Entstehung des Wortes Klimaschutz Gesamtheit der Maßnahmen zur Vermeidung unerwünschter Klimaänderungen
ein (vgl. Duden online unter Klimaschutz; 1989). Vereinzelte ältere Bezeugungen, die wohl eher den Status von Spontanbildungen haben, weisen die Bedeutung Schutz vor dem Wetter
auf (1900). Klimaschutzbewegung ist in der Bedeutung soziale Bewegung mit dem Ziel, Klimaänderungen und ihre Folgen zu verhindern
ab Ende des 20. Jahrhunderts nachweisbar (1999), die bedeutungsgleiche Kürzung zu Klimabewegung ab Beginn des 21. Jahrhunderts (2001; Klimabewegung kann sich daneben auch auf Veränderungen des Klimas beziehen, vgl. 2012).
Seither hat sich Klimabewegung – das legt die DWDS Verlaufskurve nahe – vergleichbar dem Wort Umweltbewegung in den 1980er Jahren stark verbreitet. Und so wie die Neubildung Umweltbewegung gleichermaßen in der Tradition von Naturschutzbewegung wie zugleich mit ihrer semantischen Verschiebung von Natur hin zu Umwelt für ein verändertes Anliegen der sozialen Bewegung stand, so steht die Bildung von Klimabewegung ihrerseits sprach- wie sachhistorisch gleichermaßen in der Tradition der Naturschutz- und Umweltbewegung(en) wie sie zugleich für eine Verschiebung ihres Anliegens – Vermeidung unerwünschter Klimaänderungen und deren Folgen – steht.
Die Wortverlaufskurven des Google NGram Viewers enden im Jahr 2008, die des DWDS im Jahr 2018 – beide beziehen mithin jene Wortverwendungen des Jahres 2019, sprich desjenigen Jahres, in dem die Fridays for Future-Bewegung globale Ausmaße angenommen hat, nicht mit ein. Man könnte annehmen, dass im Kontext des Diskursereignisses Fridays for Future nicht nur die Bezeugungsfrequenz stark angestiegen ist, sondern auch, dass das Wort Klimabewegung gegenwärtig und in naher Zukunft einem dynamischen semantischen Wandel unterliegen wird. Das aber bleibt im Moment der Abfassung des vorliegenden Beitrags im Januar 2020 abzuwarten und weiter zu beobachten.
Anmerkungen
1) Vgl. zu Umwelt auch Hermanns 1991, Haß 1987 sowie HWPh 11, 99–105.
Literatur
Duden online Duden online. Hrsg. von der Dudenredaktion. Mannheim 2011 ff. (duden.de)
Haß 1987 Haß, Ulrike: Etymologie oder Begriffsgeschichte? Zum Beispiel: Umwelt. In: Sprachreport 3/4 (1987), S. 7–10.
Hermanns 1991 Hermanns, Fritz: „Umwelt“: Zur historischen Semantik eines deontischen Wortes. In: Dietrich Busse (Hrsg.): Diachrone Semantik und Pragmatik. Untersuchungen zur Erklärung und Beschreibung des Sprachwandels. Tübingen 1991, S. 235–257.
HWPh Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. von Joachim Ritter, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel. Völlig neubearb. Ausg. des „Wörterbuchs der philosophischen Begriffe“ von Rudolf Eisler. Bd. 1–13. Basel 1971–2007.
Belegauswahl
Die Grenzboten 52/2 (1897), S. 459. (suub.uni-bremen.de)Wenn sich diese Vereine nur entschließen wollten, den ganzen unleidlichen sports- und professionsmäßigen Apparat des „Touristentums“ samt seinem unglückseligen Namen über Bord zu werfen und sich einzig und allein auf Bestrebungen des Natur-, Denkmals- und Volkstumsschutzes zu beschränken, die ihnen segenreiche Arbeit in Hülle und Fülle geben würden!
Die Grenzboten 56/2 (1897), S. 406. (suub.uni-bremen.de)Der oben erwähnte Erlaß, der sächsischen Provinzialkommission nennt die Denkmäler ein teures Erbe, an dem sich das Verständnis für die Geschichte unsers Volks bilden, an dem sich die Heimats- und Vaterlandliebe kräftigen kann und soll, und denkt dabei natürlich zunächst an Denkmäler von Menschenhand. Aber diese Worte gelten in gleichem Maße für die Gestaltungen der landschaftlichen Natur, die mit Kunstdenkmälern vereint erst die gesamte überlieferte Physiognomie des Vaterlandes bestimmen.
Schweizer Alpen-Club (Hrsg.): Jahrbuch des Schweizer Alpen-Clubs. 35. Jg. Bern, 1900 (= Digitale Ausgabe des Instituts für Computerlinguistik der Universität Zürich 2018 [zuerst 1900]). (deutschestextarchiv.de)Nun läßt sich aber das kalte Engadinerhaus ohne die mit Holz gefütterte Wohnstube als bewohnbar fast nicht denken, und dieser Klimaschutz erscheint in dem holzreichen Hochthal so natürlich und gegeben, daß er wohl nicht als ethnisches Merkmal angesprochen werden darf.
Floericke, Kurt: Umschau über die Naturschutzbewegung. In: Kosmos. Handweiser für Naturfreunde 4 (1909), S. 97–103.Deshalb trachtet die moderne Naturschutzbewegung, alle Geschöpfe nach Möglichkeit zu erhalten, ganz besonders aber diejenigen, die durch unsere Kultur schon dem Aussterben nahe gebracht worden sind, gleichviel, ob sie dieser Kultur nützlich oder schädlich sind.
Magnus, Karl: Die Vegetationsverhältnisse des Pflanzenschonbezirks bei Berchtesgaden. In: Berichte der Bayerischen Botanischen Gesellschaft zur Erforschung der heimischen Flora 15 (1915), S. 299–585, hier S. 305. (zobodat.at)Besonders wichtig ist der Stand der Naturschutzbewegung in den verschiedenen Bundesstaaten des Deutschen Reiches, weil hier die ersten Gesetze zum Schutze der Naturdenkmäler erlassen worden sind und der Naturschutz staatlich geregelt wurde.
Feld- und Forstpolizeigesetz in der Fassung vom 21. Januar 1926 mit Ausführungsanweisungen. In: Das Feld- und Forstpolizeigesetz in der Neufassung vom 21. 1. 1926: das Forstdiebstahlgesetz und die übrigen Preußischen Gesetze zum Schutz von Feld und Forst mit den ministerialen Ausführungsanweisungen. Zusammengestellt und erläutert von Gustav Wagemann Ministerialrat im Preuß. Justizministerium unter Mitwirkung von Oberforstmeister Kranold. Berlin 1926, S. 5–124, hier S. 48.- Naturschutz – (1) Die zuständigen Minister und die nachgeordneten Polizeibehörden können Anordnungen zum Schutze von Tierarten, von Pflanzen und von Naturschutzgebieten sowie zur Vernichtung schädlicher Tiere und Pflanzen erlassen, und zwar auch für den Meeresstrand und das Küstenmeer.
Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935. In: Reichsgesetzblatt, S. 821–826, hier S. 821. (onb.ac.at)Heute wie einst ist die Natur in Wald und Feld des deutschen Volkes Sehnsucht, Freude und Erholung. Die heimatliche Landschaft ist gegen frühere Zeiten grundlegend verändert, ihr Pflanzenkleid durch intensive Land- und Forstwirtschaft, einseitige Flurbereinigung und Nadelholzkultur vielfach ein anderes geworden. […] Der um die Jahrhundertwende entstandenen ‚Naturdenkmalpflege‘ konnten nur Teilerfolge beschieden sein, weil wesentliche politische und weltanschauliche Voraussetzungen fehlten; erst die Umgestaltung des deutschen Menschen schuf die Vorbedingungen für wirksamen Naturschutz. Die deutsche Reichsregierung sieht es als ihre Pflicht an, auch dem ärmsten Volksgenossen seinen Anteil an deutscher Naturschönheit zu sichern.
Die Zeit, 6. 7. 1962, Nr. 27. [DWDS] (zeit.de)Früher, so sagen sie, hat die Industrie gedankenlos die Luft verschmutzt und keinerlei Rücksicht auf die Umwelt genommen; die Atomindustrie dagegen ist sich ihrer Sorgfaltspflicht zum Schutz der Volksgesundheit von vornherein bewußt.
Die Zeit, 18. 10. 1974, Nr. 43. [DWDS] (zeit.de)Erst während der Umweltschutzbewegung zu Beginn dieses Jahrzehnts wurde die saubere Energiequelle wieder aus der Schublade gezogen – um sogleich von den Kostenrechnungen ölsüchtiger Energieplaner zerfetzt zu werden.
Die Zeit, 10. 10. 1980, Nr. 42. [DWDS] (zeit.de)Carsons Klassiker war der Startschuß zur modernen Umweltbewegung – aber auch zu einer bis heute anhaltenden Flut von Umweltbüchern.
Archiv der Gegenwart (2001) [zuerst 1989], S. 33739. [DWDS]So rief der Staatschef von Bangladesch, Hossain Mohammad ERSHAD, die Blockfreien dazu auf, eine internationale Konvention zum Klimaschutz auszuarbeiten. Tunesiens Staatschef Zine el Abidine BENALI regte die Einberufung einer internationalen Konferenz zu Umwelt- und Entwicklungsproblemen an.
Berliner Zeitung, 11. 12. 1999. [DWDS]Länder wie Deutschland könnten sich an die Spitze der Klimaschutzbewegung stellen, wenn erkannt würde, dass die eigentliche grüne Formel für die zukünftige nachhaltige Energieversorgung lautet: regenerative Energiequellen und sparsamer Energieeinsatz und Kernenergie alles ohne CO2-Emissionen.
taz, 21. 7. 2001, S. 5. [IDS]Nach der Einschätzung von anderen Umweltschützern gehört er zu den „zehn großen Köpfen der internationalen Klimabewegung“.
Die Zeit, 11. 4. 2002, Nr. 16. [DWDS] (zeit.de)Alle drei wurden mehr oder weniger über die Natur- und Umweltschutzbewegung politisiert.
Die Zeit, 1. 3. 2012, Nr. 10. [DWDS] (zeit.de)Die gängigen IPCC-Klimamodelle, darunter auch das kürzlich vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie vorgestellte, sind nicht in der Lage, die vorindustrielle sonnensynchrone Klimabewegung der letzten 10.000 Jahre zu reproduzieren.
Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434) geändert worden ist. (gesetze-im-internet.de)§23
(1) Naturschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen erforderlich ist
1. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,
2. aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder
3. wegen ihrer Seltenheit, besonderer Eigenart oder hervorragenden Schönheit.
(2) Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Soweit es der Schutzzweck erlaubt, können Naturschutzgebiete der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.