Vorschauansicht

Öko

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Ende der 1970er Jahre begegnet mit Öko in deutschsprachigen Texten eine neue Bezeichnung für eine Sozialfigur des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Das Wort, das auf Ökologie und ökologisch zurückzuführen ist, bezeichnet seither Anhänger der Partei Die Grünen bzw. Anhänger der Ökologiebewegung. Mit Öko verbinden sich eine ganze Reihe an Konnotationen, die von Kleidungs-, Ernährungs- und Konsum- bis hin zu Verhaltensstilen reichen. Ab den 2000er Jahren wird Öko zunehmend historisch verwendet.

Wortgeschichte

ÖkologieökologischÖkos. Herkunft

Seit Ende der 1970er Jahre begegnet mit Öko bzw. dem Plural Ökos eine neue Bezeichnung für eine Sozialfigur des 20. Jahrhunderts (1977). Als Bezeichnung für Anhänger der Ökologiebewegung ist Öko damit ein verhältnismäßig junges Wort. Seine wortgeschichtlichen Wurzeln reichen jedoch weit zurück: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird ÖkologieWGd aus dem griechischen οĩkos (οἶκος), Haus, Behausung, Wohnung, Heimat, und dem Suffix -logie gebildet (1838). 1866 führt Ernst Haeckel das Wort in die Biologie ein (1866); seither bedeutet es Wissenschaft von den Beziehungen der Lebewesen zu ihrer Außen- bzw. Umwelt. Von hierher wird Ende des 19. Jahrhunderts das Adjektiv ökologischWGd abgeleitet, das seitdem die Bedeutung die Ökologie als Wissenschaft von den Beziehungen von Lebewesen zu ihrer Außen- bzw. Umwelt betreffend hat (1897).

Im Kontext der Umweltdebatten der 1960er und insbesondere 1970er Jahre erhalten dann sowohl Ökologie als auch ökologisch eine neue Bedeutung; Ökologie bezeichnet nun auch Untersuchung der bzw. Sorge um die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt, ökologisch begegnet in entsprechender Bedeutung sowie zusätzlich mit der Bedeutung umweltverträglich, nachhaltig, zukunftsfähig. Von dieser Bedeutung kommend bildet sich schließlich in der zweiten Hälfte der 70er Jahre das Präfix Öko- aus, das anzeigt, dass jemand oder etwas in irgendeiner Weise mit Ökologie, mit bewusster Beschäftigung mit der Umwelt, mit Umweltproblemen in Beziehung gesetzt wird (vgl. Duden online unter öko-, Öko-). Vermutlich nicht zufällig in etwa zeitgleich wird schließlich Öko bzw. Ökos auf die Anhänger der Ökologiebewegung übertragen (1977, 1980a, 1987a), vielleicht vor dem Hintergrund der Verknappung von ökologische Bewegung (1970) zu Öko-Bewegung (1978), das im Übrigen häufig in inhaltlichem Zusammenhang mit der Friedensbewegung begegnet (1977, 1984).

Zwischen Politik und Lebensstil

In frühen Belegen hat Öko starke politische Implikationen und bezeichnet zunächst vorwiegend Anhänger der noch mehr oder weniger organisierten, unter anderem aus der Ökologie- und Friedensbewegung hervorgehenden Partei Die Grünen (1980b, 1980c). Ab Mitte der 1980er Jahre wird das Wort auch in einem weiteren Sinne auf Anhänger der Ökologiebewegung im Allgemeinen übertragen, oft als spöttisch-abwertende Fremdbezeichnung (1985b, 1986, 1988a). Zudem wird es zu dieser Zeit in einem Zuge mit anderen subkulturellen Gruppen und Sozialfiguren genannt (1987a, 1988b, 1993a) und nun auch synonym für MüslisWGd verwendet (1987b, 1993b), was ebenfalls für ein nun deutlich breiteres Bedeutungsspektrum spricht. Auch weiterhin begegnet Öko aber als Synonym für Die Grünen (1995). Überwiegend wird das Wort im Übrigen in der Pluralform verwendet, die Singularform ist aber auch bezeugt (1985a, 2010d).

Mit Öko bzw. Ökos verbinden sich dann eine Reihe weiterer Konnotationen, die von einem bestimmten Konsumverhalten (2005b), das sich im Bild des Ökoladens symbolisch verdichtet (1986), über äußere Merkmale wie Selbstgestrickte[s] (2001a, 2003), Sandale[n] oder Latschen (2005a, 2010a) bis hin zur Assoziation mit bestimmten Ernährungsformen reichen, etwa einer Vorliebe für Vollkornprodukte und vegetarische Kost (1998b, 2004, 2010b), die sich im Bild des Müslis verdichten (1998a) – daher auch die Bezeichnung MüslisWGd sowie dezidiert abwertend MüslifresserWGd oder KörnerfresserWGd (2010b). Auch Öko bzw. Ökos ist mindestens in Teilen eine negativ konnotierte Fremdzuschreibung (1985b, 1986).

Ab den 2000er Jahren wird Ökos zunehmend historisch verwendet und bezeichnet nun eine Sozialfigur des ausgehenden 20. Jahrhunderts (2000, 2001b, 2001c, 2006). Daneben kann das Wort aber auch weiterhin auf Vertreter der Umweltbewegung bezogen werden (2015). Zudem begegnen nun auch die neuen Ökos (2008) oder die Ökos 2.0 (2010c).

Literatur

Duden online Duden online. Hrsg. von der Dudenredaktion. Mannheim 2011 ff. (duden.de)

Belegauswahl

III. Oecologie, die Lehre von der Anlage von Wohnungen, natürlich ebenfalls in Rücksicht auf Hygieine [sic].

Vetter: Hygieine. In: Busch, D. W. H. et al. (Hrsg.): Encyclopädisches Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften. 17. Band Homoplata – Iliacus musculus, Berlin 1838, S. 392–419, hier S. 415. (bsb-muenchen.de)

Unter Oecologie verstehen wir die gesammte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Aussenwelt, wohin wir im weiteren Sinne alle „Existenz-Bedingungen“ rechnen können.

Haeckel, Ernst: Generelle Morphologie der Organismen. Allgemeine Grundzüge der organischen Formen-Wissenschaft. Mechanisch begründet durch die von Charles Darwin reformirte Descendenz-Theorie. Zweiter Band: Allgemeine Entwicklungsgeschichte der Organismen. Berlin 1866, S. 286. (books.google.de)

Über diese und andere, besonders anatomische Anpassungsverhältnisse siehe Warming, Lehrbuch der ökologischen Pflanzengeographie.

Schweizer Alpen-Club (Hrsg.): Jahrbuch des Schweizer Alpen-Clubs. 32. Jg. Bern, 1897, S. 252. (= Digitale Ausgabe des Instituts für Computerlinguistik der Universität Zürich 2018 [zuerst 1897]). (deutschestextarchiv.de)

Eine ökologische Bewegung hat die Universitäten und die Colleges erfaßt, die sich für diese Sache mit dem gleichen Enthusiasmus einsetzt wie früher für die Bürgerrechte zur Gleichstellung der Farbigen oder für den Protest gegen den Krieg in Vietnam.

Die Zeit, 17. 4. 1970, Nr. 16. [DWDS] (zeit.de)

Wenn auch die Genossen die tatsächliche Stärke der „Ökos“ oder „Grünen“ (Parteitags-Jargon) unterschiedlich einschätzen, einig sind sie sich darin, daß der SPD ein ernst zu nehmender Gegner erwachsen kann, den sie nicht als unbedeutende Splitter-Partei links liegenlassen darf.

Der Spiegel, 21. 11. 1977, S. 17. [IDS]

Denn die Frankfurter Anarcho-Clowns um den „roten Dany“ hätten mit ihrem burlesken Gastspiel bei den hessischen Grünen die Öko-Bewegung in diesem Bundesland gespalten und diskreditiert – so daß die Umweltparteien in Hessen (insgesamt 2,0 Prozent) anders als unlängst in Hamburg (4,5 Prozent) und in Niedersachsen (3,9 Prozent) zu schwach blieben, um dazu beitragen zu können, die Freidemokraten unter die Fünf-Prozent-Hürde zu drücken.

Der Spiegel, 16. 10. 1978, S. 23. [IDS]

Ein Hanfblatt zierte die Einladung, per Flugblatt wurde „die gesamte Subkultur“ auf Hamburgs Moorweide gerufen. „Freaks“, „Spontis“, „Krieger“, „Ökos“ und all die anderen Subs waren gebeten, Freunde und Musik mitzubringen, nicht zu vergessen: „Euer Dope“. Termin war Samstag, der 3. Mai, drei Uhr nachmittags. Die Polizei wußte, was zu tun war.

Der Spiegel, 30. 6. 1980, S. 92. [IDS]

Daß sich die Zustimmung und Sympathie, wie sie die Ökos in 600 Wahlveranstaltungen und an ungezählten Infoständen erfuhren, diesmal nicht auch auf dem Stimmzettel niederschlug, lag nicht nur an den Grünen selbst, sondern auch an den besonderen Bedingungen der Bundestagswahl.

Der Spiegel, 13. 10. 1980, S. 25. [IDS]

Danach übersprangen die Grünen, eine Absplitterung der im Bremer Parlament vertretenen Ökos, bei den unter 35jährigen dieses Bundeslandes locker die Fünfprozentmarke.

Der Spiegel, 13. 10. 1980, S. 25. [IDS]

Seit sich auch in der Bundeswehr immer mehr Soldaten für die Ziele der Öko- und Friedensbewegung interessieren, ist das Aus-dem-Verkehrziehen kritischer Offiziere wie bei Joachim Ludwig kein Einzelfall mehr.

Die Zeit, 23. 11. 1984, Nr. 48. [DWDS] (zeit.de)

„Mein Vater“, sagt Olaf, „ist auch ein Öko, obwohl er CDU wählt.

Die Zeit, 19. 4. 1985, Nr. 17. [DWDS] (zeit.de)

Hier bedeuten die richtigen Kleider viel, Musik fast alles, „Schrägheit“ steht hoch im Kurs, und über „die Ökos“ wird geredet wie andernorts über Arbeitsemigranten: Marcus, der von der Gruppe „Imperator Marc der Zweite“ tituliert wird, nennt die Grünen verächtlich „Späthippie-Affen“.

Die Zeit, 19. 4. 1985, Nr. 17. [DWDS] (zeit.de)

„Bloß keinen Bioladen – mit Ökos sind wir in der Schule doch total blamiert.“

Die Zeit, 5. 12. 1986, Nr. 50. [DWDS] (zeit.de)

Ihre alternative Szene ist im Vergleich zu der der Bundesrepublik eher kärglich, und auch wer Außenseiter, Schwule, Lesben, Punks, Ökos und Rocker in der DDR kennt, kann ihre Kneipen und Treffs den westdeutschen Lesern kaum nennen, ohne Gefahr zu laufen, daß sie – der Bekanntgabe in der westlichen Öffentlichkeit wegen – geschlossen werden.

Die Zeit, 27. 3. 1987, Nr. 14. [DWDS] (zeit.de)

Die „Ökos“ und „Müslis“, wie die Jugendlichen ihre Betreuer nennen, standen bei den meisten Teilnehmern anfangs nicht sehr hoch im Kurs.

Die Zeit, 2. 10. 1987, Nr. 41. [DWDS] (zeit.de)

Eine neue Gruppe im Radfahrervolk, das ja schon längst nicht mehr nur aus Ökos, Familien oder Muskelfreunden besteht.

Die Zeit, 18. 11. 1988, Nr. 47. [DWDS] (zeit.de)

In der neuen psychedelischen Hippiebewegung tauchen Punks, Gothics, Stadtindianer, die berühmt-berüchtigten alten Hippies neben Ökos und Bikers auf.

Die Zeit, 9. 12. 1988, Nr. 50. [DWDS] (zeit.de)

Neulich auf der Fahrrad-Demo waren alle, alle da: Ökos, Müslis, Alternative, Punks, Mountainbike- und Liegeradfreaks, Muttis und Vatis.

Die Zeit, 10. 9. 1993, Nr. 37. [DWDS] (zeit.de)

Der Soziologe Fritz Reusswig hat in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Politische Ökologie unser grünes Gewissen ausgeleuchtet: „Ökologisches Bewußtsein hat sich keineswegs nur im ‚angestammten‘ Milieu der Müslis und Ökos durchgesetzt. [...]"

Die Zeit, 10. 9. 1993, Nr. 37. [DWDS] (zeit.de)

Die, sagen wir, kulinarische hat es schon seit dem Einzug der Ökos ins Parlament 1983 gegeben.

Berliner Zeitung, 20. 5. 1995. [DWDS]

Anarchos hören Punkrock, Ökos essen Müsli und dann sind da noch die Hooligans: Die sind voll doof, haben Glatzen und tragen Bomberjacken.

Berliner Zeitung, 2. 4. 1998. [DWDS]

Für die Ökos unter seinen Kunden hat Tenne seit neuestem Vollkorn-Pfefferkuchen im Angebot und für Patrioten die Sachsenmakrone.

Die Zeit, 10. 12. 1998, Nr. 51. [DWDS] (zeit.de)

Früher haben die so genannten Ökos Jogurtkulturen gezüchtet, heute hält sich jede Cocktailbar ihren Schriftstellerdarsteller.

Berliner Zeitung, 2. 10. 2000. [DWDS]

Ökos im Selbstgestrickten und Punks im Selbstzerrissenen verachteten sie so, wie sie zehn Jahre später die Yuppies schon nicht mehr verachteten.

Der Tagesspiegel, 24. 2. 2001. [DWDS]

Gibt es solche „Ökos“ heute noch? „Jein“ müsste die Antwort lauten.

Der Tagesspiegel, 27. 2. 2001. [DWDS]

Sind die früheren Ökos jetzt Normalos?

Der Tagesspiegel, 8. 3. 2001. [DWDS]

Denn so, wie die strenge Haushaltspolitik eines Oswald Metzger heute bei der einstigen Umweltpartei mehrheitsfähig ist, hat umgekehrt die FDP-Riege aufgehört, in den Grünen rauschebärtige Ökospinner im Strickpulli oder regelungswütige Radikalfeministinnen zu sehen.

Der Tagesspiegel, 16. 5. 2003. [DWDS]

Leidenschaftlich zieht er über Ökos und Vegetarier her.

Der Tagesspiegel, 2. 9. 2004. [DWDS]

„Viele meiner Kunden sind keine 150-prozentigen Ökos, sondern bestellen bei uns wegen des Geschmacks, und ich habe ja auch keine Latschen an“, sagt Stolz.

Berliner Zeitung, 25. 1. 2005. [DWDS]

Der Hof hat eine Wirtschaftsgemeinschaft von Erzeugern und Verbrauchern gegründet. Jedes Mitglied zahlt pro Monat pauschal 120 Euro […]an den Hof und darf sich dafür holen, was es braucht: Milch, Fleisch, Käse, Gemüse, Getreide, Kartoffeln. Immer wenn der Hofladen geöffnet hat, so viel er möchte. Das gibt den Bauern Planungssicherheit. Es bindet die Kunden […], mehr als 80 Familien, an den Hof und stellt – ökologisch korrekt – die Einheit von Ernten und Essen wieder her. „Zu unseren Mitgliedern gehören nicht nur Ökos, sondern auch Leute, die früher bei Aldi gekauft haben.“

Die Zeit, 3. 3. 2005, Nr. 10. (zeit.de)

Ein Ding der Vergangenheit, eine Hand voll übrig gebliebener Ökos, die sich in der WG Tisch, Bett und eben den altersschwachen Polo teilen?

Die Zeit, 5. 10. 2006, Nr. 41. [DWDS] (zeit.de)

In der »Mitte der Gesellschaft« aber geraten die neuen Ökos unweigerlich in Kollision mit den alten Gewohnheiten, Interessen und Strukturen.

Die Zeit, 14. 8. 2008, Nr. 34. [DWDS] (zeit.de)

Grünes Spielzeug für »Sandalenträger und Ökos«, dachte er; ein Nischenprodukt, für das man eine Betriebsanleitung brauche, um es bewohnen zu können – ungeeignet für die Bankenstadt Frankfurt.

Die Zeit, 25. 2. 2010, Nr. 09. [DWDS] (zeit.de)

Gemüse galt damals, in den Achtzigern, als Beilage. Vegetarier waren Körnerfresser, Ökos, Spinner.

Berliner Morgenpost, 8. 8. 2010, S. 5. [IDS]

Zu den Ökos 2.0 gehört ja auch, dass sie technikaffin sind und sich über Öko-Blogs austauschen und organisieren.

Die Zeit, 22. 8. 2010 (online). [DWDS] (zeit.de)

Cool dagegen ist es, ein Öko zu sein.

Die Zeit, 26. 8. 2010, Nr. 35. [DWDS] (zeit.de)

Sind die Ökos mit ihrem Gezeter wegen der Elbvertiefung nicht schlimm genug?

Die Zeit, 2. 7. 2015, Nr. 27. [DWDS] (zeit.de)