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Lebensweise · Lebensführung

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Lebensweise löst im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts das ältere Lebensart hinsichtlich der Verwendungshäufigkeit ab. Gerade zu Beginn werden Lebensart und Lebensweise noch synonym verwendet. Neben Lebensweise tritt im 19. Jahrhundert als weiteres Wort Lebensführung. Lebensführung ist zunächst noch auf die Lebensart eines gesellschaftlichen Standes bezogen. Breitere Verwendung findet Lebensführung ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Lebensweise findet im Verlauf des 19. Jahrhunderts Eingang in naturhistorische, biologische und ökologische Diskurse. Ende des 19. Jahrhunderts führt Ferdinand Tönnies, einer der Gründerväter der deutschsprachigen Soziologie, das Wort in die Fachsprache der Gesellschaftswissenschaft ein. Lebensweise bezieht sich in dieser Verwendung auf die Art und Weise der Lebensgestaltung und des Zusammenlebens eines menschlichen Kollektivs in Abhängigkeit von dem in der historischen Perspektive variierenden Gesellschaftstypus, wie es von der Wissenschaft beobachtet wird.

Wortgeschichte

LebensweiseLebensführung. Entstehung um 1800

Lebensweise löst im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts das ältere LebensartWGd, das in der Verwendungshäufigkeit bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts deutlich rückläufig ist, ab (vgl. auch den Wortfeldartikel LebensformenWGd). Zwar ist Lebensweise als Wortkörper vereinzelt bereits seit dem 17. Jahrhundert bezeugt (1620, 1674), scheint jedoch nicht über den Status einer Spontanbildung hinauszukommen. Erst mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts erreicht Lebensweise nicht nur den Status eines eigenständigen Wortes im deutschen Wortschatz, sondern überholt im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts das bis etwa 1800 dominant verwendete Lebensart hinsichtlich der Verwendungshäufigkeit. Das Deutsche Wörterbuch bucht Lebensweise in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter anderem als gleichbedeutend mit Lebensart (1DWB 12, 457). Gerade zu Beginn werden beide Wörter wohl auch synonym verwendet. Dafür sprechen eine Reihe von Kollokationen wie sitzende Lebensart/Lebensweise (1745, 1820), vernünftige Lebensart/Lebensweise (1800, 1797b) oder auch die auffallend häufige gemeinsame Verwendung der Wörter Klima und Lebensart/Lebensweise (1794, 1785), die die Austauschbarkeit beider Wörter nahelegen.

Die Wortverlaufskurve zeigt, dass Lebensführung weniger häufig verwendet wird als Lebensweise.

Abb. 1: Wortverlaufskurve zu „Lebensweise“ und „Lebensführung“

DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)

Neben Lebensweise tritt im 19. Jahrhundert als weiteres Wort Lebensführung, das allerdings insgesamt weniger häufig verwendet wird als Lebensweise (vgl. die Wortverlaufskurve des DWDS, Abb. 1). Sowohl Lebensweise als auch Lebensführung treten um 1800 erstmals auf, beide mit DTA-Erstbeleg bei Johann Gottfried Herder (1784a, 1797a). Während Lebensweise bei Herder ebenso wie Lebensart auf eine Kulturgemeinschaft oder eine Nation bezogen sein kann – und das gerade auch in der historischen Perspektive – ist Lebensführung zunächst noch auf die Lebensart eines gesellschaftlichen Standes bezogen (1797a). Das Deutsche Wörterbuch bucht lebensführung denn auch mit eine sittliche lebensführung (1DWB 12, 440).

Breitere Verwendung findet Lebensführung erst ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Während die Verwendungshäufigkeit von Lebensweise um 1900 bereits deutlich rückläufig ist, ist diejenige von Lebensführung bis Mitte des 20. Jahrhunderts noch auf einem stabilen Niveau. Mit Blick auf eine Abgrenzung von Lebensweise und Lebensführung fällt vor allem auf, dass Lebensführung in der weiteren Bedeutungsentwicklung im 19. Jahrhundert zunehmend auf die individuelle Lebensgestaltung bezogen wird (1823, 1847, 1883); es hat mithin die Bedeutung der Art, wie jemand sein Leben gestaltet.

Typische Lebensformen von Tieren und Pflanzen. Eingang in naturhistorische und ökologische Diskurse

Das Sprechen über Formen des Lebens beschränkt sich nicht auf Formen menschlichen Lebens, sondern erstreckt sich auch auf die Behandlung typischer Lebensformen von Tieren und Pflanzen. Insofern treten auch die Wörter Lebensart, Lebensführung und Lebensweise in diesen Kontexten auf: Lebensart ist im DTA erstmals bereits 1706 im Zusammenhang mit der Tierwelt bezeugt (1706), Lebensweise verwendet schon Herder auch im Zusammenhang mit der Tierwelt (1784b). Spätestens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ist es allerdings insbesondere Lebensweise, das in naturgeschichtlichen, biologischen und ökologischen Schriften in der Bedeutung typische Lebensform von Tieren oder Pflanzen weit verbreitet ist (1851, 1864, 1866, 1872).

Beobachtung der Gesellschaft und ihrer Lebensweisen. Ferdinand Tönnies und die entstehende Soziologie

Bereits deutlich früher, nämlich Ende des 19. Jahrhunderts, führt Ferdinand Tönnies, einer der Gründerväter der deutschsprachigen Soziologie, Lebensweise in seiner Schrift Gemeinschaft und Gesellschaft in die Fachsprache der Gesellschaftswissenschaft ein. Wie der entstehenden Soziologie im Allgemein geht es auch Tönnies in diesem Grundlagenwerk um die Beobachtung und Beschreibung der (modernen) Gesellschaft. Lebensweise wird hier sechsmal verwendet, Lebensart und Lebensführung je einmal, LebensstilWGd gar nicht. Er unterscheidet in seinem Hauptwerk die der Vormoderne zugeschriebene, positiv konnotierte Gemeinschaft von der der Moderne zugeschriebenen, negativ konnotierten Gesellschaft. Gemeinschaft und Gesellschaft werden dann unterschiedliche Formen der Lebensweise zugeordnet (1887b, 1887a). Lebensweise bezieht sich in dieser Verwendung also auf die Art und Weise der Lebensgestaltung und des Zusammenlebens eines menschlichen Kollektivs in Abhängigkeit von dem in der historischen Perspektive variierenden Gesellschaftstypus. Das Wort ist bei Tönnies damit zugleich in den größeren Zusammenhang des Modernediskurses des ausgehenden 19. Jahrhunderts eingelassen.

Naturgemäße, sozialistische und nachhaltige Lebensweisen. Zu einigen Kollokationen in der Moderne

Um 1900 verwendet die Lebensreformbewegung das Wort Lebensweise intensiv: Insbesondere die Kollokation naturgemäße Lebensweise wird in bestimmten Kreisen zu einem regelrechten Schlagwort (1885, 1912). Die Wortverbindung der naturgemäßen Lebensweise ist in diesem Diskurs ex negativo auf eine vermeintlich nicht mehr naturgemäße Lebensweise in der Gegenwart bezogen. Damit aber ist die Rede von der naturgemäßen Lebensweise erstens zugleich im Kontext des Modernediskurses der Jahrhundertwende zu verorten. Zweitens verweist die Wortverbindung, die vor dem Hintergrund der Lebensreformbewegung und deren Grundprinzip der Gesellschaftsreform durch Selbstreform (Wolfgang R. Krabbe) zu lesen ist, gerade auch auf die individuellen Gestaltungsfreiräume hinsichtlich der gewählten Lebensweise. Damit aber verbinden sich mit Lebensweise hier individuelle Implikationen, die so erst im Laufe der Moderne, in der funktional ausdifferenzierten Gesellschaft entstehen können.

Neben naturgemäße Lebensweise bildet sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine weitere feste Wortverbindung aus: sozialistische Lebensweise (1956, 1983, 2000). In der Verbindung mit sozialistisch wird Lebensweise nun nicht nur allgemein an das Welt-, Gesellschafts- und Geschichtsbild des Sozialismus rückgebunden, vielmehr handelt es sich um eine Wortprägung, in der sich zugleich die staatliche Repression des DDR-Regimes, genauer sein Eingreifen in die Entscheidungsfreiheit des Individuums über seine eigene Lebensgestaltung bis in konkrete Verhaltensweisen hinein, ausdrückt (1981).

Ab ungefähr den 1980er Jahren entstehen vor dem Hintergrund von Umwelt- und Klimadiskurs die festen Wortverbindungen nachhaltige Lebensweise (1996, 2003) und nachhaltiger Lebensstil (1995). Voraussetzung hierfür ist die Bedeutungserweiterung von nachhaltigWGd im Sinne von zukunftsfähig sowie umwelt- und klimafreundlich wie sie gegen Ende des 20. Jahrhunderts im Kontext der Umweltdiskurse anzusetzen ist.

Der nurmehr ausschnitthafte Überblick über die unterschiedlichen Kollokationen verdeutlicht schließlich, dass Lebensweise sowohl Formen der Lebensführung ganzer Kollektive bezeichnen kann als auch individuell gewählte Formen der Lebensgestaltung.

Literatur

1DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1–16. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. (woerterbuchnetz.de)

Belegauswahl

[…]Und haben darumb mit wohlbedachtem Muhte/ gutem zeitlichen Rahte/ vnser vnd deß Reichs Fürsten Prälaten Grafen/ Herren/ vnnd getrewen/ vnnd auß rechtem wissen/ demselben vnserm lieben Sohne vnnd Oehemben Vladislao Königen zu Böheimb seine Regalia vnd Leben das Churfürstenthumb vnd die Chur/ daß Ertzschencken Ambt deß Heiligen Reichs mit sambt den Marggrafschafften vnd allen Fürstenthumben/ Landen/ Mannschafften/ Herrschafften/ Geistlichen vnnd Weltlichen/ Ertzen/ Bergwercken/ Gelaiten/ WildBänen/ Wändnereyen Zöllen Ehrenrechten/ Würden/ Zierden/ Hohen vnnd Nidern Gerichten Gerichtszwängen vnnd allen andern Herrlichkeiten Rechten vnnd Gerechtigkeiten/ zu der Crone zu Böhmermb gehörig zu Leben gnädigkich gereicht/ vnd verliehen/raichen vnd verl[?]yben haben/ Also: das er die nun hinfür von vnns vnd dem H. Reiche in Lebensweise inne haben/ halten/ besitzen/ nützen müssen/ vnd gebrauchen soll vnd mag in all[e]rmaßen vnd Recht als se[i]ne fordern König zu Böhermb die Inne gebabt/ besessen genutzt genossen vnnd gebraucht haben von allermänniglich vngehindert.

[Eisen, Johann Baptist]: Deductio, Das ist: Nothwendige Außführung, Bericht vnd Erzehlung, deren Vrsachen vnd Motiven, darumb Kayser Ferdinandus II. nach tödtlichen Abgang weyland Käysers Matthiae deß Regiments im Königreich Böheim, vnd desselben incorporirten Länder verlustigt […]. S.I., ca. 1620. Beylagen/ die zu der Deduction-schrifft gehörig [...] S. 53-54. (digitale-sammlungen.de)

Weil hieraus gemeiniglich eine langwierige Krankheit entstehet/ die noch andere mit sich schleppet; so mus man vor allen dingen eine guhte Lebensweise halten. Vorerst sol man eine trukne Luft wehlen: darnach trukne und zusammenziehende Speise gebrauchen/ als gebakkene Birnen/ gekochte Kwitten/ einen Salaht vom Purtzelkraude/ Kalbsgekröse mit Saftgrühn/ oder Granatsafte gekocht/ Enteneier mit Saueramfer und Leberkraude gerührt/ u.d.g.

Beverwijk, Johann von: Allgemeine Artzney/ In dreyen Theilen verfasset […]. Franckfurt am Mäyn 1674. Teil 2: Des Schatzes der Ungesundheit, S. 224.

Es iſt bereits oben N. 10. und 11. ein Hiſtoriſcher Bericht gegeben worden von der Gemßthieren Feſtigkeit/ Laͤckinen/ oder Sultzen/ Jagd/ und Lebensart/ und iſt nichts mehr uͤberig/ als die Materi von denen ſo genanten/ uñ bekanten/ Gemsballen/ oder Kuglen/ welche dem geehrten Leſer darſtellen werde/ nachdeme etwas wenigs werde gemeldet haben von einer Seuche/ welche im vergangenen Fruͤhling diſes lauffenden Jahrs ſol gar vil Glarneriſche Gemſe beſchaͤdiget/ und getoͤdet haben. Diſe Art Thiere haben/ wie auß obigem zuerſehen/ eine muͤheſelige Lebensart/ ſie ſind nirgends ſicher vor ihren aufſaͤtzeren/ auſſert im Winter/ da ihnen zwar nicht beyzukommen/ ſie aber mit dem hunger/ und Kaͤlte zuſtreiten haben.

Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Erster Theil. Zürich 1706, S. 163. (deutschestextarchiv.de)

Seine gaͤnzlich ſitzende Lebensart wendete er an, ſein Gemuͤth zu beſſern; davon ſich die Fruͤchte in ſeinen gelehrten Werken zeigen, unter denen die vornehmſten folgende ſind.

Cantemir, Dimitrie: Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg 1745, S. 851. (deutschestextarchiv.de)

Dagegen, was macht das kleine rothe Meer fuͤr Unterſcheidung! Die Abeſſinier ſind ein Arabiſcher Voͤlkerſtamm, die Aegypter ein Aſiatiſches Volk: und welch eine andre Welt von Sitten und Lebensweiſe errichtete ſich unter ihnen! An den unterſten Ecken von Aſien zeigt ſich ein gleiches. Der kleine perſiſche Meerbuſen, wie ſehr trennt er Arabien und Perſien! Der kleine malayiſche Sinus, wie ſehr unterſcheidet er die Malayen und Kambojer von einander!

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Erster Theil. Riga/Leipzig 1784, S. 44. (deutschestextarchiv.de)

Die Bildung der verſchiednen Thiergehirne ſcheint dies augenſcheinlich darzulegen und eben hieraus, verglichen mit der aͤußern Organiſation und Lebensweiſe des Thieres, wird man ſich Rechenſchaft geben koͤnnen, warum die Natur, die uͤberall auf Einen Typus ausging, ihn nicht allenthalben erreichen konnte und jetzt ſo, jetzt anders abwechſeln mußte.

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Erster Theil. Riga/Leipzig 1784, S. 199. (deutschestextarchiv.de)

Eben die rohe, geſunde Staͤrke, der Gedankenloſe Sinn, die geſchwaͤtzige Wohlluſt, die wir bei den Schwarzen des feſten Landes wahrnahmen, zeigt ſich auch bei den Negrillo’s auf den Jnſeln; nur allenthalben gemaͤß ihrem Klima und ihrer Lebensweiſe.

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Zweiter Theil. Riga/Leipzig 1785, S. 48–49. (deutschestextarchiv.de)

Ich uͤbergehe hier die Gruͤnde, die man aus dem Klima, der harten Lebensart, der aͤrmlichen Koſt und den ſtrengen Faſten des ruſſiſchen Volks hernehmen koͤnnte, um den Gebrauch dieſes Nepenthe zu vertheidigen, und appellire nur an die Menſchlichkeit meiner Leſer, um ein ſchonendes Urtheil uͤber die grellen Tinten dieſer Karakteriſtik zu erhalten.

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Zweiter Theil. Riga 1794, S. 272. (deutschestextarchiv.de)

Jeder kleine Hof ſollte ein Verſailles, jede adliche Geſellſchaft ein Cirkel Franzoͤſiſcher Ducs et Marquis, Princesses et Comtesses werden. In Erziehung, Sitten, Sprache, Lebenszweck und Lebensfuͤhrung trenneten ſich die Staͤnde. Was dieſe uͤber ein Jahrhundert fortdaurende Franzoͤſiſche Propaganda und Propagata den Deutſchen fuͤr Unheil gebohren, davon ſoll ein andrer Brief reden.

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Neunte Sammlung. Riga 1797, S. 25–26. (deutschestextarchiv.de)

Sein Weib, ſeine Kinder knüpfen ihn an die übrige Menſchheit und an das Wohl des Ganzen mit unauflöslichen Banden, ſein Herz wird durch die ſüſſen Gefühle ehelicher und kindlicher Zärtlichkeit immer genährt und erwärmt, und für jener alles tödtenden Kälte geſchüzt, die ſich ſo leicht eines iſolirt lebenden Menſchen bemächtigt, und eben dieſe ſüſsen Vaterſorgen legen ihm Pflichten auf, die ſeinen Verſtand an Ordnung, Arbeit und vernünftige Lebensweiſe gewöhnen.

Hufeland, Christoph Wilhelm von: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena 1797, S. 536–537. (deutschestextarchiv.de)

Was kann man gegen so maͤßige Menschen und eine so vernuͤnftige Lebensart einwenden?

Schlegel, August Wilhelm von/Schlegel, Friedrich von: Athenaeum. Hrsg. von August Wilhelm von Schlegel und Friedrich von Schlegel. Bd. 3 (1800), S. Athenaeum, hier 239–240. (deutschestextarchiv.de)

Erſcheint naͤmlich der Mangel der Menſtruation bey uͤbrigens wahrhaft entwickelter Pubertaͤt und regelmaͤßigem Zuſtande der Geſchlechtstheile (von welchen man ſich freilich uͤberzeugt haben muß, damit nicht etwa blos mechaniſche Hinderungen des Ausflußes (ſ. §. 154.) mit eigentlichem Mangel der Funktion verwechſelt werden) als bloße eigenthuͤmliche Varietaͤt und als Idioſynkraſie, ſo pflegt dieß auch, eben weil es dieſem Koͤrper natuͤrlich iſt, keine krankhaften Zufaͤlle zu veranlaſſen, und es muͤſſen demnach ſolche Individuen nur im Allgemeinen erinnert werden, eine zu ſtark naͤhrende Diaͤt und ſitzende Lebensweiſe zu meiden, damit nicht bey dem Mangel einer ſolchen Ausleerung Congeſtionen, Stockungen u. ſ. w. um ſo leichter ſich erzeugen.

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Erster Theil. Leipzig 1820, S. 126. (deutschestextarchiv.de)

Dagegen laͤßt ſich beym langſamen, NB. ſchmerzloſen, ein Genuß denken, der um ſo angenehmer ſeyn muß, je ſichrer man ihn auf die Rechnung einer nicht werkarmen Lebensfuͤhrung ſchreiben darf, und da im Vergleichen der Dinge eine beſondre Anmuth ſteckt, ſo moͤchte wohl kein Stand- oder Zeitpunkt geeigneter ſeyn zu einem Vergleichanſtellen, als der auf dem ſtillen Wege aus dem irdiſchen zu einem uͤberirdiſchen Leben.

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig 1823, S. 422–423. (deutschestextarchiv.de)

Gott koͤnne dies nun nicht laͤnger dulden, ſondern es muͤſſe anders werden, daher habe er durch ſie das Wunder der Wiedererweckung des Todten vollbracht, damit ſie durch Dulden und fromme Lebensfuͤhrung ein Muſter fuͤr die Menſchen werde, welche der Verſtorbene auf ihr Vorbild aufmerkſam machen, und ſomit als zweiter Luther unter ihnen mit großer Gelahrtheit auftreten ſolle.

Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale) 1847, S. 96–97. (deutschestextarchiv.de)

Die Kauwerkzeuge ſind ungemein entwickelt und äußerſt ſcharf gezähnt, in Uebereinſtimmung mit der räuberiſchen Lebensweiſe der Thiere.

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Naturgeschichte der lebenden und untergegangenen Thiere, für Lehrer, höhere Schulen und Gebildete aller Stände. Bd. 1. Frankfurt a. M. 1851, S. 591. (deutschestextarchiv.de)

Der aſiatiſche Panther und der afrikaniſche Leopard ähneln ſich in ihrer Lebensweiſe noch mehr, als hinſichtlich ihres Leibesbaues und der Zeichnung ihres Felles; wir lernen alſo ſicherlich das Leben Beider genügend kennen, wenn wir uns nur mit Einem beſchäftigen.

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Eine allgemeine Kunde des Thierreichs. Bd. 1. Hildburghausen 1864, S. 258. (deutschestextarchiv.de)

Sehr allgemein und in höchster Ausbildung treffen wir bei den Pflanzen die Individuen sechster und letzter Ordnung an, die Stöcke (Cormen), was mit der festsitzenden Lebensweise und dem Mangel willkührlicher Bewegung zusammenhängt.

Haeckel, Ernst: Generelle Morphologie der Organismen. Allgemeine Grundzüge der organischen Formen-Wissenschaft, mechanisch begründet durch die von Charles Darwin reformirte Descendenz-Theorie. Kritische Grundzüge der mechanischen Wissenschaft von den entwickelten Formen der Organismen, begründet durch die Descendenz-Theorie. Bd. 1: Allgemeine Anatomie der Organismen. Berlin 1866, S. 222. (deutschestextarchiv.de)

Die Arbeiten, welche ſich auf Thiere bezogen, hatten daher weniger eine Erweiterung der Kenntniſſe von den betreffenden Formen, als eine Zuſammenfaſſung alles deſſen zum Ziel, was über die Geſtalt, Lebensweiſe u. ſ. f. der einzelnen Thiere bereits bekannt war, häufig verbunden mit einer Ueberſicht des ſich an dieſelben knüpfenden mythiſch-poetiſchen, religiöſen und hiſtoriſchen Details und beſonders ihrer mediciniſchen Wirkungen.

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Joh. Müller und Charl. Darwin. München 1872, S. 156. (deutschestextarchiv.de)

Regeln perſönlicher Lebensführung haben zu allen Zeiten einen weiteren Zweig der Literatur gebildet; einige der ſchönſten und tiefſten Schriften aller Literatur ſind dieſem Gegenſtande gewidmet. Sollen ſie aber den Charakter der Wiſſenſchaft erlangen: ſo führt eine ſolche Beſtrebung zurück in die Selbſtbeſinnung über den Zuſammenhang zwiſchen unſerer Erkenntniß von der Wirklichkeit der Lebenseinheit und unſerem Bewußtſein von den Beziehungen der Werthe zu einander, welche unſer Wille und unſer Gefühl im Leben finden.

Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig 1883, S. 42–43. (deutschestextarchiv.de)

Es hat diese Frage in neuerer Zeit auch in weiteren Kreisen ein Interesse gewonnen durch die Bestrebungen der Vegetarianer, eines Vereins, welcher das Ziel verfolgt, zu einer naturgemässen Lebensweise zurückzukehren, und zur Erreichung

dieses Zieles vor Allem darnach trachtet, die Fleisehnahrung als etwas der Natur des Menschen Widersprechendes, seine Gesundheit Gefährdendes gänzlich aus der menschlichen Gesellschaft zu verbannen.

Bunge, Gustav von: Der Vegetarianismus. Ein Vortrag. Berlin 1885, S. [3]–4. (deutschestextarchiv.de)

Hingegen ist Familienleben die allgemeine Basis der gemeinschaftlichen Lebensweisen. Es erhält sich in seiner Ausbildung durch das Dorf- und durch das Stadtleben.

Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Abhandlung des Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen. Leipzig 1887, S. 284. (deutschestextarchiv.de)

Erst wenn die Stadt sich zur Grosstadt entwickelt, verliert sie dieselben gänzlich, die vereinzelten Personen stehen einander gegenüber und haben ihren gemeinsamen Ort nur als zufällige und gewählte Wohnstätte. Aber — wie die Stadt innerhalb der Grosstadt, was diese durch ihren Namen kundgibt — so dauern überhaupt die gemeinschaftlichen Lebensweisen, als die alleinigen realen, innerhalb der gesellschaftlichen, wenn auch verkümmernd, ja absterbend, fort.

Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Abhandlung des Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen. Leipzig 1887, S. 282–283. (deutschestextarchiv.de)

Der Wickersdorfer Jahresbericht gibt über das ganze Leben der Gemeinschaft reichhaltige Auskunft, schildert die verschiedenen Formen der Körpertätigkeit und erläutert an Tabellen die Erfolge der frischen und naturgemäßen Lebensweise der Kinder.

Dr. Krebs, Siegfried: Die Freie Schulgemeinde Wickersdorf. In: Vossische Zeitung (Morgen-Ausgabe), 5. 3. 1912, S. 2. [DWDS]

Das heißt, es wird ein Riesenprogramm der Errichtung von Speiseanstalten, Imbißhallen und Teestuben durchgeführt. Kein Industriebetrieb, kein Unternehmen, gleichviel welcher Art, kein Kolchos ohne eigene Speiseanstalt und Teestube, lautet die Parole, denn … „die Gemeinschaftsspeisung fördert den sozialistischen Umbau der Lebensweise und befreit viele Millionen Frauen von der unproduktiven Hausarbeit, um sie der produktiven Arbeit zuzuführen!“ Des weiteren wird verfügt, daß sich alle alten und neuen Speiseanstalten mit größter Beschleunigung auf den automatischen Betrieb – also auf Selbstbedienung – einzustellen haben, damit die Riesenzahl der Kellner und Kellnerinnen ebenfalls dem Produktionsprozeß zugeführt werden kann…

Die Zeit, 22. 3. 1956, Nr. 12. [DWDS]

Damit ist das humanistische Grundanliegen der Politik der Partei der Arbeiterklasse [d. i. SED, ASB] charakterisiert: alles zu tun für das Wohl der arbeitenden Menschen. Damit ist aber auch die Aufgabe gestellt, Schritt für Schritt solche Lebensbedingungen, Beziehungen und Verhaltensweisen weiter auszubilden, die den sozialistischen Typ der Lebensweise ausmachen. Denn im Grunde heißt Entfaltung der sozialistischen Lebensweise umfassende Herausbildung solcher Lebensbedingungen und Verhaltensweisen, die die werktätigen Klassen und Schichten, die Kollektive und die Persönlichkeiten befähigen, ihre Rolle als schöpferischer Gestalter des gesellschaftlichen Fortschritts immer besser zu erfüllen.

Bei allen unseren Überlegungen sollten wir stets die gegebenen objektiven Bedingungen beachten. Am Beginn der achtziger Jahre ergeben sich aus den Veränderungen der weltpolitischen und wirtschaftlichen Beziehungen neue Maßstäbe für die Erforschung der Sozialstruktur und Lebensweise.

Erstens nimmt das Verhältnis von Sozialstruktur und Lebensweise einen zentralen Platz in der internationalen Klassenauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus ein. Geht es doch letztlich darum, daß die Sozialstruktur, besonders die Klassenstruktur, Wesentliches darüber aussagt, welche Interessen, welche Klasse im Zentrum der gesellschaftlichen Entwicklung stehen, wie der materielle und kulturell-geistige Reichtum einer Gesellschaft entwickelt und verteilt ist, wie sich auf dieser Grundlage das Leben der Klassen, Schichten und sozialen Gruppen und deren Beziehungen zueinander entwickeln. In diesem Sinne vermittelt die jeweilige Sozialstruktur und Lebensweise eine treffende sozialhistorische Charakteristik einer Gesellschaft.

In unserer Epoche des weltweiten Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus ist das ausschlaggebende Kriterium, nach dem die historische Qualität und Perspektive einer Gesellschaft von immer mehr Menschen in der ganzen Welt bewertet wird, ob sie gewillt und imstande ist, Frieden und sozialen Fortschritt dauerhaft zu gewährleisten, welche Perspektive, welchen Sinn und welche Qualität des Lebens sie den arbeitenden Menschen langfristig zu bieten vermag.

Weidig, Rudi: Sozialstruktur und Lebensweise bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR. In: 3. Kongreß der marxistisch-leninistischen Soziologie. Lebensweise uns Sozialstruktur. Berlin 1981, S. 10–55, hier S. 10-11.

Nicht zuletzt fördert ein reges geistig-kulturelles Leben in den Dörfern die sozialistische Lebensweise.

Niemann, Heinz: Die gemeinsame Verantwortung für die Leistung der LPG und das Leben im Dorf. In: Neuer Weg 39 (1983), Nr. 1, S. 17. [DWDS]

„Mein persönlicher Energieverbrauch – oder: ist unser Lebensstil nachhaltig?“ - so heißt ein Vortrag der Spandauer Volkshochschule im Rahmen der Veranstaltungsreihe Ökologie und Umweltschutz, der heute um 18 Uhr in der Bertolt- Brecht-Oberschule in der Wilhelmstraße 10 beginnt.

Berliner Zeitung, 4. 5. 1995. [DWDS]

Mitte Januar noch sprach die Bonner Umweltministerin Angela Merkel aus, was viele Umweltschützer schon seit längerem fürchten: daß die Ökologie Gefahr laufe, angesichts der Standortdebatte zum nebensächlichen Thema degradiert zu werden. In der vergangenen Woche aber fand sie das große Wort, ausgerechnet die Bonner Abfallpolitik sei „Impulsgeber für eine nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise“. Ein erstaunlicher Sinneswandel.

Die Zeit, 2. 2. 1996, Nr. 06. [DWDS]

Die Analyse der Beziehung zwischen F. und Arbeit wird derzeit als eine der wichtigsten Aufgaben der marxistisch-leninistischen F.-Forschung bezeichnet. Die F.-Gestaltung soll Ausdruck der sozialistischen Lebensweise sein und daher möglichst kollektiv in den staatlich organisierten Arbeits- und Interessengemeinschaften, Zirkeln, Sport- und Touristikgruppen sowie Sparten des Kulturbundes der DDR (KB) verbracht werden ( Kulturarbeit des FDGB; Kulturstätten; Laienkunst; Sport; Tourismus).

Zimmermann, Hartmut (Hrsg.): DDR-Handbuch – F. In: Enzyklopädie der DDR. Berlin 2000 [1985], S. 2600. [DWDS]

Doch was auf den ersten Blick so nüchtern daher kommt, steht für eine Idee, die eine Hauptrolle auf der weltpolitischen Bühne des 21. Jahrhunderts spielen könnte: Eine nachhaltige Lebensweise bedeutet, dass wir heute konsequent die Verantwortung für unsere Zukunft übernehmen – ökonomisch, ökologisch und sozial. Das heißt etwa, Schadstoffbelastungen durch private Haushalte oder die Industrie zu minimieren oder Waren zu kaufen, die unter fairen Bedingungen entstanden sind.

Der Tagesspiegel, 1. 10. 2003. [DWDS]