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Gesindel Lumpengesindel

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Ist im Frühneuhochdeutschen Gesindel noch weitgehend gleichbedeutend mit Gesinde Gesamtheit der Bediensteten, so hat sich um 1700 eine semantische Differenzierung vollzogen, in deren Ergebnis das Wort auf eine negative Lesart festgelegt ist. Gesindel steht nunmehr für gesellschaftliche Randgruppen (wie Landstreicher, Bettler, Juden). Ab dem 19. Jahrhundert wird es im Zuge eines Klassenkampfs von oben auch in der Bedeutung breite Unterschicht der Gesellschaft verwendet, die der EliteWGd der Gesellschaft entgegengesetzt wird.

Wortgeschichte

Lexikalische Differenzierung: Gesinde und Gesindel

Gesindel, älter auch Gesindlein, ist eine Ableitung von GesindeWGd mit Hilfe des Suffixes -l bzw. -lein (1525, 1578, 1605). Mit diesem Suffix werden im Oberdeutschen und Teilen des Mitteldeutschen üblicherweise Verkleinerungsformen gebildet (Paul, Dt. Gr. 5, 49). Eine solche Verkleinerung muss allerdings nicht in jedem Fall eine kosende Verniedlichung der gemeinten Person bzw. des gemeinten Sachverhalts darstellen; es kann sich vielmehr mit der Vorstellung der Kleinheit auch leicht das Gefühl des Mitleids oder der Verachtung einstellen (Paul, Dt. Gr. 5, 51), weshalb Verkleinerungen durchaus nicht immer positiv zu interpretieren sind. Im Frühneuhochdeutschen sind Diminutiva auf -lein oder -l freilich allgegenwärtig, so dass es oftmals schwerfällt, ihnen einen liebevoll-verkleinernden oder auch verächtlichen Nebensinn zuzuschreiben. Grundform und verkleinerte Form scheinen deshalb oftmals als bloße Ausdruckvarianten nebeneinander zu stehen.

Daher ist auch zum Verhältnis von frühneuhochdeutsch Gesinde und GesindeWGd festzuhalten, dass sämtliche Lesarten von Gesindel auch in der Verkleinerungsform auftreten können (vgl. etwa die Belege 1578 und 1605 mit der für Gesinde geläufigen Bedeutung Dienstboten, Angestellte, s. auch frühneuhochdeutsch gesinde). Stellen Gesindel/Gesindlein noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts weitgehend inhaltsgleiche Varianten dar, hat sich spätestens um 1700 das Bild deutlich geändert. Gesindel ist nahezu vollständig auf die negative Bedeutung festgelegt, während Gesinde die angestammten neutralen Bedeutungen – hier in erster Linie Gemeinschaft der Bediensteten eines Haushalts fortführt (vgl. für Gesindel den Beleg 1704; 1670 ist bei Grimmelshausen aber noch neutral von Gesindel als Gefolgschaft die Rede). Die lexikalische Differenzierung zwischen Gesinde und Gesindel kann damit als abgeschlossen gelten.

Ein Wort für den gesellschaftlichen Rand

Die abwertende Lesart ist vom 16. bis zum 19. Jahrhundert hinweg weitgehend konstant geblieben: Gesindel wird meist auf Personengruppen bezogen, die dem Rand der Gesellschaft zugerechnet oder auch als gänzlich außerhalb der Gesellschaftsordnung stehend charakterisiert werden. Unter Gesindel werden deshalb u. a. Zigeuner, Landstreicher, Verbrecher, Juden oder auch Prostituierte gefasst (1660, 1715, 1718, 1724, 1792). In den historischen Zuschreibungen erscheint das Gesindel vor allem als moralisch verkommen und arbeitsscheu – es wird deshalb regelmäßig als unnütz, lose und liederlich bezeichnet (vgl. 1597, 1715, 1660). Geläufige Attribute sind auch fremd oder herrenlos, womit zum Ausdruck kommt, dass die gemeinten Personen außerhalb der durch Herrschaft und Ordnung positiv gekennzeichneten Gemeinschaft stehen (vgl. 1682b, 1795). Häufig erscheint das Wort auch in Verbindungen wie […] und dergleichen Gesindel nach einem Nomen oder als Abschluss einer Aufzählung gesellschaftlicher Randgruppen (1682a, 1693, 1704, 1718, 1785, 2009, vgl. auch allerhand Gesindel z. B. im Beleg 1727, 1914). Im Feld der Wörter für soziale Randgruppen funktioniert Gesindel somit auch als Oberbegriff.

Zur Stellung im Wortfeld

In dem stark ausgrenzenden Bedeutungsaspekt des Wortes kann auch ein Unterschied zu den ansonsten sehr ähnlich verwendeten Ausdrücken PöbelWGd und MobWGd gesehen werden: Während Pöbel und Mob im Wesentlichen für die verachtenswerte Unterschicht stehen, bezieht sich Gesindel auf das grundsätzlich Fremde einer Gesellschaft. Pöbel und Mob haben immerhin insoweit einen Platz in der Gesellschaft, als ihnen mit der Stadt bzw. der Vorstadt ein erkennbarer Ort zugewiesen wird. Gesindel jedoch zieht umher und ist, wie erwähnt, herrenlos und fremd (neben den Belegen 1682b, 1795 vgl. auch 1741, 1782). Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Pöbel und Mob stark über ein zeitweise zu Tage tretendes Verhalten bestimmt werden, in dem sich freilich ein fundamentales moralisches Defizit manifestiert. Gesindel wird dagegen nicht so sehr aufgrund eines bestimmten Auftreten oder Tuns, sondern eben über die viel grundlegendere und zeitlich nicht eingeschränkte Eigenschaft des Fremd- und Andersseins als solches identifiziert.

Gesindel als Bezeichnung für die Unterschicht

Im späteren 19. Jahrhundert deutet sich hier freilich eine Fokusverschiebung im Wortgebrauch an: Gesindel wird im Zuge eines Klassenkampfs von oben nunmehr auch für die Unterschicht der Gesellschaft, ja für den gesellschaftlichen Durchschnitt gebraucht, der dem Adel oder einer wie auch immer bestimmten sozialen oder geistigen EliteWGd entgegengesetzt wird (1883, 1901, 1909, mit sozialdarwinistischem Einschlag auch 1902). Ein Wort, das herkömmlicherweise für die Randgruppen einer Gesellschaft steht, wird nun dazu verwendet, größere Teile der Gesellschaft aus dieser gewissermaßen sprachlich herauszulösen und an den Rand zu drängen.

Die dem Wort inhärente Abwertung wird aber auch noch in eine andere Richtung ausgebaut. So finden sich mindestens ab dem späteren 18. Jahrhundert auch Übertragungen, die Gesindel auf sozial Höherstehende beziehen (vgl. etwa das Gesindel der Aristokraten im Beleg 1797a sowie die Belege 1834a, 1855, 1936). Indem die Privilegierten mit dem gesellschaftlichen Rand metaphorisch in eine Beziehung gesetzt werden, wird deren moralische Verkommenheit und das den Erwartungen an die eigene Klassenzugehörigkeit diametral entgegenstehende Verhalten hervorgehoben.

Schimpf- und Stigmawort

Von diesem Gebrauch ist der Weg nicht weit zur Verwendung von Gesindel als Beschimpfung (1882, 1931, 1958), die dann oft auch zur Diffamierung eines politischen Gegners eingesetzt wird (1921, 1933a, 1934). Gesindel ist damit zu einem Stigmawort in politischen Auseinandersetzungen vor allem in der Weimarer Republik geworden.

Eine Gruppe, die als Gesindel bezeichnet wird, gehört nicht dazu. Daher ist es wenig überraschend, dass das Wort auch als Instrument rassistischer Diffamierung genutzt wurde und wird. Der Grundstein dafür ist mindestens Ende des 19. Jahrhunderts gelegt. So wird Gesindel in Houston Stewart Chamberlains Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts (1899) nicht nur in verächtlichem Sinn auf antike Völker des Vorderen Orients bezogen, die den biblischen Amoritern als angeblich europäischem Volk gegenübergestellt werden. Der Aspekt der Nicht-Zugehörigkeit kann an dieser Stelle auch weitergehend interpretiert werden: Die genannten Völker sind nicht allein uneuropäisch, sondern sind fast schon unmenschlich, da im Kontext Europäer und Mensch weitgehend gleichgesetzt werden. In der Sprache des Nationalsozialismus entlädt sich das menschenverachtende und mörderische Potenzial dieses Wortgebrauchs dann vollends (1933b, 1940). Die feste Verbindung arbeitsscheues Gesindel dient hier besonders auch der Rechtfertigung von Zwangsarbeit (1941).

Das lustige Gesindel in romantischer Verklärung

Dass das Wort – wenn auch vergleichsweise selten – durchaus ins Positive gewendet werden kann, belegt die Verbindung lustiges Gesindel ausgelassen feiernde Menschenmenge (1797b, 1834b, 1859). Hier wird im Zuge einer metonymischen Übertragung der Aspekt der Freiheit, des Ungebundenseins fokussiert, der mit einem Dasein am Rande der Gesellschaft verbunden sein kann. Diese Übertragung speist sich daher teilweise auch aus dem Klischee des (vermeintlich) romantisch-ungezwungenen Zigeunerlebens.

Lumpengesindel

Seit dem frühen 17. Jahrhundert ist auch die Wortbildung Lumpengesindel bzw. Lumpengesinde bezeugt, die der abwertenden Lesart des Grundwortes weitgehend entspricht (vgl. 1609, 1689). Das Erstglied Lumpen- nimmt auf die typische Bekleidung der Bettler Bezug; damit wird also das bettelhafte, nichtswerte bezeichnet (1DWB 6, 1293). Das Element Lumpen- tritt in einer Vielzahl von abwertenden Bildungen auf, die meist auf Personen oder Personengruppen bezogen sind (z. B. Lumpenkerl, LumpenpackWGd, Lumpengeselle, s. 1DWB 6, 1296. Lumpen- ist meist nicht wörtlich zu verstehen, etwa im Sinne von in Lumpen gekleidet o. ä.; vielmehr kommt ihm eine übertragene (in diesem Fall metonymische) Bedeutung wertlos, armselig zu. Es hat damit fast den Status eines Präfixes, mit dem eine negative Einstellung gegenüber dem Inhalt des Zweitglieds ausgedrückt werden kann.

Literatur

1DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1–16. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. (woerterbuchnetz.de)

Paul, Dt. Gr. Paul, Hermann: Deutsche Grammatik. Bd. 1–5. Halle a. d. S. 1916–1920.

Belegauswahl

so haben sye vil heydnischer vnd leichtfertiger mißpraͤuch lassen jnreissen, […], dann dißem gesindlin ist nichts ergerlich.

Hubert, Straßb. lit. Ordn. 11, 5 (Straßburg). (fwb-online.de)

[…]Das bedeutets der Welt ſagt hie der heylige Geiſt vnd Eſaias/ wenn ſolche leute außm weg gereumet/ denn ſie hindern doch ſonſt beim leben vberall/ weggeraffet vnd an einen gewahrſamen ſichern orth verſchickt werden/ Denn Gott thut mit den ſeinigen/ wie ein frommer Haußuater/ wenn etwan in Krigsleufften oder ſonſt/ groſſe vnd gefehrliche durchzuͤge geſchehen ſollen/ So ſchickt er bey zeit zuuor/ Sein Weib/ Kinder/ Geſindlin/ welche in ſolchen leufften wenig nuͤtz im wege ſeind/ beſeit außm geſicht.

Dresserus, Laurentius: Leichpredigt Ob dem Christlichen Begrebniß/ des Achtbaren/ Erbarn/ Wolgelarten vnd Wolweysen Herren Magistri Joannis Starcken von Oxenfurt. Bautzen 1578, B iij v. (deutschestextarchiv.de)

Zu abstellung allerley vnrhu/ so bey naͤchtlicher weil in der Statt Wienn zugetragen/ ist alles vnnuͤtz Gesindle/ auß selbiger Statt geschafft/ vnd bey Leibs vnd hoher Straff/ alles gefecht/ raufffen/ balgen/ Mantel abziehen/ ꝛc. abgeschafft vnd verbotten worden

Dilbaum, Samuel: ANNVS CHRISTI, 1597. Historische erzöhlung/ der fürnembsten Geschichten vnd handlungen/ so in diesem 1597. Jahr/ vast in gantzem Europa, denckwürdig abgelauffen. Rorschach 1597, B iij v. (deutschestextarchiv.de)

Profoß iſt aber ſelten bey dieſem Abdancken/ viel weniger ſein Geſindtle: Sondern macht ſich den Tag oder die Nacht zuvor/ auß dem Rauch hinweg. Sintemal jnen/ vnd den Marquatanten vnd Kraͤmern/ ein boͤſer Abzug vnd ſchmale Verehrung pflegt gegeben zu werden.

Becke, Berthold von der: Soldaten-Spiegel. Frankfurt a. M. 1605, S. 210. (deutschestextarchiv.de)

[…]Jn Maͤren hat man das Vffbot ergehen lassen/ Obs aber fuͤr den Koͤnig oder fuͤr die Stendt/ ist noch vnbewust. So hat man allhie noch drey Fehnlein Knechte in die Vorstadt gelegt/ die müssen neben den andern ordinari Fehnlein die Wachten in der Stadt versehen/ vnd sein die Strassen hierumb sehr vnsicher wegen des Lumpengesindels/ so nicht lust zu dienen hat.

Schöne, Walter (Hrsg.): Aviso. Relation oder Zeitung. Wolfenbüttel 1609. (deutschestextarchiv.de)

Solte ſich aber begeben/ daß ein oder der ander benachbarte ort von ſolchem geſindel angefallen/ und herberg darinnen gemacht werden wolte/ ſo ſollen die Vnſerige/ […]ſo balden ſie deſſen entweders durch Botten/ oder oberwehnte Zeichen kundſchafft erlangen/ demſelbigen hinwiderumb ohn verzug nach moͤglichkeit beyzuſpringen/ ſich alles fleiſſes angelegen ſeyn laſſen.

Kippenheim, Heinrich Balthasar von: Wir Heinrich Balthasar von Kippenheim/ der Meyster und der Rath deß H. Reichs Freyen Statt Straßburg […]. 1660. (deutschestextarchiv.de)

[…]wie alldorten mehr Volck war/ ſonderlich Teutſche/ alſo bekame ich auch mehr Kunden und Kunden-Arbeit/ davon ſich mein Gelt-Hauffen wieder ein merckliches geſchwinder vergroͤſſerte; So/ daß ich etlichmal Wexel nach Prag und anderswohin in die Teutſche Reichs-Staͤdte uͤbermachte; bey welcher gluͤcklichen Proſperitaͤt: groſſen taͤglichen Gewinn und und genugsamen Uberfluß/ dessen ich und mein Gesindel genossen/ da sonst mancher Hunger und Mangel leiden muste/ mein Spring-ins-felt anfienge/ allerdings das Junckern Handwerck zutreiben.

Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Trutz Simplex: Oder Ausführliche und wunderseltzame Lebensbeschreibung Der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche. Nürnberg 1670, S. 195. (deutschestextarchiv.de)

[…] ſonderlich ſoll er [der Forstmeister] auch die Wildpret-Schuͤtzen/ Fiſch-Dieb/ Holtzklauber/ Pechhauer/ Holtzmiſt-Raͤcher/ Laubſtreiffer/ und dergleichen Geſindel auftreiben/ abſtellen/ ſtraffen und verjagen.

Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Anderer Theil. Nürnberg 1682, S. 570. (deutschestextarchiv.de)

Den Unterthanen anbefehlen/ daß ſie/ ohne Vorbewuſt und Erlaubniß der Obrigkeit/ kein fremd Herrenloſes Geſindlein beherbergen/ oder einigen Unterſchleiff geben ſollen.

Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Erster Theil. Nürnberg 1682, S. 105. (deutschestextarchiv.de)

[…] dazumahl hat der Göttliche Messias sattsamb an Tag geben/ daß ihme alle künfftige Begebenheiten bekannt/ vnd offenbahr seyn/ vnd nit dem Menschen/ ausser seiner Göttlichen Offenbahrungen; dahero die Wahrsager/ Planetensteller/ Zigeyner/ vnd dergleichen Lumpengesind in allweg zu verwerffen seynd.

Sancta Clara, Abraham a: Judas Der Ertz-Schelm. Der Anderte Thail. Salzburg 1689, S. 403. (deutschestextarchiv.de)

Die umblauffende Marckſchreyer/ Zahnbrecher/ Gauckler/ […]Poſſenreiſſer/ Seil- und Schwerdt-Taͤntzer/ imgleichen Taſchenſpieler/ und dergleichen unnützes Gesindel/ welches den armen/ einfältigen Leuten/ durch allerhand Teuscherey und Betrug/ das ihrige abzuzwacken pfleget/ wollen Wir fernerhin auff solchen Jahrmärckten nicht geduldet noch gelitten wissen.

Witzendorff, Georg Wilhelm von: Ihrer Königl. Majest. zu Schweden in Dero Herzogthümern Bremen und Verden abgefassete Policey- Teich- Holtz- und Jacht-Ordnung. Stade 1693, S. 30. (deutschestextarchiv.de)

Daß es [ein Medikament] aber die Landstricher/ Bader und dergleichen Gesindel also ohne Unterscheid hingeben/ ist ein schädlicher Mißbrauch/ wodurch manche schlaffen geleget werden.

Valentini, Michael Bernhard: Museum Museorum, Oder Vollständige Schau-Bühne Aller Materialien und Specereyen. Frankfurt a. M. 1704, S. 385. (deutschestextarchiv.de)

Da nun ſolche Weibs-Perſonen ihrer ſeits zu foͤrderſt auf das Geld eines jungen Menſchens/ ihr Abſehen haben/ […]mithin aber denſelben in Leib- und Seelen-Verderben ſtuͤrtzen; als werden alle reiſende Handels-Diener treulich gewarnet und ermahnet/ daß ſie […]vor allen Dingen/ durch eine wahre Furcht GOttes/ ſich gegen ſolche Reitzungen und Verfuͤhrungen waffnen/ auch mit allem Fleiß die Oerter meiden/ da ſolch loß Geſindel ſich aufhaͤlt oder vermuthet wird.

Marperger, Paul Jacob: Getreuer und Geschickter Handels-Diener. Nürnberg/Leipzig 1715, S. 262. (deutschestextarchiv.de)

Jndem bekandt, daß insgemein die Juden und ander dergleichen Geſindel das gute Geld gegen ein Aufgeld haͤuffig einwechſeln, ſolches aber hernach einſchmeltzen und aus dem Lande fuͤhren, und hingegen liederlich Geld in das Land ſchleppen, […]; Als ſolten die Landes-Fuͤrſten bey hoher Straffe verbieten, daß ſich niemand unterſtehen ſolte, dergleichen alt und gut Geld an Juden und andere fremde Leute […], die es aus dem Lande ſchleppen, zu vertauſchen.

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung Zur Staats-Klugheit. Oder: Vorstellung Wie Christliche und weise Regenten zur Beförderung ihrer eigenen und ihres Landes Glückseeligkeit Jhre Unterthanen Zu beherrschen pflegen. Leipzig 1718, S. 1004. (deutschestextarchiv.de)

Nachdem die ſo genannten Zigeuner den ehmahligen alten Raͤubern im Rauben nichts nachgeben, […]nur daß es ihnen an der Macht fehlet, ſo wird nicht unrecht ſeyn, wenn ich auch von den Zigeunern noch eines und das andere anfuͤhre […], da zumahl die Jaͤgerey meiſtentheils pflegt aufgebothen zu werden, ſie in den Waͤldern aufzuſuchen. Dieſes Geſindel giebet vor, ſie waͤren aus Klein Egypten gebuͤrtig, ſtammten von Chus her, der ein Sohn geweſen des alten Stamm-Vaters Cham, von dem alle die Egyptier und Ethiopier ihren Urſprung herleiteten.

Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Anderer Haupt-Theil. Leipzig 1724, S. 44. (deutschestextarchiv.de)

Canaille, loß Lumpen-Geſindel, ein loſer Hauffe, allerhand nichts wehrten Geſindleins, eine unzuͤchtige Metze. it. der gemeine Poͤbel.

Gladov, Friedrich: A la Mode-Sprach der Teutschen Oder Compendieuses Hand-Lexicon. Nürnberg 1727, S. 85. (deutschestextarchiv.de)

Wie vergnuͤget das in Teutſchland unter dem Nahmen der Tartarn bißweilen herumſchweiffende liederliche Geſindel ſeinen Geſchmack nicht mit einer gebratenen Katze? Und wie begierig ſind die Hurons und Jroquois in America nicht auf das Fleiſch der Menſchen, die ſie im Kriege von ihren Feinden erbeutet?

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Erster Teil. Göttingen 1741, S. 82. (deutschestextarchiv.de)

Die Nahrungshaͤuſer, die ſich arme Leute von Holz erbauten, werden von nun an unterſagt, aber die alten ſtehen gelaſſen, damit nicht dadurch aus Mangel des Unterkommens liederliches Geſindel entſtuͤnde.

Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften seit dem sechzehnten Jahrhunderte bis zu unsern Zeiten. Deutschland. Zweyter Theil, Erste Abtheilung. Leipzig 1782, S. 268. (deutschestextarchiv.de)

Die Idee von wackern Vagabunden, edeln Räubern, großmüthigen Zigeunern und sonst allerlei idealisirtem Gesindel hat ihren wahren Ursprung diesem Ruheplatze zu danken.

Goethe, Werke I, 52, 189 (Weimarer Ausgabe).

Dahin [zu den Personen, die des Landes verweisen werden können] gehoͤren gemeiniglich Spionen und andere verdaͤchtige Leute, welche die Abſicht haben, das Land auszuſpaͤhen oder Unruhen zu ſtiften, Bettler, Landſtreicher, Zigeuner und anderes herrn- und geſchaͤftsloſes Geſindel.

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Zweiter Theil. Altenburg 1792, S. 220. (deutschestextarchiv.de)

Tragen wir uns wie Polen, ſo kann man uns unterſcheiden, zwaͤngen wir uns aber wie Auslaͤnder in drey Ellen Tuch, ſo verwechſelt man uns mit Kammerdienern und Koͤchen und dergleichen fremdem Geſindel.

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers von Riga nach Warschau […]. Zweyter Theil, Viertes Heft. Berlin 1795, S. 145. (deutschestextarchiv.de)

Ich erkundigte mich ſehr genau nach der Art, wie man dieſe meiſt ſehr jungen Leute unter das Gewehr gebracht hatte, und fand, daß […]obgleich Mehrere auf den Befehl ihrer Vorgeſezten mitmußten, doch die Allermeiſten ganz freywillig zugelaufen waren. Ihrer Begierde, dem Vaterlande zu dienen, konnten die abgeſchmackten Beſchreibungen und Maͤhrchen nicht Einhalt thun, welche das Geſindel der Ariſtokraten in ganz Frankreich verbreitet hatte.

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale, von ihm selbst beschrieben. Vierten Theils erste Abtheilung, welche die Fortsetzung von dessen Begebenheiten, Erfahrungen und Bemerkungen während des Feldzugs gegen Frankreich enthält. Leipzig 1797, S. 67. (deutschestextarchiv.de)

Der Pallaſt des Erzbiſchofs iſt durch den Brand ebenfalls ſehr beſchaͤdiget, und die Kathedralkirche ſtark verwuͤſtet worden. Keine Seele bewohnte damals den erzbiſchoͤflichen Pallaſt, als luſtiges Geſindel, welches ſonſt nirgends unterkommen konnte.

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale, von ihm selbst beschrieben. Vierten Theils erste Abtheilung, welche die Fortsetzung von dessen Begebenheiten, Erfahrungen und Bemerkungen während des Feldzugs gegen Frankreich enthält. Leipzig 1797, S. 396. (deutschestextarchiv.de)

In der Münchner Hofzeitung ſoll ſtehen: wenn Deutſchland noch einen Galgen übrig hat, verdiente ich wegen meiner radikalen Niederträchtigkeit daran gehangen zu werden. Ich werde mich aber um das Hofpöbel-Geſchwätz und um das ganze monarchiſche Geſindel nicht mehr bekümmern.

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Sechster Theil. Paris 1834, S. 44. (deutschestextarchiv.de)

Ein langes duͤnnes Licht, das wie ein Peitſchenſtiel aus einem eiſernen Leuchter hervorragte, warf ungewiſſe Scheine uͤber das dunkle Gewoͤlbe eines Kellers, an deſſen Seitenwaͤnden eingeſchlafene Trinker uͤber den langen plumpen Tiſchen umherlagen. In der Mitte tanzten eifrig mehrere Paare luſtigen Geſindels.

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Novelle. Berlin 1834, S. 11. (deutschestextarchiv.de)

Die Aristokratie vor der Gracchenzeit war wahrlich nicht überreich an Talenten und die Bänke des Senats vollgedrängt von feigem und verlottertem adlichen Gesindel.

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Zweiter Band: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig 1855, S. 124. (deutschestextarchiv.de)

Da iſt freilich kein Spaß zu machen! hätt’ ich das gewußt! der arme Herr! — und denk dir aber, das paßt auch nit dazu; unten in der Schloßherberg lungern Zigeuner, ein luſtig Geſindel; die fideln und tanzen, daß ’s n’ wahrer Jux iſt.

Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München 1859, S. 79. (deutschestextarchiv.de)

Jedenfalls ſtanden wir hinter der Oudinotſchen Armee nicht zurück und hatten keinen Anſpruch darauf, von Napoleon als „ſchlechte Truppe“ und ſogar als „Geſindel“ bezeichnet zu werden. Der nächſte Tag ſollte denn auch zeigen, daß er die Rechnung ohne den Wirth gemacht und „l’Enfanterie prussienne“ ſehr unterſchätzt hatte.

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Vierter Theil: Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow. Berlin 1882, S. 294. (deutschestextarchiv.de)

Nicht mein Hass, sondern mein Ekel frass mir hungrig am Leben! Ach, des Geistes wurde ich oft müde, als ich auch das Gesindel geistreich fand!

Und den Herrschenden wandt’ ich den Rücken, als ich sah, was sie jetzt Herrschen nennen: schachern und markten um Macht — mit dem Gesindel!

[…]

Und die Nase mir haltend, gieng ich unmuthig durch alles Gestern und Heute: wahrlich, übel riecht alles Gestern und Heute nach dem schreibenden Gesindel!

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen. Chemnitz 1883, S. 23. (deutschestextarchiv.de)

[…] in jenen Amoritern scheint mir das Überschwängliche recht sehr daheim. […] Wie das Auge des Genies inmitten des gewöhnlichen Menschenhaufens, so muten uns diese Züge an unter der Menge der schlauen und schlechten und blöden und bösen Gesichter, unter diesem ganzen Gesindel von Babyloniern und Hebräern und Hethitern und Nubiern und wie sie alle heissen mögen.

Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. I. Hälfte. München 1899, S. 378. (deutschestextarchiv.de)

Die Demokratie, in der anstatt der Tüchtigen das Gesindel den Vorteil hat, ist eine durchaus verwerfliche Staatsform; aber für ihre Zwecke ist sie vortrefflich eingerichtet und durchaus konsequent, wie sie denn auch aus der Seestellung Athens mit Notwendigkeit erwachsen ist.

Meyer, Eduard: Geschichte des Altertums, Bd. IV, 2. Berlin 2001 [1901], S. 21038. [DWDS]

Heutzutage möchte man diesen Wettkampf eliminieren in einer krankhaften Sucht, alles schwächliche und minderwertige Gesindel mit durchzuschleppen, was nur zur Degenerierung der ganzen Art führen kann.

Peters, Carl: Im Goldland des Altertums, München 1902, S. 180. [DWDS]

»Gewiß behaupte ich -,« polterte der alte Herr, »laßt mal erst das Gesindel hoffähig werden – ein ‚von‘ und ein ‚Baron‘ ist heut schon eine Spielerei für den, ders Geld hat -, dann wird’s bei uns wie in England und in Frankreich: unsere Jungens reißen sich um ihre Mädels, und von dem ganzen guten preußischen Adel bleibt nichts übrig als der Name.

Braun, Lily: Memoiren einer Sozialistin. In: Mark Lehmstedt (Hrsg.): Deutsche Literatur von Frauen, Berlin 2001 [1909], S. 9577. [DWDS]

Im Polizeigewahrsam hingen sich bald etliche zünftige Gauner an ihn; er lernte ihre welsche Sprache, und nachdem er wieder in Freiheit gesetzt war, zog er mit allerhand reisendem Gesindel durch die Gaue, um sich schließlich doch wieder von ihnen zu trennen.

Christ, Lena: Mathias Bichler. In: Deutsche Literatur von Frauen, Berlin 2001 [1914], S. 13055. [DWDS]

Die ganz Strammen haben sich sogar ausgerechnet, daß Wilhelm II. in seiner Blutzusammensetzung verjudet sei, und so, in anmutiger Mischung von schnarrendem Offiziersgetön und Biergebrüll gegen die Juden, zieht ein Gesindel in den Wahlkampf, das eine Welt ins Unglück gestürzt hat.

Tucholsky, Kurt: Hepp hepp hurra! In: Werke, Briefe, Materialien, Berlin 2000 [1921], S. 2182. [DWDS]

„Das Gesindel da hinten“ – er meint das Publikum – „braucht nichts zu verstehen“.

Vossische Zeitung (Morgen-Ausgabe), 4. 3. 1931, S. 5. [DWDS]

Aber die Öffentlichkeit des Landes hat nun wenigstens die eine beruhigende Gewißheit, das Untermenschentum, das da aus den Löchern kroch und das Gesindel, das Deutschland mit der Fackel des Bürgerkrieges bedrohte, um mit den Plünderungen beginnen zu können, beißt diesesmal auf Granit.

Völkischer Beobachter (Berliner Ausgabe), 3. 3. 1933, S. 1. [DWDS]

Wenn auch der Boykott vom Sonnabend […] lediglich als Generalprobe für eine Aktion größten Ausmaßes anzusehen ist […], so haben die Juden und ihre Strohmänner wohl am Sonnabend schon den Vorgeschmack einer bitteren Lehre zu spüren bekommen, und es ist zu erwarten, daß der Auftakt unserer Boykottmaßnahmen das hetzende semitische Gesindel veranlaßt, die verantwortungslose Propaganda gegen Deutschland einzustellen.

Völkischer Beobachter (Ausgabe A / Norddeutsche Ausgabe), 2. 4. 1933, S. 1. [DWDS]

Vorbei sind die Kämpfe, die Saal- und Straßenschlachten in den „roten“ Straßen, der Kraut-, Weber-, Frucht-, Marienburger, Christburger Straße und dem Helmholtzplatz, von den Kommunisten der „Moskauer Platz“ genannt, in zäher Arbeit wurden sie in jahrelangen Kämpfen von allem Gesindel gesäubert.

Völkischer Beobachter (Berliner Ausgabe), 3. 3. 1934, S. 20. [DWDS]

Noch heute spricht er von dem »höheren Gesindel der Hauptstadt, das in dem niedrigen Gesindel die Handlanger fand«, das alles aufbot, Wagner aus München zu verdrängen »und die hochherzigen Absichten seines hohen Gönners zunichte zu machen«.

Jahresberichte für deutsche Geschichte, 1936, S. 664. [DWDS]

Die französischen und englischen Kontingente blieben diesem Treiben des verbrecherischen polnischen Gesindels gegenüber tatenlos.

Archiv der Gegenwart, 2001 [1940], S. 4429. [DWDS]

Auf dem Kasernenhof ist gerade ein Haufen Juden, arbeitsscheues Gesindel, das aufgegriffen wurde, mit Reinigungsarbeiten beschäftigt.

Hebenbrock, Walter: Mit der NSV. nach Polen. Berlin 1941, S. 29.

Halunken, Gesindel, Verbrecher sind sie alle!

Apitz, Bruno: Nackt unter Wölfen, Reinbek bei Hamburg 1961 [1958], S. 45. [DWDS]

Hier vergiften Boulevardzeitungen, die nicht zufällig früher Revolverblätter genannt wurden, das Klima und suggerieren ihren Lesern, sie wären umzingelt von fremdländischen Verbrecherbanden, gewissenlosen Drogenringen und lichtscheuem Gesindel aller Art, das es auf ihr Hab und Gut abgesehen habe.

Die Zeit, 13. 8. 2009, Nr. 34. [DWDS] (zeit.de)