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Aufsteiger

Politik & Gesellschaft · Freizeit & Sport

Kurz gefasst

Das Wort Aufsteiger als Bezeichnung für eine sozial und ökonomisch erfolgreiche Person leitet sich vom Verb aufsteigen in entsprechender Bedeutung ab. Während die einschlägige Bedeutung beim Verb mindestens seit dem 16. Jahrhundert greifbar ist, tritt das Substantiv Aufsteiger in dieser Lesart erst seit den 1970er Jahren auf. Für das Aufkommen von Aufsteiger Person, die eine höhere soziale und ökonomische Stellung erlangt kommt möglicherweise auch die seit den 1940er Jahren überlieferte Verwendung im Bereich des Sports als Modell in Betracht (Mannschaft, die eine höhere Leistungsklasse erreicht). Im Gegensatz zu den älteren Synonymen Parvenü und Emporkömmling, die meist abwertend gebraucht werden, bleibt Aufsteiger weitgehend ohne negative Bedeutungskomponente.

Wortgeschichte

Verb und Substantiv in der Überlieferung

Aufsteiger steht für eine Person, die eine höhere soziale und ökonomische Stellung erlangt. Die Personenbezeichnung ist vom Verb aufsteigen eine höhere soziale Stellung, Macht, Reichtum erlangen abgeleitet. Während die einschlägige Verbbedeutung mindestens seit dem 16. Jahrhundert bezeugt ist, tritt das Substantiv Aufsteiger in der betreffenden Lesart erst in den 1970er Jahren auf (1971b, vgl. 1984a, 2013). Es besteht somit eine markante zeitliche Distanz von mehreren Jahrhunderten zwischen dem Aufkommen des Verbs und der dazugehörigen Ableitung.

Zumal in der Frühphase seiner Bezeugung ist das Wort auch mit den vereindeutigenden Adjektiven sozial und gesellschaftlich kombiniert (1971a, 1993 oder 1998b). Um 1980 begegnet auch Aufsteigerin in entsprechender Bedeutung; das Femininum bleibt unterm Strich aber bis heute wesentlich seltener als seine maskuline Entsprechung (1980; vgl. aber auch den Beleg 1968 zur Verwendung im Sport).

Das semantische Spektrum

Im Bereich des Sports begegnet Aufsteiger in der Bedeutung Mannschaft, die eine höhere Leistungsklasse erreicht seit den späten 1940er Jahren (1948, 1949; zuerst und später noch gelegentlich mit Bezug auf einzelne Sportler statt auf Mannschaften). Diese Lesart ist somit mehr als zwanzig Jahre früher bezeugt als die Wortbedeutung Person, die eine höhere soziale und ökonomische Stellung erlangt. Für Aufsteiger kann daher angenommen werden, dass der Wortgebrauch der Sportberichterstattung die Grundlage für die Bezeichnung der Sozialfigur bildet, zumal das Wort in dieser Verwendung häufig ist. Gesellschaftlicher Erfolg wird hier somit nach dem Muster des sportlichen Erfolges modelliert (vgl. 2DWB 3, 777).

In diesem Fall wäre von einem metaphorischen Bedeutungswandel auszugehen, der von Sportler oder Mannschaft, die eine höhere Leistungsklasse erreicht zu Person, die eine höhere soziale und ökonomische Stellung erlangt geführt hat. Die oben beschriebene Ableitungsbeziehung zwischen dem etablierten Verb aufsteigen und der Personenbezeichnung Aufsteiger wird dabei jedoch mindestens auch eine motivierende Rolle gespielt haben. Aufsteiger als Bezeichnung für die Sozialfigur ist somit von zwei Seiten herleitbar.1)

Bedeutungserweiterung

Um die Jahrtausendwende tritt noch eine weitere Lesart des Wortes hinzu. Im Zuge einer Bedeutungserweiterung oder einer entsprechender Ableitung vom Verb aufsteigen kann Aufsteiger nun auch allgemein Person, Institution u. ä., die gegenüber einem früheren Stadium eine bessere Position erlangt bedeuten. Typische Bezugsgrößen sind Unternehmen oder Staaten, die gegenüber einem früheren Zustand nun in irgendeiner Weise bessergestellt sind (1998a, 1999, 2002a, 2007).

Aufsteiger und seine Synonyme

Im Gegensatz zu den älteren Synonymen EmporkömmlingWGd, ParvenüWGd oder Neureicher bringt Aufsteiger in der Regel keine negative Wertung zum Ausdruck (vgl. 1984b). In der modernen Leistungsgesellschaft gilt soziale Mobilität – sofern sie nach oben gerichtet und erfolgreich ist – nicht als Makel wie noch in der mehr oder weniger festgefügten Ständegesellschaft früherer Jahrhunderte; gesellschaftlicher Aufstieg ist vielmehr grundsätzlich erstrebenswert. Da soziale Besserstellung in der Regel durch Bildung und Arbeit erlangt wird, ist Aufsteiger vielfach sogar ausgesprochen positiv konnotiert (1971b, 2009, 2023). Mit einem gesellschaftlichen Stigma behaftet ist gegenwärtig vielmehr die Gegenfigur des Aufsteigers, der Verlierer bzw. Absteiger (vgl. 2002b, 2013, 2015).

Anmerkungen

1) Zu beachten ist, dass das Verb aufsteigen eine höhere Leistungsklasse erreichen wohl erst ab ca. 1950 und damit etwas später als entsprechendes Aufsteiger belegt ist.

Literatur

2DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Neubearbeitung. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (vormals Deutsche Akademie der Wissenschaften) und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. 1–9. Stuttgart 1983–2018. (woerterbuchnetz.de)

Belegauswahl

Zwar wahrten die Favoriten auf der ganzen Linie ihre Chancen, doch darf der ausgezeichnete Eindruck, den besonders die Aufsteiger zur 1. Klasse hinterließen, als besonderes Merkmal dieser Vorrunde […], an der Ligavertretungen nur dreimal beteiligt waren, gewertet werden.

Berliner Zeitung, 15. 6. 1948. [DWDS]

Als vierter und letzter Aufsteiger zur Stadtklasse hat nun der VfL Nord die Abteilungsmeisterschaft der 1. Klasse erreicht.

Neues Deutschland, 17. 5. 1949. [DWDS]

Zu den förderungswürdigen Aktiven […] gehören […] der Juniorenzweite Franz-Michael Humbs und die Aufsteigerin zur Damen-Meisterklasse Petra Dünzl.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. 7. 1968, S. 48.

Die „Privilegierungserwartung“ schafft typischerweise auch den Typus des „Strebers“ und „sozialen Aufsteigers“.

Schulz, Johannes: Erziehung zum Untertan. In: Hans-Jürgen Haug/Hubert Maessen (Hrsg.): Kriegsdienstverweigerer – Gegen die Militarisierung der Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1971, S. 26. [DWDS]

Sie erreichen eine übermäßige Belastung gerade der Schichten, die wir doch brauchen: der Aufsteiger, der Erfolgreichen, der Tüchtigen, der abhängigen wie der unabhängigen, der selbständigen Mittelschichten.

Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 06/154 vom 2. 12. 1971, S. 8860. [DWDS] (bundestag.de)

Den Rahmen in der angebotenen Aufeinanderfolge der Sendungen bildeten die Gestalten der kleinbürgerlichen Aufsteigerinnen Anna und Spreelore, beide Kinder des gleichen literarischen Vaters, Erdmann Graeser, der […]– 1870 in Berlin geboren – einen sicheren Blick und gestalterisches Vermögen gerade in der Darstellung dieser Schicht der Gesellschaft beweist.

Neues Deutschland, 29. 10. 1980. [DWDS]

Mehr als 60 % sowohl der jungen Arbeiter als auch der jugendlichen Aufsteiger („Yuppies“) hätten diesmal für REAGAN votiert.

Archiv der Gegenwart Bd. 54, 6. 11. 1984, S. 28208 [ff.]. Zit. n. CD-ROM-Ausgabe 2001. [DWDS]

Besonders hart werden jene Bürger vom Steuertarif betroffen, die mit ihrem Einkommen den unteren […], besonders steilen Teil der Progressionskurve hinaufwandern: jüngere Angestellte, Facharbeiter, Aufsteiger, die häufig gerade eine Familie gegründet haben und sich womöglich ein Haus bauen wollen.

Der Spiegel, 3. 12. 1984, S. 19. [DWDS]

Die desillusionierende Erfahrung realer Verhältnisse, die Einsicht in die Diskrepanz von Rolleneinkleidung und gesellschaftlicher Existenz, kann auch im offiziellen Porträt durchschlagen […]und es in die Nähe des Mätressenporträts rücken, zumal wenn es einer gesellschaftlichen Aufsteigerin gewidmet ist, die dieses Faktum kühl reflektiert.

Busch, Werner: Das sentimentalische Bild. München 1993, S. 130. [DWDS]

Die Nummer zwei unter den US-Börsen, der elektronisch handelnde Aufsteiger Nasdaq, will mit dem American Stock Exchange gemeinsame Sache machen.

Die Zeit Nr. 30, 16. 7. 1998, S. 27. [DWDS]

Welchen Fontane mögen denn die Leute am liebsten den gesellschaftlichen Aufsteiger mit demokratischen Neigungen, den Kaffeehausbesucher oder den Kritiker preußischer Großmannssucht?

Berliner Zeitung, 19. 9. 1998. [DWDS]

Waren die USA vor dem Krieg noch mit vier Milliarden Dollar im Ausland verschuldet, so kehrte sich das Verhältnis nun […]in derselben Größenordnung um; vor allem England und Frankreich hatten sich für Kriegsmaterial und Kriegsfinanzierung beim historischen Aufsteiger verschulden müssen.

Kurz, Robert: Schwarzbuch Kapitalismus. Frankfurt a. M. 1999, S. 423. [DWDS]

Siemens hat im Jahresverlauf immer stärker an Boden verloren, während der koreanische Hersteller Samsung als Aufsteiger des Jahres gilt.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 27. 1. 2002. [DWDS]

Es geht um Geld, Macht und Moral, um Leben und Tod, um Aufsteiger und Verlierer.

Der Tagesspiegel, 20. 10. 2002. [DWDS]

Mecklenburg-Vorpommern, das diesmal die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit ausrichtet, darf stolz darauf sein, dass Greifswald zum Aufsteiger des Jahres gekürt wurde.

Lammert, Norbert: Rede zum Tag der Deutschen Einheit, Schwerin 3. 10. 2007. [DWDS] (bundestag.de)

Immer noch gelangen zu wenige Aufsteiger aus den so genannten bildungsfernen Schichten – zu denen viele Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gehören – in wichtige Entscheidungspositionen der Gesellschaft.

Köhler, Horst: Ansprache beim 60. Übersee-Tag des Übersee-Clubs in Hamburg, 7. 5. 2009. [DWDS] (bundespraesident.de)

Ich hätte gerne eine SPD, die nicht nur den Verlierern, sondern auch den Aufsteigern eine Stimme gibt, die sich ihren Erfolg gegen Widerstände selbst erarbeitet haben und sich nichts schenken lassen wollen.

Die Zeit, 19. 9. 2013. [DWDS]

Aber im „Ring“ [von Richard Wagner] geht es nun mal um windige und schmierige und fiese und verschlagene Typen, um Aufsteiger und Absteiger und Trickser, die alle nur ihren Schnitt machen wollen […], und die quartieren Castorf und sein großartiger Bühnenbildner also jetzt ein im überfüllten Glücksritterhotel mit Tankstelle und Diner an der Route 66, wobei diese Route 66 ein bisschen so aussieht, als hätte sie sich ein Karl May aus Radebeul in der DDR ausgedacht.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 2. 8. 2015. [DWDS]

Sylvia Eichelberg kommt […], wie man so sagt, aus einfachen Verhältnissen. Das wurde der Chefin der Gothaer Krankenversicherung zum ersten Mal bewusst, als sie […]in ihrer Heimatstadt Münster auf dem Gymnasium Mitschülerinnen besuchte. […] Eichelberg ist eine Aufsteigerin. Ihr Weg widerlegt die These, Deutschland werde von einer Wirtschaftselite beherrscht, die sich von Generation zu Generation die lukrativen Posten zuschustert.

Frankfurter Allgemeine Zeitung (online), 25. 1. 2024. (faz.net) (Aufrufdatum: 9. 9. 2024)