Wortgeschichte
Akademische Demonstrationen. Entlehnung und frühe Bezeugungen
Das Substantiv Demonstration1) begegnet in deutschsprachigen Texten mindestens seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (1517, 1558; das 2DFWB führt unter
Demonstration einen Erstbeleg Ende des 15. Jahrhunderts an). In etwa zeitgleich begegnet auch das Verb demonstrieren erstmals im Deutschen (1524, 1547a). Beide Wörter gehen etymologisch auf das Lateinische zurück: Das Verb wird aus dem lateinischen demonstrare
deutlich bezeichnen, hin-, nachweisen, darlegen
entlehnt, das Substantiv ist auf lateinisch demonstratio zurückführen (Pfeifer unter demonstrierenDWDS). Im Frühneuhochdeutschen bedeutet demonstration zunächst Vorführung, Erweisung
, das Verb entsprechend etwas zeigen, erweisen
(vgl. die entsprechenden Buchungen in FWB-online unter demonstration und demonstrieren).
Bis ins 18. Jahrhundert hinein begegnet Demonstration vornehmlich in religiösen (1517, 1558) und wissenschaftlichen (1547b, 1610a, 1610b) Kontexten und hat hier die Bedeutungen Beweis, Beweisführung
(1676, 1682), auch Darlegung, Abhandlung
(1654), sowie insbesondere aber nicht nur in der Medizin auch Zurschaustellung, Vorführung
(1573, 1794, 1797; vgl. mit einer detaillierten Aufgliederung dieser Bedeutungslinie auch 2DFWB unter Demonstration).
Militärische Demonstrationen. Bedeutungserweiterung ab dem 18. Jahrhundert
Ab etwa Mitte des 18. Jahrhunderts erfährt Demonstration eine Bedeutungserweiterung und kann nun auch allgemeiner Bekundung einer bestimmten Absicht, Intention
bedeuten (vgl.
2DFWB unter Demonstration). Diese Bedeutungserweiterung zeigt sich zunächst im militärischen Bereich und vielleicht unter Einfluss des italienischen dimostrazione (vgl.
Pfeifer unter DemonstrationDWDS; zur militärischen Bedeutung von dimostrazione siehe auch GDLI IV, 488–489 mit Belegen in dieser Bedeutung bereits für das 14. Jahrhundert): In diesem Bereich wird das Substantiv nun auch in der Bedeutung Andeutung einer gewissen (strategischen) Absicht durch vorgenommene Heeresbewegungen
, insbesondere militärische Operation zur Täuschung des Feindes
(vgl.
2DFWB unter Demonstration verwendet (1781, 1785, 1812b). In etwa zeitgleich entsteht zudem die gegenüber älteren Verwendungen in religiösen und wissenschaftlichen Kontexten allgemeinere Bedeutung Bekundung, Kundgabe, Zurschaustellung von/gegen etwas
, die nunmehr nicht an wissenschaftliche oder religiöse Kontexte gebunden ist (1770, 1812a, 1830, 1862, 1960a, 1970).
Politische Demonstrationen. Neue semantische Entwicklungen im 19. Jahrhundert
Für die 1840er Jahre – und damit in auffallender Nähe zu den politischen Ereignissen des Jahrzehnts – sind vermehrt Verwendungen in politischen Kontexten zu beobachten (1840, 1848a, 1848b). In diesem Zusammenhang bildet sich die neue Bedeutung öffentliche (Massen-)Kundgebung
aus (1856, 1894, 1960b). Diese Entwicklung verläuft möglicherweise unter Einfluss des englischen demonstration (vgl.
Pfeifer unter DemonstrationDWDS): Im Englischen kann demonstration spätestens seit den 1830er Jahren die Bedeutung öffentlicher Aufmarsch, Versammlung
annehmen (vgl. die entsprechende Buchung mit der Bedeutung a public march or rally expressing an opinion about a political or other issue; esp. one in protest against or support of something
in 3OED unter demonstration, n.). In diesem Zusammenhang kann nun auch das Verb demonstrieren die Bedeutung an einer öffentlichen (Massen-)Kundgebung teilnehmen
bedeuten (1874, 1899, 1927; vgl. auch Pfeifer unter demonstrierenDWDS sowie 2DWB
6, 634 und 2DFWB unter Demonstration).
Insbesondere seit dem 20. Jahrhundert gibt es eine Reihe an Komposita mit Erstglied Demonstrations- in dieser Bedeutung, so etwa Demonstrationszug (1906, 1961), Demonstrationsversammlung (1919, 1964) Demonstrationsverbot (1930b, 1965) oder – als anderes Wort für DemonstrantWGd – auch Demonstrationsteilnehmer (1930a, 1982a).
Die Demo, das Demo. Kurzwörter im 20. Jahrhundert
Mit Demo im Femininum und Demo im Neutrum entstehen im 20. Jahrhundert zwei neue Wörter, die beide von Demonstration stammen, gleichwohl unterschiedliche Wortbildungsprozesse durchlaufen und unterschiedliche Bedeutungen haben. Demo im Femininum ist als Kurzwort zu Demonstration in der Bedeutung öffentliche (Massen-)Kundgebung
seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts im Deutschen belegt (1977). Komposita mit -Demo wie Frauen-Demo (1978) oder Gorleben-Demo (1980) sind in etwa zeitgleich bezeugt, so dass schwer zu entscheiden ist, ob erst das Kurzwort entsteht, das anschließend als Endglied in Komposita wirksam wird, oder ob das Kurzwort über die Komposita entsteht. Komposita mit kleingeschriebenem und ohne Bindestrich angeschlossenem -demo wie Friedensdemo (1982b), Studentendemo (1995b) oder Antikriegsdemo (1999) sind ab den 1980er Jahren belegt.
Demo im Neutrum hingegen bedeutet Gegenstand oder Medienträger, der zu Präsentationszwecken erstellt wurde
. Auch hier spielt die Semantik des Wortes Demonstration eine Rolle, allerdings verläuft die Wortbildung hier anders: Ab den 1970er Jahren ist zunächst das Kompositum Demonstrationsband (1971) bezeugt, das einen Medienträger bezeichnet, der zu Vorführzwecken erstellt wurde. Demonstration ist hier als Bestimmungswort in der Bedeutung Vorführung
wirksam. Ab Ende der 1980er Jahre ist das partielle Kurzwort Demoband (1987, 1988, 1993), ab den 1990er Jahren auch Demotape (1995a) bezeugt. Das Kurzwort Demo in der neuen Bedeutung entsteht Ende der 1980er Jahre (1989, 1994) und damit wohl als Kürzung der vorher belegten Komposita.
Anmerkungen
1) Sowohl Demonstration als auch demonstrieren können als gut erforscht gelten; vgl. nur 2DWB 6, 630–631 und 2DWB 6, 632, 2DWB 6, 634 und 2DWB 6, 634, 2DFWB unter Demonstration sowie GWB 2, 1123 und GWB 2, 1123.
Literatur
2DFWB Deutsches Fremdwörterbuch. Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler. 2. Aufl., völlig neu erarbeitet im Institut für Deutsche Sprache von Gerhard Strauß u. a. Bd. 1 ff. Berlin/New York 1995 ff. (owid.de)
2DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Neubearbeitung. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (vormals Deutsche Akademie der Wissenschaften) und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. 1–9. Stuttgart 1983–2018. (woerterbuchnetz.de)
FWB-online Frühneuhochdeutsches Wörterbuch/FWB-online. Hrsg. von Ulrich Goebel, Anja Lobenstein-Reichmann, Oskar Reichmann. 2017 ff. (fwb-online.de)
GDLI Battaglia, Salvatore: Grande dizionario della lingua italiana. Vol. 1–21. Turin 1971–2002. (gdli.it)
GWB Goethe-Wörterbuch. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften [bis Bd. 3, Lfg. 4. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin/Akademie der Wissenschaften der DDR], der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Bd. 1 ff. Stuttgart 1978 ff. (woerterbuchnetz.de)
3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)
Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)