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innere Emigration Emigrantenliteratur · Exilliteratur

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Der Ausdruck innere Emigration ist vereinzelt bereits am Ende des 19. Jahrhunderts nachweisbar, zu dieser Zeit aber wohl allgemeinsprachlich noch nicht etabliert. Nach 1945 bezeichnet der Mehrwortausdruck überwiegend die Ablehnung des NS-Regimes und den Rückzug in die Innerlichkeit anstelle einer Auswanderung. Vermehrt begegnen Verwendungen in Bezug auf Künstlerinnen und Künstler bzw. Schriftstellerinnen und Schriftsteller. In diesem Zusammenhang ist zudem Literatur der inneren Emigration nachweisbar, womit ein antonymischer Ausdruck zu Exilliteratur sowie Emigrantenliteratur vorliegt. Innere Emigration wird selten auch in der allgemeineren Lesart Abkehr von der Außenwelt, insbesondere von politischen Gegebenheiten innerhalb des eigenen Landes, und Rückzug in die Innerlichkeit verwendet.

Wortgeschichte

Innere Emigration: Frühe Bezeugungen

Die ältesten Bezeugungen der Verbindung innere Emigration sind auf das 19. Jahrhundert zu datieren. Zu dieser Zeit wird der Ausdruck in Bezug auf Bevölkerungsbewegungen innerhalb von Landesgrenzen verwendet, wobei die Gründe dieser Bewegungen sehr vielfältig sein können (1881, 1898). Auch wenn Verwendungen in diesem unspezifischen Sinne noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begegnen (1933, 1935), handelt es sich aufgrund der sporadischen Bezeugung wohl noch nicht um einen feststehenden Ausdruck (vgl. allerdings mit einer etwas anderen Einschätzung 2DFWB unter Emigrant).

Auch erste übertragene Verwendungen, in denen innere Emigration im Sinne einer geistigen Abkehr von der Außenwelt, insbesondere von politischen Gegebenheiten innerhalb des eigenen Landes, gebraucht wird, begegnen bereits in den 1920er und 1930er Jahren (1926, 1930, 1938a, 1938b). Die typografische Hervorhebung im ersten Nachweis (1926) spricht zugleich dafür, dass diese Lesart zu dieser Zeit noch nicht als etabliert gelten kann. Auch insgesamt bleiben Verwendungen in dieser Bedeutung zunächst noch selten.

Verbreitung des Mehrwortausdrucks nach 1945

Weitere Verbreitung findet innere Emigration nach Ende des Zweiten Weltkriegs: Zu dieser Zeit etabliert sich die Verbindung als Mehrwortausdruck. Insofern der Ausdruck nunmehr insbesondere in Bezug auf den Nationalsozialismus gebraucht wird (1945b, 1960a, 1987), entsteht die Lesart Abkehr vom NS-Regime und Rückzug in die Innerlichkeit anstelle einer Auswanderung (1945a, 1959; vgl. auch die entsprechende Buchung des 2DWB [7, 1250] mit dem Hinweis nach 1945 zur bezeichnung der persönlichen zurückgezogenheit von der politischen bewegung des nationalsozialismus). Innere Emigration steht damit in semantischer Abgrenzung zur realen Auswanderung, die in diesem Zusammenhang auch als äußere Emigration bezeichnet wird (1951b, 1983). Die Konstruktion des Gegensatzes einer inneren und einer (äußeren) Emigration impliziert damit letztlich, dass es sich bei der Abkehr von der Außenwelt und dem Rückzug in die Innerlichkeit bei gleichzeitigem Verbleib im Land um eine – sei es gleichwertige oder in Ermangelung einer Auswanderungsmöglichkeit erzwungene – Alternative zur Auswanderung handelt. Innere Emigration trägt jedenfalls Bedeutungsaspekte mindestens der innerlichen Ablehnung des Regimes (1991, 1998b, 2003).

Die Exildebatte 1945/46, die Wortverbindung Literatur der inneren Emigration und die Komposita Exilliteratur und Emigrantenliteratur

Dass sich der Ausdruck innere Emigration nach 1945 weiter verbreitet, ist wohl auch vor dem Hintergrund der Exildebatte der Jahre 1945/1946 zu verstehen. Hierbei handelt es sich um eine im Sommer 1945 begonnene und bis in das Jahr 1946 hineinreichende, mit großer Heftigkeit zwischen Vertretern der literarischen inneren Emigration und des Exils (3Lexikon Vergangenheitsbewätligung, 53) geführte Debatte, an der unter anderem Frank Thieß und Thomas Mann beteiligt waren (zur Kontroverse vgl. beispielsweise Hajdu 2002, Kurz 1996). Relevant für die Verbreitung des Mehrwortausdrucks innere Emigration ist dabei Thieß’ zuerst am 18. August 1945 in der Münchener Zeitung publizierter Artikel Innere Emigration (1945a). Thieß hat in diesem Zusammenhang für sich den Anspruch erhoben, den Ausdruck innere Emigration bereits 1933 in einem Brief geprägt zu haben. Die Forschung hat dies in der Nachfolge so übernommen (2Metzler Lexikon Literatur, 220, Schlosser 2010, 261). Jünger ist allerdings darauf hingewiesen worden, dass diese Behauptung bislang weder falsifiziert noch verifiziert werden konnte (Hajdu 2002, 19; vgl. daneben auch die früheren Belege 1926, 1930). Gleichwohl werden sowohl Thieß’ sprachpolitisch motivierte Verwendung (hierzu im Detail Kurz 1996, hier insb. der Abschnitt 3 Kampfbegriff Innere Emigration, 229–234) als auch die Debatte insgesamt zur Verbreitung des Ausdrucks und zu seinem Gebrauch speziell in Bezug auf den Nationalsozialismus beigetragen haben. Wohl vor diesem Hintergrund erklärt sich zudem, dass innere Emigration – sowohl in seiner auf den Nationalsozialismus bezogenen Lesart als auch in der weiter gefassten Bedeutung Abkehr von der Außenwelt, insbesondere von politischen Gegebenheiten innerhalb des eigenen Landes, und Rückzug in die Innerlichkeit – häufiger in Bezug auf den Kulturbereich, auf Intellektuelle, Künstlerinnen und Künstler sowie Schriftstellerinnen und Schriftsteller, verwendet wird (1951a, 1959, 1965, 1978, 1989c, 1996).

Vor diesem Hintergrund ist nach 1945 zudem vereinzelt der Ausdruck Literatur der inneren Emigration als Gattungsbezeichnung nachweisbar (1950, 1997b, 2024b). Die Verbindung bezeichnet entsprechend Literatur der Jahre 1933 bis 1945 von Autorinnen und Autoren, die in der inneren Emigration gelebt haben. Möglicherweise vor diesem Hintergrund begegnet innere Emigration auch alleinstehend in Bezug auf die Literatur der inneren Emigration und ihre Autorinnen und Autoren (1945b, 1997a). Antonymischer Ausdruck zu Literatur der inneren Emigration ist Exilliteratur (1960b). Namentlich in der Literaturwissenschaft ist Exilliteratur eine Sammelbezeichnung für literar. Produktionen von Autoren, die wegen politischer, religiöser oder rassistischer Verfolgung gezwungen sind, sich an einem anderen als dem von ihnen gewünschten Lebens- und Arbeitsort aufzuhalten (3Metzler Lexikon Literatur, 217). Exilliteratur wird vielfach (1964, 1984, 2006), jedoch keinesfalls ausschließlich (1995a, 2013) auf jene Literatur bezogen, die zwischen 1933 und 1945 von Exilantinnen und Exilanten verfasst wurde. Daneben tritt das bereits im 19. Jahrhundert verwendete Emigrantenliteratur, das seither Literatur von Autorinnen und Autoren, die aus ihrem Herkunftsland ausgewandert sind, bezeichnet (1854, 1883, 1910, 1989b). Exilliteratur und Emigrantenliteratur weisen insofern starke semantische Überschneidungen auf, als das Autorinnen und Autoren in der Emigration leben (1872, 2024a), ohne dass die beiden Wörter dabei in einem vollständig synonymischen Verhältnis zueinander aufgehen (2000).

Weitere Verwendungen von innere Emigration

Zwar begegnet der Ausdruck innere Emigration in Belegen nach 1945 vermehrt im Kontext des Nationalsozialismus, daneben stehen allerdings auch Verwendungen in einem weiteren Sinn: Zum einen wird der Mehrwortausdruck im Kontext repressiver politischer Zustände im Allgemeinen verwendet (1988, 1989a, 1999). Zum anderen begegnet die feste Verbindung bereits früh auch im Sinn von Rückzug von der Außenwelt infolge von Resignation vor den gegebenen Bedingungen (1951a, 1970, 2012). Seltener ist seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schließlich die Verbindung innere Immigration zu ImmigrationWGd belegt (1995b, 1998a; vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Es handelt sich hier wohl um eine analoge Bildung zu innere Emigration, die ihrerseits Rückzug in die Innerlichkeit bedeutet.

Literatur

2DFWB Deutsches Fremdwörterbuch. Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler. 2. Aufl., völlig neu erarbeitet im Institut für Deutsche Sprache von Gerhard Strauß u. a. Bd. 1 ff. Berlin/New York 1995 ff. (owid.de)

2DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Neubearbeitung. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (vormals Deutsche Akademie der Wissenschaften) und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. 1–9. Stuttgart 1983–2018. (woerterbuchnetz.de)

DWDS DWDS. Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute. (dwds.de)

Hajdu 2002 Hajdu, Marcus: „Du hast einen anderen Geist als wir!“ Die „große Kontorverse“ um Thomas Mann 1945–1949. Inaugural-Dissertation, Gießen 2002. (ac.uk)

Kurz 1996 Kurz, Gerhard: „Innere Emigration“. Zur öffentlichen Kontroverse zwischen Walter v. Molo, Thomas Mann und Frank Thieß. In: Böke, Karin/Matthias Jung/Martin Wengeler (Hrsg.): Öffentlicher Sprachgebrauch. Praktische, theoretische und historische Perspektiven. Opladen 1996, S. 221–235.

3Lexikon Vergangenheitsbewätligung Fischer, Torben/Matthias N. Lorenz (Hrsg.): Lexikon der »Vergangenheitsbewältigung« in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus Nach 1945 (2. , Unveränderte Auflage 2009). Bielefeld 2015.

2Metzler Lexikon Literatur Schweikle, Günther (Hrsg.): Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. 2., überarbeitete Aufl. Stuttgart 1990.

3Metzler Lexikon Literatur Dieter Burdorf u. a. (Hrsg.): Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. Begründet von Günther und Irmgard Schweikle. 3., völlig neu bearbeitete Auflage, Stuttgart 2007.

Schlosser 2010 Schlosser, Horst Dieter: Dtv-Atlas deutsche Literatur. Originalausg., 11., durchges. und korrigierte Aufl. München 2010.

Belegauswahl

Wir sind in diese Stimmungen und Ansichten der leitenden diplomatischen Kreise genauer eingegangen, theils weil uns dies der beste Weg schien, die vielen Mißverständnisse zu beseitigen, welche namentlich durch die Emigrantenliteratur in Umlauf gebracht worden sind, theils weil sie für die Geschichte der folgenden Zeit eine einleuchtende Bedeutung haben.

Häusser, Ludwig: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gründung des deutschen Bundes. Erster Theil, Leipzig 1854, S. 470. (books.google.de)

Durch intelligente französische Emigranten verbreitete sich jetzt ein neuer Geist über Frankreich, und daher kommt es, daß die Literatur des neuen Jahrhunderts in diesem Lande als Emigrantenliteratur beginnt. Der Emigrant ist seinem Wesen nach oppositionell.

Brandes, Georg: Die Hauptströmungen der Literatur des neunzehnten Jahrhunderts. Erster Band: Die Emigrantenliteratur. Berlin 1872, S. 28. (books.google.de)

Alle vornehmen Hotels waren bewohnt, die Salons allabendlich bevölkert, das Bois mit eleganten Equipagen bedeckt, die „innere Emigration“ war von den weltverlorenen Landsitzen nach der Hauptstadt zurückgekehrt und erfüllte sie mit dem Lärm einer demonstrativen Lustigkeit.

Nordau, Max: Paris unter der dritten Republik: Neue Bilder aus dem wahren Milliardenlande. Zweite Auflage, Leipzig 1881, S. 26. (books.google.de)

Vortrefflich empfindet er den europäischen Odem in dessen Dichtungen, die ihm auf amerikanischem Boden den Eindruck von „Emigrantenliteratur" machen und ihm overladen with culture and burdened with the music of intellectual luxury erscheinen.

Die Grenzboten 42/4 (1883), S. 561. (deutschestextarchiv.de)

Was die Handwerker betrifft, so sollen nur wenige im Ansiedelungsrayon bleiben; für die meisten muß eine gut organisirte innere Emigration veranstaltet werden, damit sich die Judenschaft über ganz Rußland verteilt.

Grusenberg, S. O.: Die Bedürfnisse der jüdischen Bevölkerung Rußlands. Berlin 1898, S. 31. (books.google.de)

Es kommt hinzu, daß manche wichtige Seiten aus Constants Leben seinen Landsleuten unkontrollierbar bleiben, die das französische Vollblut an ihm vermissen und überhaupt die Emigrantenliteratur nicht eben günstig ansehen, besonders seit sie sich über Frau von Staël und ihre deutschen Illusionen zu beklagen haben.

Vossische Zeitung (Morgen-Ausgabe), 3. 3. 1910, S. 2. [DWDS]

Das zweite Ungarn lebt zum Teil in der Verbannung, zum Teil im Lande selbst als „innere Emigration“, also im seelischen Exil des Grolls, in stiller Auflehung gegen die Gewalten des Tages […].

Das Tage-Buch 7/2, 3. Juli 1926, Nr. 27, S. 945.

Die zweite Emigration entsagt der Wiederherstellung des Zarats und jeglicher dogmatischen Formulierung der Frage der künftigen Staatsform, wogegen die dritte Emigration (und mit ihr ihre Anhänger im Inland, die sogenannte innere Emigration) die Revolution als eine bürgerliche im weitesten Sinne anerkennt und alle extrem-sozialistischen Forderungen, an erster Stelle natürlich die Diktatur des Proletariats, entschiedenst ablehnt.

Neues Wiener Journal 38, 30. Juli 1930, Nr. 13.179, S. 2. (onb.ac.at)

»Eine beschwerliche Sache, die Innere Emigration, kann ich Ihnen sagen. Man lebt in Restaurants, Hotels, schläft jede Nacht woanders, die Polizei immer hinterher.«

Feuchtwanger, Lion: Die Geschwister Oppermann. Berlin 2001 [1933], S. 343. [DWDS]

[…]Selten ergoß sich eine so mächtige Welle von Emigranten über Europa, wie in den Jahren zwischen dem Ausbruch der russischen Revolution und dem letzten Abschnitt der Bürgerkriege. Die zahlenmäßige Größe dieser modernen Völkerwanderung ist schwer festzustellen, aber man dürfte kaum einen Fehlgriff begehen, wenn man die Russen, die ihr Vaterland in den Jahren 1917 bis 1920 verlassen haben, auf über eine Million schätzt. Außer dieser Menschenmasse, die sich außerhalb der Grenzen des sowjetisierten Reiches Zuflucht und neue Lebensmöglichkeiten suchte, gab es in Sowjetrußland selbst eine innere Emigration, jene bedauernswürdigen Menschen, die in der völlig veränderten und durch furchtbare Umwälzungen erschütterten sozialen und wirtschaftlichen Strutkur ihres Vaterlandes ein karges Stück tägliches brot suchen mußten. […]Von den Schergen der Tscheka gehetzt, aus einer Stadt in die andere flüchtend, fristeten die meisten Angehörigen der ehemals herrschenden Schicht der russsischen Gesellschaft ihr leben von einem Tage zum anderen, Tausende fielen den Entbehrungen und Epidemien zum Opfer, zu Tausenden wurden sie erschossen und verbannt, und man nahm zuletzt schon an, daß die Angehörigen der ehemaligen Aristokratie, die einstigen hohen Offiziere und Beamten, mit der Ausnahme jener, die in die Sowjetbureaukratie augenommen wurden, längst aus dem sowjetrussischen Leben verschwunden sind.

Pester Lloyd 82, 20. März 1935, Nr. 65, S. 3. (onb.ac.at)

Je früher und gründlicher die Seeldorge erkennt, daß das neue Reich der Deutschen auch eine neue Lebensform der Menschen, eine neue Kulturepoche und überhaupt eine neue Daseinsweise bedeutet, desto besser. Die Augen vor diesem Sachverhalt zu verschließen, bedeutet die Selbstverbannung in die innere Emigration, eine selbstverschuldete geistige Unfruchtbarmachtung.

Reichspost 45, 26. Mai 1938, Nr. 141, S. 4. (onb.ac.at)

Und vorüber sind auch die Zeiten, in denen irgend eine Konfession oder Gesinnungsgemeinschaft meinte, sich in die innere Emigration begeben, sich vom Leben der Nation loslösen und in eine Privatkatakombe einschließen zu dürfen, weil sie mit der Mehrheit des Volkes in religiösen oder metaphysischen Fragen nicht einig ging.

Reichspost 45, 17. Juni 1938, Nr. 159, S. 3. (onb.ac.at)

Ihnen [d. i. die geistigen Deutschen, deren produktive Energien nach Überzeugung der Nationalsozialisten in die falschen Bahnen liefen] bliebe am Ende kein anderer Weg als die „innere Emigration.“ Das war richtig, denn die Welt, auf die wir innerdeutschen Emigranten uns stützten, war ein innerer Raum, dessen Eroberung Hitler trotz aller Bemühung nicht gelungen ist.

Thieß, Frank: Innere Emigration. In: Thomas Mann/Frank Thieß/Walter von Molo: Ein Streitgespräch über die äußere und die innere Emigration. Dortmund [1946], S. 2–3, hier S. 3. Zuerst erschienen in: Münchner Zeitung, 18. August 1945. (nbn-resolving.org)

Sie umfaßt schönste Gedichte der „inneren Emigration“ und sammelt die Stimmen des unverstummten deutschen Geistes und seines Widerstandes in den Jahren des Terrors und der Katastrophe.

Süddeutsche Zeitung, 1995 [1945], S. 5. [DWDS]

Die erste Kategorie ist die reine Propagandaliteratur, die zweite die sogenannte Unterhaltungsliteratur, die sich von je der jeweiligen politischen Situation anzupassen verstanden hat, und die dritte ist die Literatur der „innere Emigration“, welche die Flucht in die Innerlichkeit ergriff.

Rein, Heinz: Die neue Literatur. Versuch eines Querschnitts. Berlin 1950, S. 454

Was Hitler an Kunst und Gedanken ausgerottet hat, führte längst zuvor die abgespaltene und apokryphe Existenz, deren letzte Schlupfwinkel der Faschismus ausfegte. Wer nicht mittat, mußte schon Jahre vorm Ausbruch des Dritten Reichs in die innere Emigration: spätestens seit der Stabilisierung der deutschen Währung, die zeitlich mit dem Ende des Expressionismus zusammenfällt, hat gerade die deutsche Kultur sich stabilisiert im Geist der Berliner Illustrierten, der dem von Kraft durch Freude, der Reichsautobahnen und dem kessen Ausstellungsklassizismus der Nazis nur wenig nachgab.

Adorno, Theodor W.: Minima Moralia. Frankfurt a. M. 1971 [1951], S. 67. [DWDS]

Sprechen wir es doch hier einmal aus — und da möchte ich es auch wieder für alle sagen —: das deutsche Volk soll wissen, daß seine Parteien zunächst einmal gegründet sind auf die Entsagung, auf das Opfer weniger Menschen, (Sehr richtig! rechts) die nach 1945 oft nach innerer oder äußerer Emigration, nach KZ, nach dem Verlust all ihrer Habe darauf verzichtet haben, nun ans Verdienen für sich zu gehen, sondern die sich in die Arbeit für ihre Parteien gestürzt und diese Parteien hingestellt haben.

Plenarprotokoll vom 7. 6. 1951. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 01/148 vom 7. 6. 1951, S. 5914. [DWDS] (bundestag.de)

So viele bedeutende Schriftsteller und Dichter zogen sich ja 1933 zurück, ins Exil oder in die innere Emigration, daß Berlin, bis dahin ein geistiger Treffpunkt, schon damals seinen Rang verlor.

Die Zeit 23. 10. 1959, S. 7. [IDS]

Aber gerade diese Ratlosigkeit könnte ein direktes Erbe aus der inneren Emigration sein, wie sie zweifellos zu einem guten Teil noch direkter eine Folge der Hitlerherrschaft ist, nämlich der — meine Damen und Herren, und nun kommt eine nach meiner Ansicht sehr tiefe Einsicht — organisierten Schuld, in welche die Nazis alle Bewohner des deutschen Territoriums zu verstricken verstanden, die inneren Emigranten nicht weniger als die Mitläufer und Parteimitglieder.

Plenarprotokoll vom 18. 2. 1960. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 03/103 vom 18. 2. 1960, S. 5579. [DWDS] (bundestag.de)

Marcuse „war dabei“ in der Weimarer Republik und seit 1933 in den wichtigsten Zentren der deutschen Exilliteratur.

Die Zeit 18. 11. 1960, S. 10. [IDS]

Offensichtlich legt hierzulande niemand Wert darauf, dem interessierten Publikum eine – sei es auch nur fragmentarische – Kenntnis der Exilliteratur zu vermitteln. Jenes eitel-ästhetisierende, fast ausschließlich formale, unverbindliche und wertungsfreie „werkimmanente Interpretieren“ der Germanistik – steht es nicht in engstem Zusammenhang mit den kollektiven Verdrängungstendenzen unserer jüngsten Vergangenheit, denen auch die Exil-Literaten zum Opfer fielen?

Die Zeit 22. 5. 1964, S. 13. [IDS]

Aber Brecht und Becher starben; was dann folgte, ist bekannt: Maßregelungen, Zuchthausurteile, äußere und innere Emigration.

Die Zeit 26. 2. 1965, S. 18. [IDS]

Die anderen gehen. Sei es zur Konkurrenz – sei es in die innere Emigration.

Die Zeit, 13. 3. 1970, Nr. 11, S. 38. [DWDS]

Die Ausweisung von Wolf Biermann, die darauf folgende Solidarisierung namhafter Künstler und ihre anschließende äußere und innere Emigration sind nur ein Indiz dafür.

Die Zeit 21. 4. 1978, S. 3. [IDS]

Die Männer und Frauen, die damals dieses Wagnis unternahmen, eine neue Partei zu gründen nach den bitteren Erfahrungen der Nazizeit, der Verfolgung, der äußeren und der inneren Emigration, des Erlebnisses eines schrecklichen Krieges draußen an den Fronten und zu Hause in den ausgebombten Städten – diese Männer und Frauen glaubten an die Zukunft, und sie machten sich daran, diese Zukunft mit einer neuen, jungen Republik zu gestalten.

Kohl, Helmut: Rede auf dem 31. Bundesparteitag der CDU in Köln, 25. 5. 1983. [DWDS]

Die Deutsche Bibliothek besitzt infolgedessen heute die umfangreichste Sammlung deutschsprachiger Exilliteratur der Jahre 1933 bis 1945.

Bundesregierung: Kulturpolitik. In: Deutscher Bundestag: Drucksache Nr. 10/2236 vom 31. 10. 1984, S. 15. [DWDS] (bundestag.de)

Tausende Schriftsteller, Journalisten, Musiker, bildende Künstler, Theaterleute und Wissenschaftler – die besten Kräfte Deutschlands – verließen ihre Heimat, um im Ausland neue Arbeitsmöglichkeiten zu suchen und sich, ungeachtet unterschiedlicher weltanschaulicher Positionen, unter der übergreifenden Aufgabe des antifaschistischen Kampfes zu sammeln. Einige blieben in Deutschland (etwa Käthe Kollwitz, Bernhard Kellermann, Erich Kästner oder Günther Weisenborn), wo sie mit Veröffentlichungsverbot belegt, verhaftet oder in eine innere Emigration gezwungen wurden.

Schebera, Jürgen: Nicht mehr „Unter fremden Himmeln“. In: NBI, 1987, Nr. 2, S. 94. [DWDS]

Dieser Irrtum zeige, daß der Prozeß der inneren Emigration von Oppositionellen, der seit etwa fünf Jahren andauere, nun vorbei sei; es zeige sich damit nicht nur ein Wandel der Zeit, sondern auch eine Differenzierung innerhalb der Opposition, denn diesmal seien an den Protesten neben Solidarnosc-Leuten auch Mitglieder der inzwischen einflußreich gewordenen ökologischen Organisation „Freiheit und Frieden“ beteiligt gewesen, Mitglieder der im Untergrund entstandenen politischen Parteien wie die Polnische Sozialistische Partei (PPS), die Konföderation für ein unabhängiges Polen, die Unabhängigkeitspartei, die Liberale Partei und die Kämpfende Solidarität.

N. N.: Neue Arbeitskämpfe. In: Archiv der Gegenwart, Bd. 58, 11. 5. 1988, S. 32167 ff. Zit. n. CD-ROM-Ausgabe 2001. [DWDS]

In der Folgezeit, so wie er sich die Kunstauffassungen und -ideen, das Naturverhältnis der Malschule von Barbizon ganz zu eigen machte, die in der Landschaftsmalerei einen Ausdruck kreativer menschl. Freiheit, zugleich eine Art innerer Emigration vor dem Julikönigtum und seinem Bankierregime sah, schloß sich D. endgültig der Schule von Barbizon an und widmete sich ausschließl. dem Landschaftsbild.

N. N.: Lexikon der Kunst – D. In: Olbrich, Harald (Hg.), Lexikon der Kunst. Berlin 2001 [zuerst 1989], S. 6251. [DWDS]

Da beginnt ja das Problem. Und dieses Problem ist allerdings in der Emigrantenliteratur – das ist denen nicht vorzuwerfen -, das ist ausgeblendet.

Das Literarische Quartett vom 16. Juni 1989. [DWDS]

Nämlich die, ob die Rolle der Schriftsteller in der DDR in den vergangenen Jahren in irgendeinem Sinne verglichen werden kann mit der Rolle von Schriftstellern oder Künstlern im Dritten Reich. Und man hat schon den Begriff »innere Emigration« wieder ausgegraben und versucht, auf die jetzige Situation anzuwenden.

Das Literarische Quartett vom 30. November 1989. [DWDS]

Nur in Einzelfällen ist aus Erinnerungen und Monographien bekannt, wie sich liberale Verleger dem wachsenden Druck zu entziehen suchten. Ihnen war eine »innere Emigration« nicht möglich, sie waren im Interesse ihrer Autoren oft zum Lavieren und zu Zugeständnissen gezwungen, konnten aber auch diskreten Widerstand leisten. Nicht wenige bemühten sich, die literarische Moderne des Auslandes weiterhin zu vermitteln; Ernst Rowohlt, der als Judenfreund verfemt 1938 nach Brasilien auswanderte, jedoch Ende 1940 zurückkam, nahm sich besonders der Werke von William Faulkner und Thomas Wolfe an, die 1932 gegründete Hamburger Albatross-Edition legte bis 1939 mehrere hundert Titel moderner englischer Literatur in der Originalsprache vor, darunter Joyces »Dubliners«, Graham Greenes »Brighton Rock« und Hemingways »The Sun Also Rises«.

Wittmann, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhandels. In: Mark Lehmstedt (Hrsg.): Geschichte des deutschen Buchwesens. Berlin 2000 [1991], S. 8431. [DWDS]

Führungen wie „Charlottengrad. Russische Exilliteratur im Berlin der 20er Jahre“, „Die Spur der Steine: Stalinallee und Samariterviertel“ stehen dafür.

Berliner Zeitung, 27. 10. 1995. [DWDS]

Die Reaktionen von Union und den Bündnisgrünen fielen entsprechend scharf aus. CDU-Generalsekretär Dieter Ernst sagte: „Die SPD ist auf dem Weg in die innere Immigration.“ Ihr „Abtauchen“ löse weder die Probleme der Partei, noch diene es der Stadt.

Berliner Zeitung, 30. 10. 1995. [DWDS]

Im verwunschenen Maler-Paradies mit Berliner S-Bahn-Wagen, seiner ersten Behausung auf Usedom, seit er aus dem Berlin der Nazis 1933 für immer dorthin gegangen war: in die innere Emigration.

Berliner Zeitung, 10. 5. 1996. [DWDS]

Trotz rigoroser Zensur und Lenkung ergaben sich unter dem NS-Regime Nischen, in denen Autoren der inneren Emigration und talentierte junge Autoren unpolitische oder camouflierte Literatur publizieren konnten – oder auch Lücken, durch die literarische Oppositionelle schlüpfen und eine gewisse Öffentlichkeit erreichen konnten.

Glaser, Hermann: Kunst – Literatur und Theater. In: Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Berlin 2000 [1997], S. 409. [DWDS]

An der Literatur der „inneren Emigration“ zwischen 1933 und 1945 hielt er die Figur der „totalen Introversion“ fest.

Berliner Zeitung, 16. 10. 1997. [DWDS]

Matthäus zog sich daraufhin in die innere Immigration zurück und beschloß, nach 19 wortgewaltigen Profijahren nur noch dann hausintern zu sprechen, wenn er ausdrücklich um Rat gebeten wird.

Berliner Zeitung, 24. 3. 1998. [DWDS]

Das bloß private Nichtbeachten der offiziellen Parolen, die innere Emigration ins stumme Andersdenken wäre unvereinbar gewesen mit seinem Glauben an die Person; der gespaltene Mensch, der Lippenbekenntnisse zum herrschenden Dogma ablegt und insgeheim darüber die Achseln zuckt, gibt seine Menschenwürde selbst preis.

Berliner Zeitung, 16. 4. 1998. [DWDS]

Schließlich wurden Chomeinis Kritiker aus den Reihen der schiitischen Geistlichkeit mundtot gemacht. Tausende wurden verhaftet, ermordet oder vertrieben ins Ausland oder die innere Emigration.

Berliner Zeitung, 27. 3. 1999. [DWDS]

Die seit 1989 anschwellende „Welle“ von Emigranten aus Osteuropa hat bereits zu einer eigenen Emigrantenliteratur geführt.

die tageszeitung, 3. 1. 2000. [IDS]

Diese Menschen, diese Künstler versuchten – sie wagten den Widerstand! Auch wenn dieser Weg sie nur in die innere Emigration trieb…

Weiss, Christina: Rede von Kulturstaatsministerin Weiss als Patin eines Konzertes der „Young Euro Classics“ am 18. August 2003 in Berlin, 18. 8. 2003. [DWDS]

Im Nationalsozialismus gab es – Sie alle wissen es – eine beispiellose Vertreibung und Flucht von Intellektuellen und Künstlern, und wohl kein anderes Land kennt eine derartige Fülle von „Exilliteratur“ als ganz wesentlichen Teil seiner Literaturgeschichte.

Köhler, Horst: Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler beim Internationalen PEN-Kongress in Berlin, 23. 5. 2006. [DWDS] (bundespraesident.de)

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen in die innere Emigration, wenn sie so geführt werden.

Plenarprotokoll vom 25. 1. 2012. In: Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll Nr. 17/154 vom 25. 1. 2012, S. 18431. [DWDS] (bundestag.de)

Ich lese gerade chilenische Exilliteratur, die in der DDR geschrieben wurde.

En mi tierra desierta, eres la última rosa. In: Marrow (Blog), 31. März 2013. [DWDS] (wordpress.com)

Als Exilliteratur, auch Emigrantenliteratur, wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht in der Fremde suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk im Heimatland bedroht ist. Meist geben politische oder religiöse Gründe den Ausschlag für die Flucht ins Exil.

Exilliteratur. In: Wikipedia: Die freie Enzyklopädie. 9. 1. 2024. [DWDS] (wikipedia.org)

Als wichtige Vertreterin der Literatur der inneren Emigration leistete sie in ihren Werken als eine der ersten Schriftstellerinnen Österreichs „Vergangenheitsbewältigung“.

Erika Mitterer. In: Wikipedia: Die freie Enzyklopädie. 27. 1. 2024. [DWDS] (wikipedia.org)