Wortgeschichte
Der gesellschaftliche Bedeutungsaspekt von Tee
Tee als Aufgussgetränk aus getrockneten Pflanzenteilen
etabliert sich in Europa seit dem 17. Jahrhundert zunehmend und ist im Deutschen seit dieser Zeit bezeugt (s. 1DWB 21, 343 unter Thee). Neben Tee werden öfter Kaffee, aber auch Schokolade und Tabak genannt (1699, 1715), und damit neue Genussmittel, die zunächst in den gehobenen Gesellschaftsschichten Einzug halten.
Die sich vor allem im englischsprachigen Raum entwickelnde Teekultur und Sitte, am Nachmittag zu einer Mahlzeit oder geselligen Unterhaltung zusammenzukommen, zu der Tee oder auch andere Heißgetränke serviert werden, erklärt sicherlich die Bedeutungserweiterung, die dort das Wort tea erfährt (s. 3OED unter tea). Mit Tee wird – wahrscheinlich aufgrund des britischen Vorbilds – seit dem 18. Jahrhundert auch im Deutschen vermehrt ein Bezug zu der Zwischenmahlzeit selbst und zu jeglicher Art von Treffen hergestellt, bei denen Tee gereicht wird (1743, 1815). Diese Nuance kann zudem auf die Ausrichtung des gesamten gesellschaftlichen Ereignisses ausgedehnt sein, folglich auf die Gesellschaft, deren Bewirtung und Unterhaltung (1834, 1918, 1932).
Besuche zum Tee gehören zur normalen, hier vor allem von Frauen geprägten Geselligkeit in bürgerlichen Kreisen und in denen des niederen Adels (1786, 1809). Diese Treffen, häufig auch im Plural bezeugt, werden in der Regel gegeben (1848, 1928) oder man wird zu ihnen (ein)geladen (1908, 2007). Die Grenze zu anderen Wörtern wie Zirkel, SoireeWGd oder KränzchenWGd ist ferner nicht immer eindeutig zu ziehen (1822, 1910).
Das Kompositum Teegesellschaft
Ungefähr im selben Zeitraum, in dem die oben genannte Übertragung aus dem Englischen im Bedeutungsspektrum von Tee stattfindet, ist das Auftreten des Kompositums Teegesellschaft zu verzeichnen (1779). Neben dem bereits seit Beginn des 18. Jahrhunderts bekannten KaffeekränzchenWGd bietet die Teegesellschaft eine weitere Möglichkeit, sich im privaten Raum zu begegnen. Es handelt sich weitestgehend um ein geselliges Beisammensein zum Tee
, zu dem man eingeladen wird (1922, 1950) und bei dem die gepflegte Unterhaltung im Vordergrund steht (1833). Vor allem in jüngerer Zeit wird mit dem Wort Teegesellschaft nicht nur auf eine ursprünglich englische Gewohnheit, sondern auch auf eine zeitlich überholte Einrichtung Bezug genommen (1969, 2004).
Das Bezugswort und seine Adjektivattribute
Nicht zuletzt verdeutlicht die Vielzahl der möglichen Adjektivattribute die Bedeutsamkeit der Lesart gesellschaftliche Veranstaltung
für Tee im 19. Jahrhundert. Als prägnante Kollokation begegnet etwa die Verbindung ästhetischer Tee oder ästhetische Teegesellschaft. Hiermit wurden die von Literaten und deren Gönnern eingerichteten literarischen Leseabende und -zirkel mit Teebewirtung beschrieben (vgl. 1DFWB 5, 109 unter Tee). Gleichzeitig schwingt bei diesen Kollokationen öfter eine eher ironische Nuance mit, so findet sich eine entsprechende, recht bekannte Beschreibung des ästhetischen Tees bei Wilhelm Hauff (1826). Auch sind es häufig die Umgangsformen sowie die inhaltsleere, der Realität enthobenen Konversation, die mit ästhetischer Tee in Verbindung gebracht werden und Anlass zu spöttischen Äußerungen geben (1882, 1930, 1956). Wie der ästhetische Tee ist sicherlich auch der große Tee eine modische Randerscheinung (1836, 1905, 1987).
Vom tanzenden Tee zum Tanztee
Sicherlich ist der als Lehnübersetzung aus dem Französischen in das Deutsche eingegangene tanzende Tee (1805a, 1827) auch als Gelegenheitsbildung zu werten. Zugrunde liegt thé dansantfrz., das kontinuierlicher bezeugt (1805b, 1885, 1998, 2001), im gegenwärtigen Wortschatz aber kaum noch relevant ist (vgl. Duden 2016).
Die mögliche Ausgestaltung dieses Tanzvergnügens
wird in einem Benimmbuch Anfang des 20. Jahrhunderts wie folgt beschrieben:
Einen Hausball oder einen einfacheren thé dansant zu geben, wird sich auch nur die Familie erlauben dürfen, die über mehrere große Räume verfügt. Zu einem improvisierten Tanz nach einem heiteren Diner oder Souper genügt ja schließlich eine Ecke im Salon oder ein geräumiger Vorplatz. […] Bei Mietswohnungen ist es außerdem nötig, für Tanzvergnügen die Erlaubnis der gewiß sehr entgegenkommenden Nachbarn oben und unten einzuholen. Zu einem thé dansant werden die jungen Damen in einfacheren Balltoiletten, halbhohen oder auch ganz hohen, aber hellen Kleidern erscheinen. Die Herren im Ueberrock, obgleich der Frack vorzuziehen wäre. […] Außerdem reicht man in den Pausen verschiedene Limonaden, Mandelmilch, Selterswasser, Eis, süße Speisen, Kuchen und Obstsalate herum. [1901]
In jüngerer Zeit wird thé dansant zunehmend von Tanztee mit der Lesart nachmittägliche Tanzveranstaltung
abgelöst. Bei der Zusammensetzung handelt es sich um eine Lehnübertragung, die sich vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etabliert (1925, 1974, 2017).
Literatur
1DFWB Schulz, Hans/Otto Basler: Deutsches Fremdwörterbuch. Weitergeführt im Institut für deutsche Sprache unter der Leitung von Alan Kirkness. Bd. 1–7. Straßburg bzw. Berlin 1913–1988. (owid.de)
Duden 2016 Duden: Versunkene Wortschätze: Wörter, die uns fehlen werden. Berlin 2016. (books.google.de)
1DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1–16. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. (woerterbuchnetz.de)
3OED Oxford English Dictionary. The Definite Record of the English Language. Kontinuierlich erweiterte digitale Ausgabe auf der Grundlage von: The Oxford English Dictionary. Second Edition, prepared by J. A. Simpson and E. S. C. Weiner, Oxford 1989, Bd. 1–20. (oed.com)
Weitere wortgeschichtliche Literatur zu Tee, Teegesellschaft, Tanztee.