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Pluralismus · Pluralität

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Pluralität, das auf spätlateinisch plūrālitas Mehrzahl, Vielzahl zurückzuführen ist, ist im Deutschen mindestens seit dem 17. Jahrhundert belegt. Anfänglich bedeutet es Vielzahl, daneben auch Mehrheit, Majorität. Pluralismus ist zunächst in der Philosophie belegt und bedeutet dort um 1800 Gemeinsinn im Gegensatz zu Egoismus; diese Bedeutung ist heute nicht mehr gängig. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezeichnet Pluralismus ebenfalls in der Philosophie eine philosophische Position, derzufolge die Wirklichkeit nicht auf ein einziges Grundprinzip zurückgeht, sondern auf mehreren selbstständigen Prinzipien beruht. Ab Beginn des 20. Jahrhunderts wird Pluralismus zunehmend auf Politik und Gesellschaft bezogen. Es entsteht die – zunächst negativ, später positiv konnotierte – Bedeutung (kulturelle, politische, gesellschaftliche) Vielfalt. Auch Pluralität kann nunmehr diese Bedeutung tragen; Pluralität und Pluralismus sind in dieser Bedeutung nun synonym.

Wortgeschichte

Pluralität als Vielzahl und Mehrheit. Die numerische Bedeutungslinie

Das Substantiv Pluralität ist im Deutschen mindestens seit dem 17. Jahrhundert belegt (1667). Es handelt sich entweder um eine Wortbildung mit den Lehnelementen pluralWGd und -ität (vgl. zu Suffixbildungen mit -ität Fleischer/Barz 2012, 243–244) oder um eine direkte Übernahme aus dem spätlateinischen plūrālĭtas (vgl. Latin Dictionary unter plūrālĭtas), ggf. auch unter Einfluss der im Französischen seit dem 13. Jahrhundert nachweisbaren Entsprechung pluralité (vgl. TLFi unter pluralité).

Im Deutschen trägt Pluralität zunächst die Bedeutung Vielzahl (1729). Diese Lesart trägt das Substantiv bis heute (1802, 1920, 2016b). Daneben treten in der numerischen Bedeutungslinie Verwendungen in der Bedeutung Majorität, Mehrheit (1831, 1847, 1963b).

Pluralismus: Frühe Verwendungen in der Philosophie

Das Substantiv Pluralismus ist im Deutschen seit Ende des 18. Jahrhunderts belegt (1796). Maßgeblich beeinflusst hat die Verbreitung Immanuel Kant (1798). Kants Verwendung geht zunächst auf Christian Wolffs Unterscheidung von Egoisten und PluralistenWGd in Hinblick auf die Einteilung von Philosophen zurück (1722); Kant gibt dann jedoch den Antonymen einen eigenen Sinn (vgl. hierzu HWPh 7, 988). Im Anschluss an und mit Verweis auf Kants Verwendung begegnet Pluralismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Bedeutungsangabe Gemeinsinn, Gemeingeist in verschiedenen Wörterbüchern (vgl. exemplarisch nur 1803, 1811, des Weiteren neben anderen auch Buchungen etwa in 1Campe Verdeutschung 2, 532, 7Heyse Fremdwörterbuch, 224). Es ist entsprechend zu dieser Zeit ein Antonym zu Egoismus (1824).

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts firmiert in der philosophischen Bedeutungslinie unter Pluralismus die Verteidigung eines Vielheitsanspruchs gegen den damals verbreiteten Monismus, eine philosophische Position, die alle Phänomene der Welt auf ein einziges Grundprinzip zurückführt (1874, 1910; vgl. HWPh 7, 989). Pluralismus bezeichnet dementsprechend

im weitesten Sinne die Einstellung, es sei begründeter bzw. sinnvoller, eine Heterogenität, Mannigfaltigkeit und Prinzipienvielfalt des in der Welt Existierenden anzunehmen als die vom Monismus behauptete Homogenität und Einheitlichkeit einer Welt, die von einem Prinzip regiert wird. [Sandkühler 1999 2, 1256]

In diesem Zusammenhang ist das Substantiv Pluralismus in entsprechender Bedeutung (1912) sowie nunmehr als Antonym zu Monismus (1921) bezeugt.

Vielfalt. Politisch-gesellschaftliche und kulturelle Bedeutungslinie von Pluralismus und Pluralität

In die Sozialwissenschaften führt der Ökonom und Politikwissenschaftler Harold Joseph Laski das Wort in den 1910er Jahren im englischsprachigen Raum ein (vgl. hierzu HWPh 7, 990 sowie 8Staatslexikon-online unter Pluralismus; siehe auch 1934a). Auch im deutschsprachigen Raum wird Pluralismus ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert zunehmend auf Politik und Gesellschaft bezogen (vgl. hierzu schon die entsprechende Buchung in 1Sanders Fremdwörterbuch 2, 288, die Übertragungen auch auf die Gesellschaft erkennen lässt). Daneben wird der Gebrauch in den Sozialwissenschaften im englischsprachigen Raum eine Rolle für die weitere Verbreitung auch im Deutschen gespielt haben (1933, 1934b; vgl. auch Strauß 1989, 289, der anders als 10Paul 754 eine Neuentlehnung aus dem Englischen ansetzt).

Namentlich im deutschsprachigen Raum ist das Wort, vorgeprägt von Verwendungen bei Carl Schmitt (1923), zunächst negativ konnotiert (vgl. hierzu HWPh 7, 990). Das gilt insbesondere auch für die Zeit des Nationalsozialismus (1936). Gelegentlich sind noch in den 1950er Jahren negativ besetzte Verwendungen nachweisbar (1951a, 1951b). Gleichwohl erfährt das Wort in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und wohl auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem totalen Staat – das zeigen zumindest partiell auch entsprechende Kontexte, in denen das Wort verwendet wird, an (1963a) – eine Bedeutungsverbesserung und verliert damit seine dominant negative Konnotation (1970, 2003a). In der politischen Bedeutungslinie bezeichnet es seither nicht nur kulturelle, politische und gesellschaftliche Vielfalt, sondern impliziert zugleich, dass es sich hier um erstrebenswerte und zu fördernde Merkmale einer Gesellschaft und eines politischen Systems handelt (1980, 2002).

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begegnet auch Pluralität Vielfalt in Bezug auf Politik und Gesellschaft (1956, 1966). Vielfalt ist auch hier im Sinne eines Merkmals der offenen und demokratischen Gesellschaftsordnung, insbesondere der modernen, westlichen, sich seit der Wende zum 19. Jahrhundert ausbildenden Gesellschaftsordnung, zu verstehen (1991, 1992a). Das drückt sich nicht zuletzt in entsprechenden Wortverbindungen wie gesellschaftliche Pluralität (2016c) oder demokratische Pluralität (1998) aus. Neben solchen positiv besetzten Verwendungen stehen – in Abhängigkeit von der Sprechendenposition – auch solche, in denen Pluralismus negativ besetzt ist (1983, 1989; vgl. hierzu detailliert schon Strauß 1989, 289–291).

Daneben wird Pluralität im Kontext der (Post-)Moderne seit der Mitte des 20. Jahrhunderts auf das Nebeneinander verschiedenster kultureller oder stilistischer Strömungen bezogen (vermutlich avant la lettre: 1944; 1960, 1961a, 1982) und auch zum Ausdruck für ein Epochenkennzeichen der (Post-)Moderne (1961b, 1988, 2004). Auch Pluralismus begegnet in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Bezug auf die Postmoderne, und zwar sowohl im Sinne einer gesellschafts- und kulturgeschichtlichen Epoche nach der (westlichen) Moderne (1992b) als auch in Bezug auf eine bestimmte Denk- und Theorierichtung (2003b) und die Postmoderne als Stil (2016a; vgl. auch die Wortgeschichte zu PostmoderneWGd).

Literatur

1Campe Verdeutschung Campe, Joachim Heinrich: Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. Ein Ergänzungsband zu Adelungs Wörterbuche. In zwei Bänden. Braunschweig 1801. (sub.uni-goettingen.de)

Fleischer/Barz 2012 Fleischer, Wolfgang/Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4., völlig neu bearbeitete Aufl. unter Mitarbeit von Marianne Schröder. Berlin/Boston 2012.

7Heyse Fremdwörterbuch Heyse, Johann Christian August: Allgemeines Fremdwörterbuch oder Handbuch zum Verstehen und Vermeiden der in unserer Sprache mehr oder minder gebräuchlichen fremden Ausdrücke mit Bezeichnung der Aussprache, der Betonung und der nöthigsten Erklärung. Siebente rechtmäßige, vielfach bereicherte und verbesserte Ausgabe. Hannover 1835.

HWPh Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. von Joachim Ritter, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel. Völlig neubearb. Ausg. des „Wörterbuchs der philosophischen Begriffe“ von Rudolf Eisler. Bd. 1–13. Basel 1971–2007.

Latin Dictionary Lewis, Charlton T./Charles Short: A Latin dictionary. Founded on Andrew’s edition of Freund’s Latin dictionary; revised, enlarged, and in great part rewritten. Oxford 1879.

10Paul Paul, Hermann: Deutsches Wörterbuch. Bedeutungsgeschichte und Aufbau unseres Wortschatzes. 10., überarbeitete u. erweiterte Aufl. von Helmut Henne, Heidrun Kämper und Georg Objartel. Tübingen 2002.

Pfeifer Pfeifer, Wolfgang u. a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (dwds.de)

1Sanders Fremdwörterbuch Sanders, Daniel: Fremdwörterbuch. 2 Bände. Leipzig 1871.

Sandkühler 1999 Sandkühler, Hans Jörg (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie. 3 Bde, Hamburg 1999.

8Staatslexikon-online Staatslexikon online. Recht – Wirtschaft – Gesellschaft. Hrsg. von der Görres-Gesellschaft und dem Verlag Herder. 8. Aufl. 2017. (staatslexikon-online.de)

Strauß 1989 Strauß, Gerhard: Politik und Ideologie. In: Gerhard Strauß/Ulrike Haß/Gisela Harras (Hrsg.): Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch. Berlin/New York 1989, S. 25–394.

TLFi Trésor de la langue française informatisé (Trésor de la langue française, sous la direction de Paul Imbs/Bernard Quemada. Bd. 1–16. Paris 1972–1994). (atilf.fr)

Belegauswahl

Da aber ja eine/ vnnd andere Stell/ durch einen Todtsfall/ oder andere Begebenheit/ vaciren/ vnnd lehr stehen solte/ wollen wir/ daß solche widerumb sollen ersetzt werden mit so thanen Personen/ welche von der Königlichen Regentin werden für tüchtig/ vnnd Capabel/ erachtet werden: alles mit gutbefinden deß Rahts/ vnd Pluralität der Stimmen.

Lotichium, J. P.: Theatri Europaei Fünffter Theil […]. Frankfurt a. M. 1667, S. 69. (books.google.de)

Jene werden Pluralisten; diese hingegen Egoisten genennet.

Wolff, Christian von: Vorrede. Zu der andern Auflage. In: Ders.: Vernünfftige Gedancken von Gott, Der Welt Und der Seele des Menschen […]. 2. Aufl. Halle 1722, Bl. ):( 6 v – ):():( 8 v, hier Bl. ):():( 4 v. (books.google.de)

Und wenn auch die illatio, der Schluß, nicht hauptſaͤchlich mit auf die Zahl der Eheleute in einer Ehe haͤtte gehen ſollen, ſo wuͤrde das dictum ohne Zweifel alſo ausgeſprochen ſeyn, daß man daraus die pluralitaͤt oder mehrere Zahl auf Seiten des Weibes wuͤrde haben erſehen koͤnnen.

Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle 1729, S. 220. (deutschestextarchiv.de)

Dualismus (Pluralismus) ist die Maxime, daß das All der Dinge in meteria ungleich d. h. entgegengesetzt ist […].

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Moral. Gießen 1796, S. 96. (books.google.de)

Dem Egoism kann nur der Pluralism entgegengesetzt werden, d. i. die Denkungsart: sich nicht als die ganze Welt in seinem Selbst befassend, sondern als bloßen Weltbürger zu betrachten und zu verhalten.

Kant, Immanuel: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Königsberg 1798, S. 8. (books.google.de)

Waͤren die Senioren Leute geweſen, welche noch lange auf der Univerſitaͤt haͤtten bleiben wollen, oder haͤtte die Pluralitaͤt der Geſellſchaften aus Auslaͤndern beſtanden, ſo waͤre es vielleicht dabey geblieben, aber ſo waren beynahe alle Landeskinder, und die Senioren waren naͤchſtens im Begriff, die Akademie zu verlaſſen.

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig 1802, S. 307. (deutschestextarchiv.de)

Pluralismus, die dem Egoismus entgegen gesetzte Gesinnung; Gemeinsinn, Gemeingeist. Sonst verstand man auch darunter die Lehre der Pluralisten, oder derjenigen, welche mehr als ein geistiges Wesen annehmen.

Encyklopädisches Wörterbuch oder alphabetische Erklärung aller Wörter aus fremden Sprachen, die im Deutschen angenommen sind […]. Bd. 6. Zeitz/Naumburg 1803, S. 312. (books.google.de)

Pluralismus, mit diesem Worte bezeichnet Kant die dem Egoismus entgegengesetzte Gesinnung.

Schröter, Friedrich August (Hrsg.): Termino-neologie-technisches Wörterbuch oder Erklärung der in Reden und Schriften häufig vorkommenden fremden Wörter und Redensarten. Erfurt 1811, S. 711. (books.google.de)

Dem Egoismus wird der Pluralismus entgegengesetzt, d. i. die Denkungsart, sich nicht als die ganze Welt in seinem Selbst befassend, sondern als einen bloßen Weltbürger zu betrachten und zu verhalten.

Rheinisches Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Bd. 4. Köln u. a. 1824, S. 409. (books.google.de)

Dieß koͤnnte den Unachtſamen faſt glauben machen, Beide ſeyen nur eine Perſon, wogegen ich jedoch auf’s Ernſtlichſte proteſtiren muß, da ich keineswegs geſonnen bin, mich ſo ſchnell zu den Verſtorbenen zu zaͤhlen, und auch hoffe, daß, wenigſtens die Pluralitaͤt der Leſer, mir noch das liebe Leben, „die ſuͤße Gewohnheit des Daſeyns“ einige Zeit lang goͤnnen wird.

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart 1831, S. XXIII. (deutschestextarchiv.de)

Sobald von dem Richter oder einem andern Senatsmitglied auf Ausſchließung von der Univerſität, ſei es nun durch Exclusion, consilium abeundi oder Relegation, angetragen wird, haben ſämmtliche Senatsmitglieder eine völlig entſcheidende Stimme, und die einfache Pluralität der Stimmen giebt den Ausſchlag […]; dem Richter ſteht jedoch frei, wenn er dem Beſchluſſe ſich nicht fügen zu können glaubt, auf die Entſcheidung des Regierungsbevollmächtigten, wie im §. 12., zu provociren.

N. N.: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin 1847, S. 611. (deutschestextarchiv.de)

Wie der Pluralismus genötigt wird dem Monismus Concessionen zu machen, indem er fortgehen muss zu einer irgendwie übergreifenden Einheit, so andrerseits auch der Monismus dem Pluralismus gegenüber insofern als er schlechterdings durch ein Princip wenigstens der Zweiheit sein All-Eines afficirt sein lassen muss, durch welche notwendigen gegenseitigen Concessionen sich beide im Princip durchbrechen.

Wirth, Robert: Ueber Monismus (Pantheismus) mit Berücksichtigung der „Philosophie des Unbewussten.“ Inaugural-Dissertation zur Erlangung der philosophischen Doctorwürde an der Universität Jena. Plauen i./V. 1874, S. 19. (books.google.de)

Wolf ahnte wohl gar nicht, daß dem verhaßten Monismus nicht nur der hochgelobte Dualismus, sondern auch ein ebenso möglicher Pluralismus gegenübergestellt werden könnte.

Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. In: Bertram, Mathias (Hg.) Geschichte der Philosophie, Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1910], S. 26435. [DWDS]

Überall forscht die Metaphysik nach dem Grunde der vorgefundenen Widersprüche, die sie beseitigt, indem sie das, was als Eines nicht gedacht werden kann, als Vielheit von Dingen in Beziehungen zu anderen denkt (Pluralismus).

Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. In: Bertram, Mathias (Hg.) Geschichte der Philosophie, Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1912], S. 22040. [DWDS]

Die orthodoxen Philosophenschulen haben stets die Pluralität der Heilswege (marga) anerkannt.

Weber, Max: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. In: Weber, Marianne (Hg.) Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. II, Tübingen: Mohr 1921 [1920–1921 [zuerst 1920]], S. 185. [DWDS]

Der siebente Gegensatz ist Monismus versus Pluralismus.

Jung, Carl Gustav: Psychologische Typen. In: ders., Gesammelte Werke, Bd. VI, Zürich u. a.: Rascher 1967 [1921], S. 343. [DWDS]

Insofern besteht ein „Pluralismus“, und der soziale Pluralismus, in den nach der Prognose von M. J. Bonn, Die Krisis der europäischen Demokratie, 1925, die heutige, angebliche Menschheitsdemokratie sich auflösen wird, ist in anderer, wirksamerer Form längst vorhanden und immer vorhanden gewesen.

Schmitt, Carl: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, Berlin: Duncker & Humblot 1991 [1923], S. 16. [DWDS]

Auch der zweite Teil der Weimarer Verfassung ist nicht, wie Carl Schmitt meint, eine Organisation des Pluralismus, vielmehr verkörpert sich in ihm der Gedanke des sittlich an den Staat gebundenen Bürgers , dem je nach seiner besonderen Eigenart hier sein besonderes staatsbürgerliches Berufs- und Standesrecht im Rahmen des Ganzen zugeteilt wird.

Vossische Zeitung (Morgen-Ausgabe), 2. 3. 1933, S. 12. [DWDS]

Kein Wunder, dass der engliche Staatstheoretiker Harald Laski ursprünglich von Gierkes Organologie beeinflusst, heute zu einem anarchischen „Pluralismus“ gelangt ist (vgl. Heller, Souveränität S. 28 f., 64 f.).

Heller, Hermann: Staatslehre, Leiden 1934, S. 99. [DWDS]

Die Wirklichkeit von Volk und Nation zeigt aber in aller Regel keine Einheit, sondern einen Pluralismus von politischen Willensrichtungen, und selbst in den seltenen Augenblicken einer allgemeinen nationalen Erhebung steht der im staatlichen Handeln zum Ausdruck gelangenden nationalen Einheit noch immer eine in Zielen oder Mitteln dissentierende Vielheit im Volke gegenüber.

Heller, Hermann: Staatslehre, Leiden: Sijthoff 1934, S. 163. [DWDS]

Papen »spricht zu ihm [Hitler in Köln am 4. Januar 1933] als Mann zu Mann und überzeugt [!] ihn von der Notwendigkeit, den unseligen Pluralismus der Parteien und ihre Machtansprüche durch den geschlossenen Einsatz aller aufbauwilligen und nationalen Kräfte zu überwinden«).

Jahresberichte für deutsche Geschichte, 1936, S. 380. [DWDS]

Keines dieser Bereiche erwies sich dabei den übrigen als in einem echten Sinn überlegen. Das neue Jahrhundert ist in jedem Sinne eines des Nebeneinander, der Pluralität gewesen.

Beenken, Hermann: Das Neunzehnte Jahrhundert in der deutschen Kunst, München: Bruckmann 1944, S. 21. [DWDS]

Wieder einmal drohte uns, trotz böser Erfahrungen, ein Rückfall in den Pluralismus: für die gleichen Aufgaben immer neue „letztverantwortliche“ Instanzen zu schaffen – und so schließlich jede Verantwortlichkeit zu atomisieren und jede klare Entscheidung unmöglich zu machen.

Die Zeit, 5. 4. 1951, Nr. 14. [DWDS] (zeit.de)

Offenbar sind die Wirtschaftsminister des Bundes und der Länder vor Aufstellung des „Warenkatalogs“ nicht zu Rate gezogen worden … und dieser Pluralismus, das Fehlen jeder vernünftigen Koordination vor Einbringung einer solchen Vorlage, ist vielleicht das Bedenklichste an der ganzen Art der Gesetzesmacherei, wie wir sie hier wieder erleben.

Die Zeit, 20. 9. 1951, Nr. 38. [DWDS] (zeit.de)

Hat der Terror nach Hannah Arendt die negative Funktion, die Pluralität zu zerstören, so hat die Propaganda mit ihren ständigen Wiederholungen, mit ihren „denkerleichterungsbietenden Bewußtseins-Stereotypen“, die der künstlich „uniformierte und desorientierte Mensch angesichts der Undurchschaubarkeit des politischen Getriebes leicht annimmt“, gleichsam positiv die Gleichschaltung zu bewirken.

Eschenburg, Theodor: Staat und Gesellschaft in Deutschland, Stuttgart: Schwab 1957 [1956], S. 308. [DWDS]

Es gibt allerdings – hinter aller Pluralität – sehr merkwürdige und auch typische Entwicklungslinien im heutigen Romanschaffen.

Die Zeit, 6. 5. 1960, Nr. 19. [DWDS] (zeit.de)

Joyce hat sein naturalistisches Grundmaterial mit einem wuchernden allegorischen Gespinst überdeckt. Er hat die dadurch entstehende Pluralität aller Gestalten und Begebenheiten sinnfällig gemacht mit den Mitteln einer entsprechend pluralistischen, mit Elementen von 22 Sprachen und den vielfältigsten Wortspielen durchsetzten Sprache.

Die Zeit, 27. 1. 1961, Nr. 05. [DWDS] (zeit.de)

In unserer, von den Gesetzen der Pluralität und Kontemporaneität bestimmten Epoche beginnt die Dichtung nun einmal nicht „von vorn“: Austausch, Lernen und Lehren, Geben und Nehmen allüberall, nirgendwo Schein-Privilegien einer sogenannten „Originalität“!

Die Zeit, 9. 6. 1961, Nr. 24. [DWDS] (zeit.de)

Der Nationalsozialismus verkörpere den totalen Widerstand gegen die Zivilisationstendenz des Pluralismus.

Die Zeit, 3. 5. 1963, Nr. 18. [DWDS] (zeit.de)

Ich hoffe, nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, daß man es am raschesten der Sprache und dem Wortschatz eines Werkes anmerkt, ob es für eine Pluralität oder eine Minorität geschrieben ist.

Die Zeit, 23. 8. 1963, Nr. 34. [DWDS] (zeit.de)

Uns scheint, daß sich aus der Pluralität unserer Gesellschaft tatsächlich nur die Pflicht des freiheitlich-demokratischen Staates ableiten läßt, alle öffentlichen Einrichtungen, die von der ganzen Gesellschaft für die ganze Gesellschaft unterhalten werden, von der Bindung an ein bestimmtes religiös-weltanschauliches Bekenntnis freizuhalten.

Die Zeit, 26. 8. 1966, Nr. 35. [DWDS] (zeit.de)

Die wichtigsten neuen akademischen Gremien, der Senat und das Kuratorium, konnten in recht gemischter, die Pluralität der Tendenzen und Strömungen an der Hochschule zur Geltung bringender Zusammensetzung gebildet werden.

Die Zeit, 6. 3. 1970, Nr. 10. [DWDS] (zeit.de)

Allein so kann man den Pluralismus der Werte und Perspektiven, der der liberalen Demokratie in der Tradition der Aufklärung zugrunde liegt, und unsere endliche aber reale Freiheit bewahren.

Die Zeit, 22. 2. 1980, Nr. 09. [DWDS] (zeit.de)

Dabei soll der Postmodernismus die ironische Reflexion über die Pluralität der Erzählmodelle (Eco) sein.

Die Zeit, 8. 10. 1982, Nr. 41. [DWDS] (zeit.de)

Denn wenn es um Antikommunismus und Antisowjetismus geht, dann ist es mit dem vielgepriesenen Pluralismus und der sogenannten Meinungsfreiheit innerhalb des Imperialismus vorbei, dann kommt es zu einer „Heiligen Allianz“ aller pluralen Kräfte des imperialistischen Systems.

Buhr, Manfred: Die Lehre von Marx und die bürgerliche Ideologie der Gegenwart. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 1983, Nr. 6, Bd. 31, S. 661. [DWDS]

Die nicht aufzuhebende Pluralität verschiedener Rationalitätstypen – eigentliches Charakteristikum der Postmoderne – wird daher hier zum Gegenstand wie zur Methode der Anstrengung, die ihre wesentlichen Impulse aus der innovatorischen Moderne des frühen zwanzigsten Jahrhunderts bezieht.

Die Zeit, 19. 8. 1988, Nr. 34. [DWDS] (zeit.de)

Zu den „Ratschlägen“, die uns BRD-Medien täglich gratis erteilen, gehört auch die Empfehlung, die DDR nach einem Modell des „Pluralismus“ zu gestalten.

Fehst, Georg: Pluralismus – was halten wir davon. In: Was + Wie, 1989, Nr. 6, S. 10. [DWDS]

Die Bundesrepublik hat Pluralität und Selbstversorgung zu jenem östlich-beunruhigenden Normalzustand erhoben, der in der DDR immer im Konformismus bestand.

Die Zeit, 8. 11. 1991, Nr. 46. [DWDS] (zeit.de)

Freiheit, Gleichheit und Pluralität sind die Grundbegriffe des Politischen, dessen Telos nicht das bloße Überleben ist, sondern das gute und richtige Leben.

Die Zeit, 26. 6. 1992, Nr. 27. [DWDS] (zeit.de)

Es ist der Pluralismus der Postmoderne, der die prinzipielle Offenheit der westlichen Gesellschaft und so das Ende des Traums von der absoluten Ordnung freigelegt hat.

Die Zeit, 6. 11. 1992, Nr. 46. [DWDS] (zeit.de)

Die Bonner Erbschaft der demokratischen Pluralität hat die „Berliner Republik“ schon angenommen.

Die Zeit, 10. 9. 1998, Nr. 38. [DWDS]

Sie verteidigten ein demokratisches Prinzip: den Pluralismus.

Berliner Zeitung, 22. 4. 2002. [DWDS]

Deshalb gehören Offenheit und Pluralismus zu unseren Grundprinzipien.

Der Tagesspiegel, 14. 9. 2003. [DWDS]

Nach Ansicht des kürzlich verstorbenen Philosophen Bernard Williams, dessen BuchWahrheit und Wahrhaftigkeit nun auf Deutsch vorliegt, ist es unser moderner Wille zur „Wahrhaftigkeit“, der das alte Ideal der „Wahrheit“ in Mitleidenschaft gezogen hat. Postmoderner Pluralismus und erkenntnistheoretische Zweifel haben dazu geführt, dass wir Aussagen über den wahren Gehalt der Dinge nicht mehr trauen und uns – wie Williams’ Kollege Richard Rorty – mit einem ironischen Pragmatismus zufrieden geben, der auf fundamentale Gewissheiten verzichtet, um sich auf praktische Ziele konzentrieren zu können.

Die Zeit, 11. 12. 2003, Nr. 51. [DWDS] (zeit.de)

Die moderne Welt hat sich der Pluralität der Werte, der Unvollkommenheit des Wissens, der Unerschöpflichkeit von Kunstwerken zu stellen.

Berliner Zeitung, 5. 4. 2004. [DWDS]

Die ernste, gediegene Aura des Museums legt nahe, dass es hier vorbei ist mit dem verspielten Pluralismus der Postmoderne, selbst wenn es in den Ausstellungsräumen zu ulkigen Clashs kommt: Raufaserige Gipswände treffen auf Betondecken treffen auf Kratzputzlaibungen treffen auf Marmorschwellen treffen auf Eichenparkett.

Die Zeit, 28. 4. 2016, Nr. 19. [DWDS] (zeit.de)

Denn Meinungen sind nicht einfach Unwahrheiten, sondern ihre Pluralität kann Manifestation der Vielfalt sein, in der die Welt den Menschen nun einmal erscheint.

Die Zeit, 3. 8. 2016, Nr. 30. [DWDS] (zeit.de)

Bei einem Treffen mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten mahnte die Kanzlerin mehr gesellschaftliche Pluralität in dem ostafrikanischen Land an.

Die Zeit, 11. 10. 2016 (online). [DWDS] (zeit.de)