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Beaumonde · die schöne Welt

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Die Verbindung Beaumonde wird in der zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts aus der entsprechenden französischen Verbindung übernommen. Der Ausdruck bezeichnet weniger den sozialen Rang als solchen, sondern bezieht sich auf die vornehme, elegante Lebensart der so bezeichneten Klasse. Schon früh entsteht dazu die Lehnübersetzung die schöne Welt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts geraten beide Ausdrücke außer Gebrauch.

Wortgeschichte

Entlehnung aus dem Französischen

Beau mondefrz. bedeutet vornehme Gesellschaft (wörtlich schöne Welt) und stammt aus dem gleichlautenden französischen Ausdruck (s. TLFi unter beau adj., 10). Dieser wird in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ins Deutsche übernommen (1776). Semantisch entspricht die Verbindung teilweise dem jüngeren HautevoleeWGd (vgl. etwa 1857). Allerdings geht es in den Belegen zu Beaumonde weniger um den sozialen Rang wie im Fall von Hautevolee, sondern eher um Eleganz und vornehme Lebensart der so Bezeichneten (1831, 1843). Dass dieser Aspekt im Vordergrund steht, hat zweifelsohne mit dem Element beau schön zu tun.

Nach 2DFWB ist Beaumonde durch das rezentere HautevoleeWGd abgelöst worden (vgl. auch 25Kluge, 400). Mit Blick auf die genannten semantischen Unterschiede ist es allerdings fraglich, ob ein eindeutiger Ablösungsprozess vorliegt. Für einen solchen Fall wäre eigentlich eine deutlich ausgeprägtere semantische Entsprechung zu erwarten.

Lehnübersetzung: Übereinstimmungen und Unterschiede

Für die Bedeutung vornehme Gesellschaft findet sich seit dem 18. Jahrhundert auch der Ausdruck die schöne Welt (1775, 1783, 1791). Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine Lehnübersetzung von Beaumonde, das ebenfalls seit den 1770er Jahren bezeugt ist (vgl. auch 1DWB 14, 1, 1, 1476). Wenn dem so ist, dann haben sich allerdings semantische Differenzierungen zwischen Entlehnungsbasis und Übersetzung eingespielt: Im Gegensatz zu Beaumonde, das als Bezeichnung für eine soziale Hierarchiestufe fungiert, ist die schöne Welt deutlich stärker auf das gesellige Beisammensein der höheren Gesellschaftsschichten fokussiert. So ist in den Belegen oft davon die Rede, dass die schöne Welt zu ihrem Amüsement sich versammelt, und zwar vorzugsweise im Theater oder an einem eleganten Badeort (vgl. 1791, 1873, 1891, 1938).

Jüngere Wortgebräuche

Im 20. Jahrhundert ist dieser Gebrauch von die schöne Welt nur noch selten zu belegen (vgl. noch 1954). Der Ausdruck tritt nun häufig in der Verbindung mit einem Genitivattribut auf, wie z. B. in die schöne Welt der Werbung (1974) und lässt sich als durch etwas geschaffene Illusion umschreiben. Mit der durch Beaumonde begründeten wortgeschichtlichen Traditionslinie hängt diese Verwendung nicht unmittelbar zusammen. Hier ist eher an die Resonanz eines Zitats aus Goethes Faust zu denken, wo die schöne Welt für eine (zerstörte) Illusion steht: Weh! weh! / Du hast sie zerstört, / Die schöne Welt… (1808).

Literatur

2DFWB Deutsches Fremdwörterbuch. Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler. 2. Aufl., völlig neu erarbeitet im Institut für Deutsche Sprache von Gerhard Strauß u. a. Bd. 1 ff. Berlin/New York 1995 ff. (owid.de)

1DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1–16. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. (woerterbuchnetz.de)

25Kluge Kluge – Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearb. von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Aufl. Berlin/Boston 2011.

TLFi Trésor de la langue française informatisé (Trésor de la langue française, sous la direction de Paul Imbs/Bernard Quemada. Bd. 1–16. Paris 1972–1994). (atilf.fr)

Belegauswahl

Sie kamen endlich Nachmittags gegen drey Uhr auf den Platz bey den Zeltern, den, weil es Sonntag war, eine Menge Spaziergaͤnger anfuͤllte. Zwar war noch nicht die modiſche ſechſte Stunde da, welche die ſchoͤne Welt in den Zirkel zuſammen bringt, um zu ſehen, und geſehen zu werden.

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Zweyter Band. Berlin/Stettin 1775, S. 24. (deutschestextarchiv.de)

Fr. Humbrecht.

Was ich fragen wollt, Herr Leutenant, ſie ſtehn mir doch davor, daß wir in einem honetten Haus ſind?

v. Groͤningseck.

So ſoll mich der Teufel lebendig zerreißen, Frau Humbrecht! wenn hier nicht taͤglich alles, was beau monde heißt, zuſammenkommt: — ſehn ſie nur an, wie ſchlecht das Zimmer meublirt iſt. —

Fr. Humbrecht.

Eben drum!

Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn, ein Trauerspiel. Leipzig 1776, S. 6. (deutschestextarchiv.de)

[…]Man faͤngt an, ſich ſelbſt zur Laſt zu fallen, ſobald man allein oder in Geſelſchaft ſeiner gewoͤhnlichen Hausgenoſſen iſt; die an ſtaͤrkere Spannungen nun einmahl gewoͤhnte Sele fuͤhlt ſich wie vernichtet, ſobald dieſe Spannungen aufhoͤren; es koͤmt ihr alles ſo oͤde, ſo einfoͤrmig, ſo ſchal vor! Sie fuͤhlt Beduͤrfniſſe, und weiß nicht, welche; greift bald zu dieſer, bald zu jener haͤuslichen Unterhaltung, und wird durch keine befriediget. Endlich ſchlaͤgt die frohe Stunde der Aſſemblee, der Komoͤdie, des Larventanzes oder einer aͤhnlichen Zuſammenkunft der ſchoͤnen Welt: und sie erwacht aus dem Zustande der Vernichtung.

Campe, Joachim Heinrich: Theophron, oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Erster Theil. Hamburg 1783, S. 137. (deutschestextarchiv.de)

Wir haben die schöne Welt von Amsterdam im Französischen Theater versammelt gesehen, welches hier auf Subskription von einigen der vornehmsten Häuser unterhalten wird, und wo niemand Zutritt haben kann, der nicht von den Theilnehmern Billets bekommt.

Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich, im April, Mai und Junius 1790. Zweiter Theil. Berlin 1791, S. 456. (deutschestextarchiv.de)

Weh! weh!
Du hast sie zerstört,
Die schöne Welt,
Mit mächtiger Faust;Sie stürzt, sie zerfällt!

Goethes Werke. Hrsg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. Weimar 1887–1919. Abt. I, Bd. 14, S. 78.

London iſt jetzt ſo todt an Eleganz und faſhionablen Leuten, daß man kaum eine Equipage vorüberfahren ſieht, und von aller beau monde nur einige Geſandten gegenwärtig ſind.

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Ein fragmentarisches Tagebuch aus Deutschland, Holland und England, geschrieben in den Jahren 1826, 1827 und 1828. Dritter Theil. Stuttgart 1831, S. 42. (deutschestextarchiv.de)

„Sie haben früher den Doktor Meier zu Ihrem Arzte gewählt, liebſte Tante“, ſagte er ſchmeichelnd, „und die ganze beau monde iſt Ihrem Beiſpiel gefolgt".

Lewald, Fanny: Jenny. Erster Theil. Leipzig 1843, S. 281. (deutschestextarchiv.de)

Eine Polka, in der verwegensten Behandlung, dursäuselte die Luft und die Schützen, also auch Honoratioren der Stadt, huschten als dämmerige Phantome vorüber, und wirbelten weibliche Toiletten mit sich hinweg, die uns einen eben nicht glänzenden Aufschluß über Suhls beau monde gaben.

Die Gartenlaube 5 (1857), S. 524. (wikisource.org)

[…]In wenigen Familien soll sich rein portugiesisches Geblüt erhalten haben; die Heirathen mit Chinesinnen waren besonders früher an der Tagesordnung. Im Ganzen sind die Portugiesen von Macao ein vertrocknetes, unschönes Geschlecht von kleinem schwächlichem Körperbau und gelber Hautfarbe, dessen Aeusseres wenig Vertrauen erweckt. — Sonntags und Donnerstags versammelte sich die schöne Welt auf der Praja, wo gegen Abend die Militärmusik spielte. […]Die Garnison bestand aus 150 gut gekleideten Soldaten von der verschiedensten Hautfarbe, meist Mulatten und Schwarzen aus Timur, von wo auch viele Sclaven nach Macao gebracht wurden.

Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Hrsg. von Albert Berg. Berlin 1873, S. 201. (deutschestextarchiv.de)

Auf dem Strande zwischen der See und dem grossen Bassin des Chasses, welches im Nordosten von Calais erbaut wurde, liegen die eleganten Gebäude der Seebäder, welche viel und gerne besucht der Vereinigungsort der schönen Welt zur Zeit der Saison geworden sind.

Lehnert, Josef von: Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Bd. Häfen Europas sowie der asiatischen und afrikanischen Küsten des Mittelmeerbeckens. Hrsg. von Alexander Dorn. Wien 1891, S. 634. (deutschestextarchiv.de)

Schon ehe sie begannen, gab es genug zu sehen: Die lärmende, aufgeregte Menschenmasse, die schöne Welt in den Logen, in der Mittelloge eine Prinzessin und Würdenträger.

Witkowski, Georg: Von Menschen und Büchern, Erinnerungen 1863–1933. In: Oliver Simons (Hrsg.) Deutsche Autobiographien 1690–1930. Berlin 2004 [1938], S. 75173. [DWDS]

Ich fühlte mich eingesperrt in meine Ascenseur-Nische und den Schacht, worin ich mein Fahrzeug auf und ab steuerte, ohne daß mir ein Blick oder mehr als ein kurzer Gelegenheitsblick gewährt gewesen wäre auf die kostbaren Gesellschaftsbilder der Halle zur Fünf-Uhr-Teezeit, wenn gedämpfte Musik sie durchschwebte, Rezitatoren und griechisch gewandete Tänzerinnen der schönen Welt Unterhaltung boten.

Mann, Thomas: Bekenntniss des Hochstaplers Felix Krull. Der Memoiren erster Teil. In: Gesammelte Werke in dreizehn Bänden. Frankfurt a. M. 1954, Bd. 7, S. 466.

Solche Filme, die sich mit exotischen Stimmungen und Spannungen um jede konkrete politische Information herumdrücken, haben leider auch einen pädagogischen Effekt: Sie bereiten den kindlichen Zuschauer vor für die schöne Welt der Werbung und für jenen wirklichkeitsblinden Spießertourismus, der in fernen Ländern nur Photographierobjekte sucht […], nur Folklore und spannende Szenerien, dem die Menschen dort und ihre Konflikte ganz gleichgültig sind.

Die Zeit, 29. 11. 1974, Nr. 49. [DWDS] (zeit.de)