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Jugendkultur · Jugendführung

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Jugendkultur taucht als Kompositum bereits sporadisch seit 1800 in unterschiedlichen Kontexten auf. Die eigentliche Wortprägung wird gemeinhin auf den Reformpädagogen Gustav Wyneken zurückgeführt, der Jugendkultur zu Anfang des 20. Jahrhunderts als spezifischen Lebensstil der Jugend bestimmt, der sich von demjenigen der Erwachsenen signifikant unterscheidet. Mit Jugendkultur verbindet Wyneken allerdings noch die Forderung nach pädagogischer Anleitung. Zwischen 1933 und 1945 verliert das Wort Jugendkultur im Zuge der Gleichschaltung an Bedeutung; demgegenüber wird Jugendführung bevorzugt. Erst ab den 1960er Jahren gewinnt Jugendkultur wieder an Relevanz. Hierunter wird nun eine vorwiegend von der Jugend getragene, autonome gesellschaftliche Gegen- oder Teilkultur verstanden, die allerdings immer stärker auch von sich als jugendlich verstehenden Erwachsenen beansprucht wird.

Wortgeschichte

Jugendkultur: Wynekens Wortprägung im Umfeld der Jugendbewegung

Jugendkultur taucht als Kompositum bereits im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert gelegentlich auf. Je nach Kontext ist die Bedeutung des Kompositums dann durchaus unterschiedlich, das Spektrum reicht von einer Frühphase in der Kulturgeschichte (1795) bis hin zu Ausbildung der Jugend in pädagogischen Kontexten (1820). Zu einem eigenständigen Wort mit fester Bedeutung wird Jugendkultur aber erst rund hundert Jahre später am Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Wortprägung wird gemeinhin auf den Reformpädagogen Gustav Wyneken zurückgeführt; für dessen 1913 publizierten Band Schule und Jugendkultur ist das Wort sogar titelgebend. Jugendkultur bezieht sich bei ihm zunächst auf einen Lebensstil der Jugend, der sich von demjenigen der Erwachsenen unterscheidet und der Lebensphase der Jugend angemessen sei (1919b, 1919a, 1919c). Voraussetzung dafür, dass sich ein eigenständiges Konzept von Jugendkultur und damit auch ein Wort mit dieser Bedeutung ausbilden konnte, ist einerseits ein spezifisches Verständnis von Jugend als Übergangsphase zwischen Kindheit und dem Leben als Erwachsener, andererseits ein deutlich positives Verständnis dieser Phase (1919g).

Wyneken steht nicht nur für eine Reformpädagogik ein, sondern spielt wenigstens zeitweise auch eine wichtige Rolle für die Jugendbewegung der Jahrhundertwende, genauer für den Wandervogel; in diesem Umfeld entsteht das Wort Jugendkultur.

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Wenn das Wort Jugendkultur Mitte der 1910er Jahre von einem Reformpädagogen und Jugendbewegten geprägt wird, dann entsteht es zugleich in einem bestimmten diskursiven Umfeld, genauer vor dem Hintergrund der Reform- und Jugendbewegungen der Jahrhundertwende. Beide richten sich mit ihren Reformvorschlägen und Entwürfen alternativer Lebensformen gegen die bürgerliche Gesellschaft ebenso wie gegen die industrielle Moderne und ihre Begleiterscheinungen. Wenn Jugendkultur also in diesem Kontext sowohl als Konzept als auch als Wort entsteht, dann haben beide auch entsprechende Implikationen. So lässt sich beispielsweise der Synthesegedanke, der Denken und triadisches Geschichtsmodell der Lebensreformbewegung strukturiert, bis in Wynekens Vorstellung von Jugendkultur hinein verfolgen (1919e).

Zugleich ist deutlich, dass das Wort gerade nicht von der adressierten Jugend selbst, sondern von einem Pädagogen, der zu diesem Zeitpunkt immerhin schon Mitte dreißig ist, geprägt wird. Vor diesem Hintergrund ist ein entscheidender semantischer Unterschied zwischen dem Wort zur Zeit seiner Entstehung und dem jüngeren Gebrauch in der zweiten Hälfte des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts zu beobachten: Jugendkultur ist bei Wyneken nicht als eine autonome Subkultur der Jugendlichen zu verstehen (1919c). Vielmehr verbindet sich gerade in Wynekens Konzeption mit der Forderung nach einem eigenständigen LebensstilWGd zugleich die nach einer geistige[n] Führung der Jugend (1919d). Bis heute stabil sind hingegen andere Bedeutungsaspekte: Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbindet sich mit dem Wort Jugendkultur eine zumindest teilweise Abgrenzung von der Welt der Erwachsenen über Merkmale wie Sprache oder Kleidung (1919f, 1994a).

1933 bis 1945: Jugendführung statt Jugendkultur

Zwischen 1933 und 1945 verliert das Wort Jugendkultur an Bedeutung und Jugendführung tritt in den Vordergrund. Jugendführung ist als Wort deutlich älter als Jugendkultur, es lässt sich mit der Bedeutung Erziehung bereits um 1800 nachweisen (vgl. exemplarisch 1779 und 1822). Noch in den 20er und frühen 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wird Jugendführung in dieser Bedeutung etwa in religiösen Kontexten verwendet (1926, 1934a). Spätestens Mitte der 1930er Jahre wird das Wort in den NS-Wortschatz aufgenommen, wovon die Gründung der Reichsjugendführung ebenso wie die der Akademie für Jugendführung zeugt (1934b, 1935). Verzeichnen lässt sich zu dieser Zeit dann einerseits eine Betonung von Kontinuität ebenso wie Weiterentwicklung der Jugendbewegung; andererseits ist auch eine Distanzierung von Wort und Konzept der Jugendkultur zu beobachten (vgl. etwa Beleg 1936, in dem Jugendkultur nicht nur in Anführungszeichen gesetzt, sondern die Beschäftigung mit derselben auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg datiert wird; dass der Weltkrieg die Beschäftigung mit neue[n] Ziele[n] hervorgerufen habe, kann in diesem Zusammenhang fast als Korrektiv einer Beschäftigung mit Jugendkultur gelesen werden). Mit der Verschiebung von Jugendkultur hin zu einem Wort, dass die Führung anstelle der Kultur der Jugend betont, manifestiert sich insofern wortgeschichtlich, was seine sachgeschichtliche Entsprechung in der Gleichschaltung der Jugendbewegung hat (vgl. auch 2002).

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Dass das Wort Jugendkultur vor dem Hintergrund der Gleichschaltung der Gesellschaft an Bedeutung verliert, heißt jedoch nicht, dass es sachgeschichtlich nicht so etwas wie eine – zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich gelagerte – Jugendsubkultur auch während der NS-Zeit gegeben hat (vgl. hierzu Speitkamp 1998, hier insb. in Kapitel VI Nationalsozialistische Herrschaft (1933–1945) den Abschnitt 3 Jugendprotest und Widerstand, in dem auf Resistenz in den traditionellen Milieus, Widerstand aus dem Geist der Jugendbewegung und auf JugendcliquenWGd, Jugendsubkultur und Protest eingegangen wird).

Vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklung bezieht sich das Wort Jugendführung heute insbesondere in der historischen Perspektive auf die Zeit des Nationalsozialismus (2004); daneben lassen sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts noch gelegentliche Verwendungen mit der Bedeutung Anleitung der Jugend etwa im Sportbereich nachweisen (1962).

Jugendkultur/Subkultur. Eine Annäherung nach 1945

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere ab den 1960er Jahren, gewinnt das Wort Jugendkultur dann wieder an Relevanz. Wesentliches Merkmal von Jugendkultur ist die Abgrenzung von der Mehrheitsbevölkerung (1982), insbesondere von den Erwachsenen (1985), etwa über äußerliche Merkmale wie den Kleidungsstil (1994a) oder Musik (1994b). Jugendkultur rückt nun zunehmend in die Nähe von SubkulturWGd (1991), was sich nicht zuletzt in der gelegentlichen Verwendung des Wortes Jugendsubkultur (1974, 2003, 2016) manifestiert. Gegenwärtig deutet sich eine Erweiterung des Referenzbereichs von Jugendkultur an: In einigen jüngeren Texten (2010) wird die Reichweite des Wortes reflektiert, das wohl zunehmend nicht mehr nur von Jugendlichen im engeren Sinn, sondern auch von sich als jugendlich geblieben verstehenden Erwachsenen getragen wird. Auch in dieser Hinsicht zeigt sich eine Annäherung von Jugendkultur und Subkultur.

Literatur

Speitkamp 1998 Speitkamp, Winfried: Jugend in der Neuzeit. Deutschland vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Göttingen 1998.

Belegauswahl

Hat aber das Kind zu solchen Veränderungen, als Schauspiele, Gesellschaften und Tanzsaal sind, ausserordentliche Neigung, und ist es schon durch die erste Jugendführung verdorben; so muß man diese Neigung wohl zu mäßigen, aber nicht auf einmal zu ersticken suchen.

[Rambach, Eva Marie Elisabeth]: Betrachtungen über Erziehung der Söhne und Töchter, aus Erfahrung gesammlet. Halle 1779, S. 86.

Da nun das jugendliche Zeitalter der Kultur sich besonders durch eine lebhaftere und höhere Empfänglichkeit für schöne Formen, überhaupt durch eine sorgfältige Pflege dessen characterisiert, was den Bestrebungen der Organisation angemessen ist, so darf es uns nicht befremden, dass die höhere Blüthe und Reife der Künste, der reizende jugendliche Anstrich der Wissenschaften, und alles dessen, was der menschliche Geist in der Periode seiner Jugendkultur ausarbeitet in diesen Zeitraum falle.

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Geschichte der Kultur der Menschheit, nach kritischen Principien. Erster Theil. Leipzig 1795, S. 577.

Wenn auf jedem ansehnlicheren Dominum das Nämliche geschähe, was durch die Veranstaltung des edlen Direktors Rumler auf Gitschinowes geschah: wie viel müßte dadurch der obbenannte Wiederholungsunterricht in unserm Böhmen gewinnen! Wodurch würde man, – um nur Etwas zu erinnern – den Eifer des Lehrstandes, dem die Abhaltung der Sonntagsschulen obliegt, ungemein wecken; dadurch würde man ihm jenen lebendigen Geist, der die Lehrer als Arbeiter im Weinberge des geistigen Nationallebens beseelen muß, sollen sie anders mit Lust, Kraft und Erfolg wirken, einpflanzen; dadurch würde man den Lehrstand selbst zu seiner so nöthigen Fortbildung bewegen, woraus dann die wohlthätigsten Folgen für die Jugendkultur resultieren würden; dadurch würde man aber auch jenem, den die Dürftigkeit drückt, und ihn bei jedem Blicke auf seine mitleidende Familie mit bitterer Wehmuth erfüllt, wenigstens eine kleine Aushülfe und Erleichterung leisten; denn Armuth, wie bekannt, ist die einzige Last, die schwerer wird, je mehrere daran tragen; 4) und diese Last liegt, leider! noch auf manchem Lehrer in unserem Lande.

Wacek, Frabz Alois: Wohlthätige pädagogische Anstalt. In: Der Schulfreund Böhmens. Eine Quartalsschrift für den gesammten Volksschulstand in Böhmen; herausgegeben von der k. k. Schulenoberaufsicht der prager Erzbiözes, in Verbindung mit der prager Hauptmusterschuldirektion, und mehreren anderen Kennern und Freunden des vaterländischen Schulwesens. Vierten Bandes drittes Heft. Prag 1820, S. 105–114, hier S. 110-111.

Otto. […] Könnten wir das Ideal der Erziehung und Jugendführung erreichen, so würde ein Jeder von Jugend auf in Pflicht und Liebe den alleinigen Werth des Lebens erkennen, und an die Treue gegen Pflicht und Liebe gewöhnt werden. […]

Fries, Jokob Friedrich: Julius und Evagoras oder: die Schönheit der Seele. Ein philosophischer Roman. Zweiter Band, Heidelberg 1822, S. 280-281.

Das ist es nun, was man mit dem neuen, wenig verstandenen Wort „Jugendkultur“ bezeichnen will: also eine neue Lebensgestaltung, einen neuen Lebensstil der Jugend, der ihr gibt: lebendigen Zusammenhang mit der Kultur ihrer Zeit, die Möglichkeit natürlicher, der Jugend angemessener Lebensführung und Geselligkeit und endlich eine Tätigkeit, die ihr selber wichtig, ja heilig ist.

Wyneken, Gustav: Die deutsche Jugendbewegung. In: Ders.: Der Kampf für die Jugend. Gesammelte Aufsätze. Jena 1919, S. 97–105, hier S. 103.

Das Schlagwort Jugendkultur, das im verflossenen Jahre in der Öffentlichkeit aufgetaucht ist, bedeutet zunächst eine besondere, ihrem Wesen angemessene Lebensführung der Jugend, einen besonderen jugendlichen Lebensstil.

Wyneken, Gustav: Jugendkultur. In: Ders.: Der Kampf für die Jugend. Gesammelte Aufsätze. Jena 1919, S. 122–127, hier S. 122.

Das Schlagwort der neuen Jugendbewegung heißt: Jugendkultur. Es ist oft so mißverstanden worden, als wolle die Jugend aus sich heraus und in ihrem Kreise eine „Kultur“ schaffen, die sie an die Stelle der herrschenden Kultur der Erwachsenen setzen wolle […], etwa so, wie futuristische Kunstrichtungen mit aller gewesenen und bestehenden Kunst aufräumen wollen und nur ihre eigene gelten lassen. Hier aber handelt es sich um etwas ganz anderes. Die Forderung einer Jugendkultur bedeutet, daß an die Stelle der gegenwärtigen Lebensführung der Jugend, die aus ihr allzusehr nur ein Anhängsel der Erwachsenen macht, sie in jugendfremde Lebensgewohnheiten der Alten hineinzwingt und sie in Verhältnisse hineindrängt, in denen sie zur Betätigung des ihr eigenen, spezifisch jugendlichen Lebensgefühls keine Möglichkeit findet -, daß an die Stelle diese Zustandes für die Jugend Lebensformen gefunden werden, die einerseits ihrem besonderen Wesen und ihren Bedürfnissen entsprechen, andererseits auch wirklich den Namen „Kultur“ verdienen. Vom ersten ist man ausgegangen, zum zweiten wurde man weitergeführt, und das schon von Anfang an. Dieser Anfang der Bewegung wird bezeichnet durch die Entstehung des „Wandervogels“.

Wyneken, Gustav: Die deutsche Jugendbewegung. In: Ders.: Der Kampf für die Jugend. Gesammelte Aufsätze. Jena 1919, S. 97–105, hier S. 97-98.

Die Gefahr dieser Entwicklung besteht darin, daß die Jugend ohne geistige Führung bleibt. Ganz auf sich selbst angewiesen, der eigenen geistigen Leistung überlassen, kann sie nur allzu leicht geistiger Inzucht verfallen. Und der Wandervogel ist nach meiner Überzeugung diesem Schicksal nicht entgangen.

Wyneken, Gustav: Jugendkultur. In: Ders.: Der Kampf für die Jugend. Gesammelte Aufsätze. Jena 1919, S. 122–127, hier S. 122.

Aber Isolierung kann nicht die endgültige Lösung des Jugendproblems sein. Es muß Synthese gefunden werden, eine Versöhnung der Jugend mit jener Kultur, die doch nun einmal von den Erwachsenen bewahrt und gepflegt wird, und eine Möglichkeit, ohne Preisgabe jugendlicher Eigenart doch nicht auf Führung verzichten zu müssen.

Zwar kann diese Synthese nicht in einer Rückkehr der Jugend in den Schoß der Familie, nicht in einer Unterwerfung unter den konventionellen Lebensstil der Alten bestehen. Vielmehr muß, neben Familie und Jugendbund, eine dritte Größe gefunden werden, die Trägerin der Synthese ist; eine Veranstaltung, die die Jugend ebenso isoliert, wie es der Wandervogel getan hat, sie also von der Familie emanzipiert, die aber zugleich der Jugend berufene Führer gibt und den Zugang zu den wirklichen Werten der Kultur eröffnet, also ihre Isolierung innerlich und geistig überwindet.

Wyneken, Gustav: Jugendkultur. In: Ders.: Der Kampf für die Jugend. Gesammelte Aufsätze. Jena 1919, S. 122–127, hier S. 124.

Von vornherein verband sich mit dem neu entdeckten Wandern ein ganzer Komplex von neuen Lebensformen: erst in Sprache und Sitte, dann in Geselligkeit, Kleidung, Kunstübung und Geschmack.

Wyneken, Gustav: Die deutsche Jugendbewegung. In: Ders.: Der Kampf für die Jugend. Gesammelte Aufsätze. Jena 1919, S. 97–105, hier S. 98.

Nie trifft man auf so affektbesetzten Widerspruch, wie wenn man den Satz ausspricht, daß die Jugend (worunter ich die Zeit nach der eigentlichen Kindheit verstehe) im Familienleben gemeiniglich nicht zu ihrem Recht komme, und daß also irgendeine Veranstaltung nötig sei, die der Jugend gestattet, jung zu sein.

Wyneken, Gustav: Jugendkultur. In: Ders.: Der Kampf für die Jugend. Gesammelte Aufsätze. Jena 1919, S. 122–127, hier S. 123.

Dem engen pädagogischen Kontakte, den das weibliche Element in der Seele des Erziehers verstärkt, kommt die Bildsamkeit der zarten Kindesseele entgegen, und sie erhebt das erste Jahrsiebent oder Jahrzehnt zu einem allerwichtigsten Stück der Jugendführung. Diese Einsicht ist dem reifenden Pestalozzi aus vertieften psychologischen Zusammenhängen immer deutlicher und wichtiger geworden, und die nicht ohne die Synthese Mutter und Kind zu vollziehende Idee steht bezwingend vor seiner Seele:

Eberhard, D. Otto: Pestalozzi ein Klassiker der Seelenführung. In: Bausteine zur Arbeit im Kindergottesdienst, Sonderhefte der Monatsschrift „Der Kindergottesdienst“, Nr. 4, 1926, S. 77. [DWDS]

Wir kennen ihre hohe Bedeutung auch in unseren Tagen. Denn da Schäden der Volksseele, soll innere Heilung erfolgen, vor allem mit geistigen Mitteln bekämpft werden müssen, und da die Religiosität Sache des Charakters und des Herzens ist, so ist es unsere Aufgabe, in Volksbildung und Jugendführung alle jene Kräfte zu entfalten, die in glaubensstarker Ueberzeugung, in freier religiöser Betätigung unter dem damit verbundenen Gnadenbeistande geborgen sind. Für die katholischen Jugend-, Jungmänner- und Jungfrauenvereine, die katholischen Standesvereine, Berufs- und Arbeitervereine möge dieses Bewußtsein zur Beruhigung dienen, wenn so manchmal von unverständiger Seite Sturm gegen sie gelaufen wird.

N. N.: Neujahrsansprache des Erzbischofs Kardinal Bertram. In: Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt, 3. 1. 1934, S. 1. [DWDS]

Es soll alles darangesetzt werden, um durch enge Verbindung von Weltanschauung und Arbeit in der Jugend ein neues Berufsethos zu schaffen. Zu diesem Zweck wurde auch der Reichsberufswettkampf der deutschen Jugend vom „Sozialen Amt“ der Reichsjugendführung und dem Jugendamt der Deutschen Arbeitsfront in die Wege geleitet. Er wird durchgeführt von den „Sozialen Ämtern“ der Hitler-Jugend und den Verbänden und ihren Jugendgruppen in der Deutschen Arbeitsfront.

A. A.: Was ist der Reichsberufswettkampf der deutschen Jugend? In: Völkischer Beobachter (Berliner Ausgabe), 3. 3. 1934, S. 18. [DWDS]

Ab 1. Januar 1936 kommen als Bewerber für Beamtenstellen nur Personen in Frage, die der Hitler-Jugend angehört haben. – Die Jugendführer, vom Bannführer aufwärts (1680 E), müssen von einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt an mindestens zwei Jahre Dienst in der HJ getan haben, dann den Arbeitsdienst und den Wehrdienst geleistet und mindestens ein Jahr an der neuerrichteten Akademie für Jugendführung in Braunschweig gelernt haben.

N. N.: NS-Partei, Allgemeines, Hitler-Jugend, Beamtenschaft, 1935-11-10. In: Archiv der Gegenwart, 2001 [1935], S. 2296. [DWDS]

In ganz anderer Weise als früher bei den Turnbestrebungen ist heute die Frau am modernen Sport beteiligt. An den Anfang darf man wohl die Gründung des Wandervogels stellen, die jugendlichen Frohsinn in den Alltag brachte. Sie reicht in das Jahr 1896 zurück. Widmete man sich vor dem Krieg mit Vorliebe Fragen der „Jugendkultur“, insbesondere der Pflege von Lied und Tanz, so wurden infolge des Kriegs neue Ziele erkannt und anerkannt. 1926 entstanden unter der Losung, durch gemeinsame Arbeit Gemeinschaftssinn zu wecken, die Arbeitslager der bündischen Jugendbewegung der Studentenschaft, und es bahnte sich damit eine Entwicklung an, die im Arbeitsdienstgesetz vom 16. Juni 1933 ihren endgültigen Abschluss fand.

Schultze, Friedrich unter Mitarbeit von Schultze, Werner: Die Deutsche Kulturgeschichte. Band II: Bildatlas zur Deutschen Kulturgeschichte. Leipzig 1936, S. 451.

Sie darf sich aber nicht wundern, wenn sie trotzdem die volle Kritik trifft. Dennoch dürfte es bei den Turnerinnen des DTB leichter gelingen, bald eine stärkere Riege heranzubilden als bei den Turnern, wenn man verstände, das große Reservoir auszunutzen, und wenn der Bundesoberturnwart die organisatorischen Voraussetzungen dafür in Zusammenarbeit mit der Jugendführung trifft. Hier berühren sich formale Schwierigkeiten und Kompetenzen, die für einen Außenstehenden einfach nicht zu verstehen sind.

N. N.: Russen mit Konkurrenz. In: Die Zeit, 20. 7. 1962, Nr. 29. [DWDS]

Deutsche Sprache, Interesse am Sport, Vorliebe für Coca Cola und Miniröcke, allgemeine Jugendsubkultur, Schwierigkeiten mit der älteren Generation, Probleme, wie sie in allen Staaten auftauchen.

N. N.: Paris liegt uns näher. In: Die Zeit, 22. 3. 1974, Nr. 13. [DWDS]

Nur: Was – außer dem Verzicht auf Maskierung der Ver- und Zerstörungen durch reibungsloses Funktionieren – unterscheidet eigentlich die Jugendkultur, die alternative Szene und ihre Bewegungsausläufer von der Mehrheit der angepaßten Bevölkerung?

N. N.: Die deutsche Depression. In: Der Spiegel, 22. 2. 1982, S. 94. [DWDS]

Alte Tabus sind gewichen – in Familien wird über Probleme geredet. Ins Dilemma geraten sind nun allerdings auch jene Jugendkulturen, die auf scharfe Abgrenzungen gesetzt haben – denn zur Rebellion bedarf es elterlicher Macht (und Ignoranz!), bedarf es Normen, gegen die man kämpfen kann.

N. N.: Eltern unter Einfluß. In: Die Zeit, 27. 9. 1985, Nr. 40. [DWDS]

Für die Subkulturen Jugendlicher, die sich im wesentlichen durch ihre (teilweise ausschließliche) Orientierung an der Peer group auszeichnen, sind die Überzeugungen und Handlungsweisen ihrer Kameraden wichtiger als elterliche Vorbilder und Erziehungsnormen. Dabei unterscheiden sich Subkulturen bürgerlicher Jugendlicher in vielen Punkten von denen, die durch Angehörige sozialer Unterschichten gebildet werden.

Jugendliche Subkulturen zeichnen sich aus durch Originalität (häufig ausgedrückt in Kleidung, Frisur), Narzißmus (übersteigertes und oft realitätsfremdes Selbstbild) und Ethnozentrismus (starke Identifikation mit der Eigengruppe, Ausbildung von Vorurteilen und eigenen Normen, Ablehnung von Fremdgruppen). Die Orientierung an den Normen der Subkulturgruppe kann bis zur Internalisierung dieser Normen gehen, d. h. diese Normen sind dann für das Handeln des Jugendlichen maßgeblich, eine damit möglicherweise verbundene Übertretung gesellschaftlicher Normen wird als notwendig mit der Gruppenzugehörigkeit verbunden akzeptiert.

Eintr. „Subkultur“ in: Kriminologie Lexikon. Herausgegeben von Hans-Jürgen Kerner. 4. völlig neuberarbeitete Auflage des von Egon Rößmann begründeten Taschenlexikons der Kriminologie für den Kriminalpraktiker. Heidelberg 1991, S. 338–339, hier S. 339.

Denn wie jede Jugendkultur definiert man sich auch in Techno-Kreisen unter anderem über die Kleidung.

Sengelmann, Katja: Der Kudamm in Ekstase. In: Berliner Zeitung, 2. 7. 1994. [DWDS]

Rolling Stone, die Zeitschrift, die sich einmal der Jugendkultur und ihrer Musik verschrieben hatte, findet längst nichts mehr dabei, man muß ja auch leben, Anzeigen für die Streitkräfte aufzunehmen.

N. N.: Echt, du, Woodstock. In: Die Zeit, 12. 8. 1994, Nr. 33. [DWDS]

Das für die HJ propagierte Prinzip, »Jugend wird durch Jugend geführt«, wurde zwar umgesetzt, die Führer aber von oben eingesetzt. Sie wurden in einer »Akademie für Jugendführung oder in »Führerschulen« auf diese Funktion vorbereitet. Innerhalb der Gliederungen der HJ gab es keinerlei Formen der Mitsprache oder gar Mitbestimmung.

Schaub, Horst u. Zenke, Karl G.: Hitler-Jugend (HJ). In: dtv-Wörterbuch Pädagogik [Elektronische Ressource], Berlin: Directmedia Publ. 2002 [1995], S. 1027. [DWDS]

Die neu aufkommenden Jugendsubkulturen griffen jetzt auch Elemente aus der Militärbekleidung auf – um Stilbrüche herbeizuführen.

N. N.: Alles nur Tarnung. In: Der Tagesspiegel, 12. 4. 2003. [DWDS]

Seit Ende der dreißiger Jahre geriet Hosenfeld in ambivalente Situationen, die schließlich zu einer Abwendung vom Hitler-Staat und zu selbst verantwortetem Handeln führten. Dieser allmähliche Wandel begann mit seiner Kritik an den Methoden der Jugendführung in der HJ, setzte sich fort mit seiner Distanzierung vom staatlich verordneten Antisemitismus, der nach seiner Überzeugung gegen die Menschenwürde verstieß, und wurde schließlich irreversibel durch die schockartigen Erlebnisse, welche die Mordtaten von SS und Wehrmacht in Polen 1939/40 und dann in der Sowjetunion bei ihm auslösten. Diese Entwicklung unterschied ihn gründlich von der großen Mehrheit der Soldaten im Osten, die eben nicht in gleicher Weise aufwachte.

N. N.: Der Verweigerer. In: Die Zeit, 8. 7. 2004, Nr. 29. [DWDS]

Gerade das in den vergangenen Jahren viel gerühmte, viel beschriebene Berghain ist zum obersten Repräsentationsort einer Feier- und Eventkultur geworden, ein touristischer Sightseeingort und Muss für jeden Berlinbesucher darüberhinaus. Wer nur einmal an einem Wochenende vor dem Berghain stand (oder besser: aus dem Berghain heraus an der Menschenschlange vorbeiging), dürfte bemerkt haben, wie wenig die meisten Besucher einer bestimmten Szene zuzuordnen sind, wie unauffällig individualisiert viele sind, wie gerade hier „Jugendkultur“ nicht im Alter von 30 oder 35 aufhört, wie hier überhaupt Distinktion keine Rolle spielt (und nur die Türsteher ihre manchmal sehr geheimnisvollen Auswahlkriterien haben ). So wie es früher schwer war, die Technobewegung auf einen Nenner zu bringen, sich hier unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppierungen einfanden, so ist auch heute die Techno- und Clubkultur eher ein gesellschaftlicher Querschnitt als eine bestimmte, klar abgrenzbare Szene.

N. N.: Der Bass lebt weiter. In: Die Zeit, 28. 7. 2010 (online). [DWDS]

Junge Deutsche fühlen sich heutzutage kaum mehr großen Jugendsubkulturen zugehörig, die auf Abgrenzung und Provokation setzen.

N. N.: Soziologen: Deutsche Jugend fühlt sich kaum noch großen Subkulturen zugehörig. In: Die Zeit, 26. 4. 2016 (online). [DWDS]