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halbstark · Halbstarke

Politik & Gesellschaft

Kurz gefasst

Das Substantiv der oder die Halbstarke ist mutmaßlich zunächst im Hamburgischen und Berlinerischen mit der Bedeutung Jugendlicher der Arbeiterschicht verbreitet. In den 1950er Jahren geht es in den allgemeinsprachlichen Wortschatz über und bezeichnet nunmehr Jugendliche, die sich auffallend und laut benehmen und damit ihren Mitmenschen lästig fallen. Zu den Wortbildungen der Zeit gehört das Kompositum Halbstarkenkrawalle. Daneben bildet sich die neutral bis positiv konnotierte Bedeutung Anhänger einer bestimmten jugendlichen Subkultur der 1950er Jahre aus. Vor diesem Hintergrund entsteht für das Adjektiv halbstark, in älteren Verwendungen in den Lesarten mezzo forte oder von mittlerer Stärke bezeugt, nun die neue Bedeutung zu den Halbstarken gehörend.

Wortgeschichte

Das Adjektiv halbstark

Das Adjektiv halbstark begegnet ab der Mitte des 18. Jahrhunderts. Während stark (vgl. auch 1DWB 17, 869–888) bereits im Althochdeutschen bezeugt ist und ein breites Bedeutungsspektrum aufweist, scheint es sich bei halbstark zunächst um die Übersetzung des italienischen mezzo forte im Bereich der Musik zu handeln (1763). Während des 18. Jahrhunderts wird das Wort vornehmlich in Schriften zur Musik verwendet (1756), auch als Anweisung in Noten (1798). Gelegentlich begegnet diese Verwendung auch später noch (1845, 1906), insgesamt scheint das Wort aber schon während des 18. Jahrhunderts nicht weit verbreitet zu sein.

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts tritt mit von mittlerer Stärke (vgl. DWDS unter halbstarkDWDS eine neue Bedeutung hinzu (1803, 1808). Während des 19. Jahrhunderts begegnet halbstark in dieser Bedeutung besonders häufig in Bezug auf Zigarren (1807, 1854), wird aber auch in anderen Kontexten verwendet (1846, 1876, 1905). Die Bedeutung zu den Halbstarken gehörend, wie ein Halbstarker schließlich ist jüngeren Datums; bemerkenswerterweise entsteht sie erst nach der Bildung des Substantivs Halbstarke (1956f; s. u.).

Halbstarke im Hamburgischen und Berlinerischen. Frühe Bezeugungen

Wann und wie genau das Substantiv Halbstarke erstmals auftritt, ist schwer zu sagen. Schriftlich belegt ist es mindestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts (1910, 1904, 1922). Möglicherweise wird es – davon geht jedenfalls die Forschung bis heute aus (vgl. schon Kaiser 1959, daneben Grotum 1994, 23, Kurme 2006, 179) – zunächst im hamburgischen Sprachgebrauch verwendet (vgl. hierzu Kaiser 1959, 14, auf den die Forschung sich immer wieder bezieht). Jedenfalls ist Hermann Popert, der Halbstarke in seinem Roman Helmut Harringa verwendet (1910), Richter in Hamburg, Clemens Schultz, auf den die vermutlich erste Abhandlung zu Halbstarken zurückgeht (1912), Pastor in St. Pauli. Erinnerungen aus den 1950er Jahren zufolge wird das Wort im hamburgischen mündlichen Sprachgebrauch der Jahrhundertwende unter anderem auf die Arbeiterjugend oder (randalierende) Jugendliche aus sozialen Randschichten bezogen (Kaiser 1959, 14). Da es sich hier um erst in den 1950er Jahren publizierte Erinnerungen handelt, ist die Quellenlage, auf die die Forschung sich bezieht, natürlich nicht unproblematisch (vgl. Kaiser 1959, 13; vgl. daneben aber auch 1919 und 1934, die auf hamburgische Herkunft sowie eine regionale Verwendung noch in den 1930er Jahren nahelegen).

Die dünne Quellenlage macht es zudem schwierig, zu entscheiden, inwieweit ältere Bedeutungsaspekte des Adjektivs halbstark für die Bildung des Substantiv Halbstarke von primärer Bedeutung sind. Denkbar ist, dass die im 19. Jahrhundert verbreitete Bedeutung von mittlerer Stärke (hier mit Betonung auf mittlere) eine Rolle gespielt hat, dass Jugendliche, also gewissermaßen Halberwachsene oder Mensch von mittlerer Stärke sind. Halbstarke hätte damit eine gewisse semantische Nähe zum älteren Wort Halbwüchsige, das seinerseits ab der Jahrhundertwende eine steigende Bezeugungsfrequenz hat (vgl. die entsprechende Wortverlaufskurve des Google NGram Viewers). Andererseits kann bei der Ausbildung auch der Aspekt der Stärke im Fokus stehen. Betont würde damit eher der Aspekt eines spezifischen auf Kraft ausgelegten Verhaltens dieser Altersgruppe. Für diese Hypothese würde gerade auch der Bezug auf randalierende Jugendgruppen spreche (vgl. Kaiser 1959, 14).

Neben den auf Hamburg bezogenen Belegen stehen weiterhin solche, die auch auf eine Verwendung im Berliner Sprachraum hindeuten (1904; 1919 – Dehn war Pastor aus Berlin-Moabit). Da es sich zunächst offenbar um ein regionalsprachliches Wort handelt, ist die Verbreitung insgesamt gering. Es fällt im Übrigen auf, dass das Wort in augenfälliger zeitlicher Nähe nicht nur zur sogenannten Entdeckung der Jugend um 1900, sondern auch zu anderen Wörtern wie JugendkulturWGd geprägt wird.

Dass das Wort in den 1930er bis 1950er Jahren aus den gedruckten Quellen verschwand, wie die Forschung lange angenommen hat (exemplarisch Kaiser 1959, 18, Grotum 1994, 30), kann heute als widerlegt gelten (1934, 1941). Es kann weiterhin vermutet werden, dass das Substantiv auch in den 1930er und 1940er Jahren weiterhin im mündlichen, vielleicht nach wie vor auch vornehmlich regionalen Sprachgebrauch verwendet wird – jedenfalls bucht Küppers Wörterbuch der deutschen Umgangssprache das Wort Mitte der 1950er Jahre mit der Bedeutung Halbwüchsiger sowie dem Hinweis Um 1930 mdl (Küpper Umgangssprache, 145). Dennoch ist die Bezeugungsfrequenz auch weiterhin eher gering.

Eingang in die Allgemeinsprache: Verbreitung von Halbstarke in den 1950er Jahren

Die DWDS-Wortverlaufskurve zeigt, dass Halbstarke ab Ende der 1940er/Anfang der 1950er Jahre zunächst gelegentlich, ab Mitte der 1950er Jahre mit deutlich ansteigender Bezeugungsfrequenz belegt ist; die Bezeugungshäufigkeit nimmt in den 1960er Jahren wieder ab (vgl. Abb. 1). Die Anführungszeichen in einigen frühen Belegen lassen den Rückschluss zu, dass es sich zunächst nicht um ein im gesamtdeutschen Allgemeinwortschatz sedimentiertes Wort handelt (1949, 1950, 1953a). Zudem sind alle Belege vor 1953 aus der Wochenzeitung Die Zeit, die ihren Sitz in Hamburg hat – und vornehmlich von zwei Autoren, Karl N. Nicolaus und Jan Molitor (das ist Josef Müller-Marein; 1949; 1950; 1952; 1953a). Insofern spiegeln diese frühen Belege wohl noch keine weitere allgemeinsprachliche Verbreitung wider. Dabei ist nicht immer ganz klar auszumachen, inwieweit das Wort in der älteren und engeren hamburgischen Bedeutung Jugendlicher der Arbeiterschicht (1953b) oder aber bereits in einer breiteren Bedeutung von Jugendlicher (1952) verwendet wird – die Übergänge sind wohl fließend.

Die Wortverlaufskurve zeigt eine deutlich steigende Bezeugungsfrequenz ab den 1950er Jahren sowie eine abnehmende Verwendungsfrequenz in den 1960er Jahren.

Abb. 1: DWDS-Wortverlaufskurve zu Halbstarke

DWDS (dwds.de) | Bildzitat (§ 51 UrhG)

Mitte der 1950er Jahre hat Halbstarke schließlich endgültig die Bedeutung Jugendlicher, der sich auffallend und laut aufführt und damit seinen Mitmenschen lästig fällt (vgl. DWDS unter HalbstarkeDWDS) angenommen (1955a, 1955b, 1956d, 1957b). Es wird nun auch in anderen Medien als der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit verwendet (1954b, 1954a, 1955a), was für eine nun gesamtdeutsche Verbreitung des Wortes spricht. Vorwiegend handelt es sich zunächst offenbar um negativ konnotierte Fremdzuschreibungen, gleichwohl sind auch Selbstbeschreibungen belegt (1956a). Überwiegend ist Halbstarke – im Plural – auf männliche Jugendliche bezogen (1956d), kann gelegentlich aber auch weibliche Jugendliche bezeichnen (1959).

Popkultur und Krawalle. Sachhistorische Hintergründe und Konnotationen

Die Konnotationen, die mit dem Wort Halbstarke verbunden sind, lassen sich in zwei wesentliche Bereiche unterteilen: Zum einen verbinden sich die deutlich negativen Vorstellungen von Rowdytum und Randalen. Das hat auch historische Hintergründe: Insbesondere zwischen 1956 und 1958 hat es wiederholt Randale Jugendlicher gegeben, insbesondere nach Kulturveranstaltungen wie Kinovorführungen oder Rock’n’Roll-Konzerten (vgl. etwa Zinnecker 1987, 125–126), die, insofern sie zu breiter Berichterstattung führten, sicher ihren Teil zur Verbreitung des Wortes über die regionale Verwendung hinaus beigetragen haben. Für diese Randale wird das Kompositum Halbstarkenkrawalle geprägt (1956e, 1957a, 1957c, 1957d). In der negativ konnotierten Bedeutung Jugendlicher, der sich auffallend und laut aufführt und damit seinen Mitmenschen lästig fällt kann Halbstarke auch heute noch auf Jugendliche bezogen werden, ohne dass damit notwendig auch Randale assoziiert werden (2013, 2017). Daneben stehen allerdings auch Verwendungen für Jugendlicher im Allgemeinen ohne jene starken negativen Bedeutungsaspekte (2004, 2011).

Zum anderen verbinden sich mit Halbstarke aber auch Vorstellungen eines bestimmten äußeren Erscheinungsbildes, das Jeans (1958b, 1964) und Lederjacke (1956c, 1965) umfasst, sowie die Assoziation des Moped- oder Motorradfahrens (1956b, 1965, 1999b).

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Einen gewissen Einfluss sowohl auf das Selbstverständnis der Jugendlichen als auch auf die sich vor diesem Hintergrund mit dem Wort Halbstarke verbindenden Konnotationen werden im Übrigen Filme gehabt haben. Jedenfalls haben nicht nur die sogenannten Halbstarkenkrawalle gerne nach Filmvorführungen, etwa von Außer Rand und Band (im Original: Rock around the Clock), stattgefunden, darüber hinaus wurden Filme wie …denn sie wissen nicht, was sie tun (im Original: Rebel without a Cause) zu Kultfilmen. Nicht zuletzt kommt 1956 der deutsche Film Die Halbstarken in die Kinos.

Von den die äußeren Erscheinungsmerkmalen betreffenden Konnotationen ausgehend hat sich wohl die heute auch gängige, eher neutrale bis positive Bezeichnung Halbstarker für Anhänger einer bestimmten jugendlichen Subkultur der 1950er Jahre entwickelt (1999a, 1999c, 2001).

Bedeutungserweiterung des Adjektivs halbstark

Vor dem Hintergrund der Ausbildung und Verbreitung des Substantivs Halbstarke nimmt schließlich auch das Adjektiv halbstark eine neue Bedeutung an und kann in der Bedeutung zu den Halbstarken gehörend, wie ein Halbstarker auch in Bezug auf Jugendliche verwendet werden (vgl. Duden online unter halbstark. Vermutlich datiert diese Entwicklung auf die Mitte der 1950er Jahre, jedenfalls ist die Wortverbindung halbstarke Jugendliche bzw. halbstarker Jugendlicher seit dieser Zeit bezeugt (1956f, 1958a, 1960, 2005).

Literatur

1DWB Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1–16. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. (woerterbuchnetz.de)

DWDS DWDS. Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute. (dwds.de)

Grotum 1994 Grotum, Thomas: Halbstarken: zur Geschichte einer Jugendkultur der 50er Jahre. Frankfurt/Main u. a. 1994.

Kaiser 1959 Kaiser, Günther: Randalierende Jugend: eine soziologische und kriminologische Studie über die sogenannten „Halbstarken“. Heidelberg 1959.

Kurme 2006 Kurme, Sebastian: Halbstarke: Jugendprotest in den 1950er Jahren in Deutschland und den USA. Frankfurt 2006.

NDB Neue Deutsche Biographie. Bd. 1 ff. Berlin 1953 ff. (deutsche-biographie.de)

Zinnecker 1987 Zinnecker, Jürgen: Jugendkultur 1940–1985. Opladen 1987.

Küpper Umgangssprache Küpper, Heinz: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Hamburg 1955.

Duden online Duden online. Hrsg. von der Dudenredaktion. Mannheim 2011 ff. (duden.de)

Belegauswahl

Amabile, Dolce, Soave, (Amabile, Dolce, Soave.) verlangen alle einen angenehmen, ſuͤſſen, lieblichen und gelinden Vortrag: wobey man die Stimme maͤßigen, und nicht mit dem Bogen reiſſen; ſondern mit gelinder Abwechſelung des Schwachen und Halbſtarken dem Stuͤcke die gehoͤrige Zierde geben muß.

Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule, entworfen und mit 4. Kupfertafeln sammt einer Tabelle versehen. Augsburg 1756, S. 50. (deutschestextarchiv.de)

Mezzo forte heisset halbstark singen oder spielen.

Kürzinger, Ignatz Franz Xaver: Getreuer Unterricht zum Singen mit Manieren und die Violin zu spielen. Augsburg 1763, S. 85. (books.google.de)

Meeresstille

Langsam, ohne alle Erhebung der Stimme, halbstark.

Johann Friedrich Reichardt: Lieder der Liebe und der Einsamkeit zur Harfe und zum Clavier zu singen. Leipzig [1798], S. 30. (books.google.de)

Deswegen aber sind selbst unsre Stärksten nur in einigen bürgerlichen Verrichtungen, aber nicht in allen menschlichen stark. Deswegen sind die nämlichen oft zugleich sehr stark und sehr schwach. Wie viele unsrer Zeitgenossen können denn, was jeder Mensch können soll? Wie viele können laufen, werfen, ringen, klettern, balanziren, heben, tragen, gehen, schwimmen, wachen, fasten, schreien u. d. m. Wie viele Erziehungsanstalten, wie viele Schulen suchen uns durch diese gymnastischen Uebungen nicht bloß halbstarke Bürger, sondern ganz starke Menschen zu liefern?

Der deutsche Patriot 2.1, 1. 6. 1803, Nr. 003, S. 379. (digitale-sammlungen.de)

Preiszettel der Stiefel im allerneuesten Geschmak […]

Halbstarke, sehr steife 60–72 Fr.

Der aufrichtige und wohlerfahrne Schweizer Bote 36, 4. 9. 1807, S. 283. (digitale-sammlungen.de)

Wie alle Halbſtarke widerſteht er einem Rathe lange, um ihn endlich ſpät als ſeinen eignen zu befolgen.

Jean Paul: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung Briefe, Fünfter Band. Hrsg. von Eduard Berend. Berlin 1961 [1808], S. 223. (deutschestextarchiv.de)

Ein grösserer Klangunterschied ist zwischen dem leisen und starken Tone, und vornehmlich hier sucht das Instrument seine Effecte zu vervielfältigen. Bei aller Kraft aber ist das Euphonion sehr schmiegsam; wir hörten schnelle Scalenläufe, Doppelschläge, Triller, lebhafte Figuren (natürlich halbstark) äusserst nett und sicher ausführen.

Allgemeine Musikalische Zeitung, 16. 4. 1845, Nr. 16, S. 278. (digitale-sammlungen.de)

Fichtenspäne, sowohl starke zu Feldspiegeln, als auch halbstarke zu Schubladenspiegeln offerirt zur gefälligen Abnahme Friedrich Heberlein.

Fürther Tagblatt, 3. 3. 1846, Nr. 35, S. 144. (digitale-sammlungen.de)

Cigarren.

La Vigilamia, Londres, halbstark, 100 Stück 2 fl. 24 fr.

Münchener Bote für Stadt und Land, 19. 12. 1854, Nr. 300, S. 1335. (digitale-sammlungen.de)

Die auf lat. -ui sich gründenden Perfectbildungen mit -g- sind m Catal. besonders zahlreich. Das g bleibt in allen Formen. Die […] 1. Sing. zieht guí, die 3. Plur. guéren vor, eine Verquickung starker und schwacher Form, die man halbstark nennen kann.

Mussafia, Adolf: Die catalanische metrische Version der sieben weisen Meister. In: Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philosophische Classe. 25. Band, Wien 1876, S. 151–233, hier S. 174. (books.google.de)

Eine Bewegung geht durch die stille Gemeinde. Es sind so viele jugendliche Sünder darunter, Jungen von 16, ja von 14 und 13 Jahren, die diese sonderbare Geschichte noch vor ganz kurzer Zeit selbst erlebt haben – - und wie erst einer leise schluchzt, fangen viele anderen auch an. Zwar die „Halbstarken“, die schon den Mann markieren, die runzeln die Stirn und sehen außerordentlich gleichgiltig aus, als ginge sie das alles gar nichts an, aber sie wagen doch nicht recht, den Geistlichen anzusehen und schauen lieber dem Sonnenstrahl nach, der jetzt im Gitterwerk des Chors weiterkriecht. Oben aber, wo die Alten sitzen, hat sogar das ewige Räuspern und Husten aufgehört.

N. N.: Plötzensee. Bilder aus dem Berliner Central-Gefängnis. Berlin [1904], S. 61–62.

Porzellan: […]

Tassen, dünn und halbstark mit Teller 10 Pf.

Allgemeine Zeitung 108, 25. 6. 1905, Nr. 287, S. 4. (digitale-sammlungen.de)

Mezza voce (ital., spr. wohtsche), abgekürzt m. v., mit halber Stimme, gedämpft. Mezzo (ital.), halb, häufig in Zusammensetzungen, z. B. mezzoforte (abgekürzt mf.), halbstark, mezzopiano (mp.), ziemlich leise. Mezzofanti, Giuseppe, Sprachkenner, geb. 17. Sept. 1774 zu Bologna, gest. 14. März 1849 als Kardinal zu Neapel, sprach 58 Sprachen.

N. N.: M. In: Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon, Berlin: Directmedia Publ. 2001 [1906], S. 48474. [DWDS]

Das angetrunkene Weib erwiderte mit einem unflätigen Schimpfwort, ein paar Halbstarke nahmen ihre Partei und sperrten dem Berliner den Weg. Der gab dem Burschen gerade vor ihm einen krödtigen Schubs.

Popert, Hermann: Helmut Harringa. Eine Geschichte aus unserer Zeit. Dresden 1915 [1905], S. 62.

Der „Halbstarke“ soll der junge Mann im Alter von 15–22 Jahren sein, der zur verkommenen Großstadtjugend gehört; es soll hier nicht von dem eigentlichen Vagabunden, von dem Stromer die Rede sein, wie er sich auf den Landstraßen herumtreibt; es soll hier auch nicht von dem völlig verlorenen Zuchthäusler und Verbrecher geredet werden; ich will auch nicht den notorischen Lumpen zeichnen, der sich schon völlig einem bestimmten Laster ergeben hat und sich für eine besondere Art des Verbrechens entschieden hat. Der „Halbstarke“ ist der „verkommene“ junge Mensch.

Schultz, Clemes: Die Halbstarken. Leipzig 1912, S. 7.

Die Halbstarken sind die degenerierte Volksjugend. Die Bezeichnung ist wohl von Hamburg herübergekommen, wo sie lokale Bedeutung gehabt hat. Sie bringt gut zum Ausdruck, worum es sich handelt. Man sieht die starken Männer vor sich, die eben noch keine Männer sind. […] Es sind die verlorenen Kinder des vierten Standes.

Dehn, Günther: Großstadtjugend. Beobachtungen und Erfahrungen aus der Welt der großstädtischen Arbeiterjugend. Berlin 1919, S. 82.

Zwischen Wolf und das Plakat schob sich ein „Halbstarker“ mit seinem Mädchen, die Zigarette im Mundwinkel, den Überzieher streng gegürtet.

Wiechert, Ernst: Der Totenwolf [1922]. In: ders.: Sämtliche Werke in zehn Bänden. Band 2 Der Totenwolf. Der Knecht Gottes. Andreas Nyland. Romane. Wien u. a. 1957, S. 7–253, hier S. 231.

Jungens von 15, 16 Jahren, Halbstarke, wie man in Hamburg sagt.

Hauser, Heinrich: Kampf. Geschichte einer Jugend. Jena 1934, S. 52.

Auffallend viel Jugend und Halbstarke befand sich unter den Demonstranten.

Blome, Kurt: Arzt im Kampf. Erlebnisse und Gedanken. Leipzig 1941, S. 72.

Als ich die Arena der „Jive-Nacht“ betrat, hatte ich eine Vision: ich sah schwarz für die Portokassen Hamburgs. Denn wie sonst sollten so viele „Halbstarke“ den Eintrittspreis von zehn D-Mark aufgebracht haben? Teils standen sie mit jener Lässigkeit herum, die aus den Menschen eine besondere Sorte von Fragezeichen macht.

Die Zeit, 14. 4. 1949, Nr. 15. [DWDS] (zeit.de)

„Wieso ist Karl einer von euch? Seid ihr die mit den Muskeln, die Halbstarken?“

Die Zeit, 6. 4. 1950, Nr. 14. [DWDS] (zeit.de)

Der Junge aber –: seine Augen glühn, sein Mund ist aufgerissen, so daß ich ihn, dessen Ebenbild vor einer Generation noch „Jüngling“ hieß, an der Schulter rüttele: „Na, du Halbstarker, du Backfisch-Bengel… komm ein bißchen zu dir!“

Die Zeit, 23. 10. 1952, Nr. 43. [DWDS] (zeit.de)

Bei alledem wäre es töricht, wenn man nicht sehen wollte, daß die Strips eine Weltmacht geworden sind, daß sie (gegen die Einsicht und Ansicht der vernünftigen Leute) sich unaufhörlich ausbreiten, nicht nur bei Kindern und „Halbstarken“.

Die Zeit, 28. 5. 1953, Nr. 22. [DWDS] (zeit.de)

Er war auch mit Gruppen der Jugend nach St. Pauli gegangen, auf die Reeperbahn, mitten in den Rummel der „faden Glückseligkeit“ – nicht, um dort der Heilsarmee Konkurrenz zu machen, sondern um mit denArbeitern, den Seeleuten, den Halbstarken, den lachten Mädchen in Gespräche zu kommen.

Die Zeit, 20. 8. 1953, Nr. 34. [DWDS] (zeit.de)

Berlins Lokalreporter deckten sich für Wochen ein mit Stories über spielende Halbstarke und über spielende Kinder, die hochgehoben werden müssen, weil sie zu klein sind, ihre Groschen in den Schlitz zu stecken. Eltern beschwerten sich beim Jugendamt, daß ihre Söhne und Töchter in den Spielhallen umherlungerten.

Der Spiegel, 7. 4. 1954, S. 34. [IDS]

Mit seinem Namen verbanden bis zum 2. April dieses Jahres Mitteldeutschlands Halbstarke mit verdrängten Freiheits-Komplexen die Idealvorstellung „westlicher“ Lebensweise.

Der Spiegel, 14. 4. 1954, S. 8. [IDS]

Hier herrscht oft eine Atmosphäre, die etwas beängstigend wirkt: Die kleinen „Existentialisten“ in den Studentenlokalen, die sogenannten „Halbstarken“ in den Eisdielen. Was hier von vielen einzelnen an mißverstandener Modernität und Rabaukerei nur mitgemacht wird, bleibe unerörtert.

Weber, Annemarie (Hg.), Die Hygiene der Schulbank, Wiesbaden: Falken-Verl. 1955, S. 371. [DWDS]

Auf dem Bürgersteig vor den Kinos flanieren polnische „Halbstarke“ in Hemden und Pullovern von schreienden Farben, reden laut, kaufen Alkohol und raufen sich im Spaß.

Die Zeit, 29. 9. 1955, Nr. 39. [DWDS] (zeit.de)

"[…] Sie verstehen uns nicht, und weil sie uns nicht verstehen, behaupten sie jetzt, wir seien verwahrlost und verstockt. Weil unsere Moral anders ist, vielleicht weniger muffig, weil wir die Zeit von damals nicht vergessen haben und selbständiger sind als die Großen es wollen, deshalb sind wir nun auf einmal Halbstarke. Aber, verdammt nochmal, morgen vielleicht, da sollen wir wieder Helden sein, und ich finde, irgendwie geht die Rechnung nicht auf… “

Die Zeit, 26. 4. 1956, Nr. 17. [DWDS] (zeit.de)

Filmtheaterkontrollen sind durchzuführen, und besondere Aufmerksamkeit ist auf die jugendlichen Motorradfahrer zu richten, die auf den Straßen Privatrennen veranstalten. Immer neue Straftaten von Halbstarken kommen vor die bayerischen Gerichte.

Die Zeit, 21. 6. 1956, Nr. 25. [DWDS] (zeit.de)

Die Jungen selbst regten ein Einschreiten der Verkehrspolizei an, „wenn sich einige von uns die Schalldämpfer ausbauen lassen“ und übermäßigen Lärm verursachen; schließlich sei nicht alles, was Lederjacken trüge und Motorrad fahre, ein Halbstarker oder ein Rowdy.

Die Zeit, 2. 8. 1956, Nr. 31. [DWDS] (zeit.de)

Die „Halbstarken“ und ihre Mädchen benehmen sich dann auf eine so übertriebene Weise unmoralisch, wie es in der japanischen Wirklichkeit kaum vorkommt: auch das ist „modern“.

Die Zeit, 23. 8. 1956, Nr. 34. [DWDS] (zeit.de)

Während ein Junge von Herrn Eisler hören wollte, was er zu den Halbstarkenkrawallen in Westberlin zu sagen hätte, versuchten unten vor dem Haus ein paar angetrunkene Jugendliche mit einem Tisch die Tür einzudrücken, um sich Einlaß in den überfüllten Saal zu verschaffen.

Die Zeit, 27. 9. 1956, Nr. 39. [DWDS] (zeit.de)

Wie weiland Harun al Raschid wandelteAnnemarie Mevissen, von Amts wegen mit der Sorge um die Jugend im Land Bremen belastet, unerkannt durch eine vielhundertköpfige Menge – alles Juendliche der Jahrgänge, denen so gern das Attribut „halbstark“ beigegeben wird.

Die Zeit, 29. 11. 1956, Nr. 48. [DWDS] (zeit.de)

Schon heute müssen einige schwer in den sonstigen Habitus der nüchternen Generation einzufügende Erscheinungen hier mit ihre Wurzeln haben: die rauschhaft-ekstatische Hingabe an die vitale Musik der Jazz-Sessions, an die akrobatisch aufgelösten modernen Tanzformen und nicht zuletzt schließlich das individuelle Außersichsein in den sogenannten Halbstarkenkrawallen.

Schelsky, Helmut: Die skeptische Generation, Düsseldorf: Diederichs 1957, S. 494. [DWDS]

Für großspurige Randalierer zwischen 15 und 20 erfand man Anfang der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts den heute fast zum Schimpfwort gewordenen Begriff »Halbstarke«.

Smolka, Karl: Gutes Benehmen von A – Z. In: Zillig, Werner (Hg.) Gutes Benehmen, Berlin: Directmedia Publ. 2004 [1957], S. 14687. [DWDS]

Der Schauplatz dieser jüngsten „Halbstarkenkrawalle“ war Schwedens gepflegte, wohlgeordnete Hauptstadt.

Die Zeit, 17. 1. 1957, Nr. 03. [DWDS] (zeit.de)

Von diesen Halbstarkenkrawallen – man hört jetzt weniger von ihnen, vielleicht weil unsere Illustrierten finden, daß sie nicht mehr besonders „ziehen“ – von diesen Vorfällen in der Bundesrepublik und Westberlin handelt die Untersuchung, die von einer Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge dem Psychologischen Institut der Universität Hamburg anvertraut wurde.

Die Zeit, 21. 11. 1957, Nr. 47. [DWDS] (zeit.de)

In das heute so rar gewordene Fach der dicken Männer gehörig, hat er nach dem Krieg als Darsteller von jugendlichen Schleichhändlern Triumphe geerntet, später mit Vorliebe die Russen gereizt und ist dann als kabarettistisches Zerrbild halbstarker Jugendlicher zu fast legendärer Beliebtheit aufgestiegen.

Die Zeit, 19. 6. 1958, Nr. 25. [DWDS] (zeit.de)

Hier und da sieht man einen Pferdeschwanz, nirgends ein behostes Mädchen – so ängstlich ist man geworden, seit Anfang dieses Jahres eine Razzia gegen die „Huligane“ (die Halbstarken Bulgariens) stattfand. Anhaltspunkte für die Milizsoldaten warenBlue Jeans, Duffle-Coats und Pferdeschwanzfrisuren.

Die Zeit, 18. 9. 1958, Nr. 38. [DWDS] (zeit.de)

Da heißt es zum Beispiel von den „Halbstarken“:„weil diese blutarmen jungen Leute übermäßig lange (wenn sie Burschen sind) und übermäßig kurze Haare tragen (wenn es sich um Mädchen handelt)“.

Die Zeit, 7. 8. 1959, Nr. 32. [DWDS] (zeit.de)

Viele Kenner des südafrikanischen Schauplatzes befürchten, daß die zwangsläufig in immer jüngere und immer unkompetentere Hände abgleitende Führung der Bantu-Bewegung infiltriert werden wird von der großen Zahl Krimineller und „halbstarker“ Jugendlicher, die ohnehin den Schrecken der großen Städte Südafrikas bilden.

Die Zeit, 8. 4. 1960, Nr. 15. [DWDS] (zeit.de)

Vielleicht trägt dieser SiebzehnjährigeBlue jeans, liebt Jazz und wird bei Gelegenheit „Halbstarker“ genannt.

Die Zeit, 13. 3. 1964, Nr. 11. [DWDS] (zeit.de)

Die Marinesoldaten kleideten sich wie die Halbstarken, zogen Lederjacken an und fuhren auf knatternden Mopeds durch die Stadt.

Die Zeit, 11. 6. 1965, Nr. 24. [DWDS] (zeit.de)

Die Rede ist von Gruppen „Halbstarker“, die vor mehr als 40 Jahren quasi die erste europäische Jugendkultur kreierten.

Berliner Zeitung, 12. 2. 1999. [DWDS]

Das „passende“ Fahrzeug, wenn die „Halbstarken“ sich denn eines leisten konnten, war das Moped.

Berliner Zeitung, 12. 2. 1999. [DWDS]

Außerdem seien Schröder und die Seinen keine 68er, sondern die Halbstarken der späten Fünfziger, die mit dem Moped die Dorfstraße hoch- und runterfuhren siehe das letzte halbe Jahr.

Die Zeit, 16. 9. 1999, Nr. 38. [DWDS] (zeit.de)

Um das Autokino ranken sich Legenden, alle irgendwie amerikanisch. Sie erzählen von den fünfziger Jahren: vom Kult um das Auto, von Halbstarken mit Pomade im Haar und Mädchen im Petticoat, von einer verklemmten Gesellschaft, die ihre jungen Pärchen vom Haus in den Wagen verbannte.

Berliner Zeitung, 15. 6. 2001. [DWDS]

Monate später – der Junge hatte inzwischen eifrig trainiert – wollte der Halbstarke bei Jim Boxen lernen.

Die Zeit, 7. 4. 2004, Nr. 16. [DWDS] (zeit.de)

Beide sind halbstarke Jugendliche, ausgestattet mit einem guten Schuss Testosteron und lässigem Übermut.

Die Zeit, 11. 5. 2005, Nr. 20. [DWDS] (zeit.de)

Zigarettenbürschle werden im Fränkischen Halbstarke genannt. Jugendliche, die auf dicke Hose machen, sich oberwichtig nehmen.

Die Zeit, 21. 12. 2011, Nr. 50. [DWDS] (zeit.de)

So wie neulich, als der junge Mann am späten Abend zu Fuß auf dem Weg nach Hause war. Ein paar Halbstarke pöbelten ihn aus dem Dunkeln von ihren Motorrädern herab an: „Hey, du siehst aus wie eine Frau.“

Die Zeit, 17. 10. 2013, Nr. 43. [DWDS] (zeit.de)

An der Schiffschaukel lungern ein paar Halbstarke herum und rauchen, das Kreischen der Mädchen hängt in der Luft.

Die Zeit, 18. 7. 2017 (online). [DWDS] (zeit.de)