Das Deutsche ist eine der bedeutendsten Kultursprachen der Welt. Unsere Sprache in ihren unterschiedlichen Eigenschaften zu erforschen und die dabei gewonnenen Einsichten der Öffentlichkeit in umfassender, klarer und verständlicher Form zu vermitteln, ist eine dauerhafte Aufgabe von nicht nur wissenschaftlichem, sondern auch von großem gesellschaftlichem Interesse. Dies gilt vor allem für jenen Bereich, der für den Ausdrucksreichtum einer Sprache ausschlaggebend ist – den Wortschatz. Verlässliche Informationen über Schreibweise, Aussprache, Bedeutungen, grammatische Eigenschaften, regionale wie stilistische Variationen und Herkunft der Wörter des Deutschen sind für Wissenschaftler vieler Fächer, aber auch für Journalisten, Übersetzer, Lehrer, Deutschlerner aus aller Welt, überhaupt für jeden, der sich für die deutsche Sprache interessiert, von Bedeutung. Das Deutsche kann auf eine reiche Tradition der Wörterbucharbeit zurückblicken, wie sie nur für wenige andere Kultursprachen besteht. Sie reicht von dem monumentalen „Deutschen Wörterbuch“ der Brüder Grimm (1852–1961) über die unterschiedlichsten Spezialwörterbücher bis zu zweisprachigen Wörterbüchern für Reisende; getragen wurde sie größtenteils zum einen von den Akademien und einzelnen Universitätsinstituten, zum anderen von einer Reihe von Verlagen.
Diese Tradition ist innerhalb weniger Jahre in ernste Schwierigkeiten geraten. Das hat drei Gründe:
Möglich wird dies durch den systematischen Einsatz digitaler Methoden in der Lexikographie, so wie sie in den letzten Jahren weltweit an verschiedenen Stellen entwickelt wurden. Mit diesen Methoden lassen sich auch die Ergebnisse der deutschen Lexikographie für zahlreiche IT-Anwendungen wie der Mensch-Maschine-Interaktion und das „Textmining“ nutzen.
Ziel des Zentrums für digitale Lexikographie der deutschen Sprache (ZDL) ist es, ein digitales Informationssystem zu entwickeln und zu betreiben, das den deutschen Wortschatz umfassend und verlässlich beschreibt und das diese Beschreibung nutzergerecht ausgestaltet. Dabei soll auch das bisherige lexikalische Wissen, so wie es sich in vorhandenen Wörterbüchern niederschlägt, in geeigneter Weise eingebunden werden. Das Zentrum verbindet wissenschaftliche Erkenntnisse unmittelbar mit gesellschaftlichem Nutzen. Es muss Aktualität sicherstellen: Der Wortschatz einer Sprache verändert sich ja fortwährend, und diesem Wandel muss das Wörterbuchsystem gerecht werden. Entsprechendes gilt für die älteren Sprachstadien, in denen sich der Wortschatz zwar nicht mehr ändert, wohl aber unsere Kenntnis über ihn durch neu erschlossene Texte.
Dies ist eine Aufgabe, die sich von einzelnen Akademien oder Universitätsinstituten nicht bewältigen lässt; sie erfordert Beiträge aus vielen Forschungsstätten, die jeweils zeitlich und thematisch beschränkte Module bearbeiten. Nachhaltig lässt sich ein solches Vorhaben aber nur verwirklichen, wenn ein stabiler, institutionell verfasster Kern besteht, der das System technisch und lexikographisch betreut, die einzelnen Module koordiniert, in flexibler Weise integriert und langfristig verfügbar macht. Anders als beim klassischen Wörterbuch wird in der digitalen Lexikographie der Wortschatz nicht in Form gedruckter Bücher beschrieben, sondern als digitales lexikalisches System, das über das Internet für alle Interessierten zugänglich ist. Es besteht aus einzelnen Komponenten, die digital miteinander verbunden sind, sich in überschaubarer Zeit bearbeiten lassen und einzeln finanzierbar sind. Einige dieser Module gelten der flexibel erweiterbaren Datengrundlage, andere der Beschreibung bestimmter Worteigenschaften (Aussprache, Schreibweise, Bedeutungen, Herkunft usw.), und wiederum andere stellen bestimmte Suchwerkzeuge zur Verfügung. Auf diese Weise wird es zum einen möglich, dass sich verschiedene Forschungsstätten an der Entwicklung beteiligen, und zum anderen, dass der Ausbau mit dem Erkenntnisfortschritt wie auch mit der steten Veränderung der Sprache selbst Schritt hält. Es ist weiterhin möglich, die Nutzer selbst in die Entwicklung des Systems einzubinden und es fortwährend ihren spezifischen Interessen und Bedürfnissen anzupassen.
Vier Akademien tragen unter dem Dach der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften zusammen das ZDL:
Hinzu kommt das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) als Kooperationspartner.
Das Zentrum für digitale Lexikographie der deutschen Sprache wird gefördert durch:
Im Rahmen der achtjährigen Aufbauphase erhalten die BBAW (Projektkoordination, Gegenwartslexikographie, IT-Plattform, Computerlinguistik), die NAWG (Wortgeschichte) sowie das IDS (Kooperationspartner für Neologismen und für gegenwartssprachliche Textkorpora) finanzielle Unterstützung. Verbundkoordinator des Gesamtvorhabens ist Thomas Gloning, Leiter des Göttinger Teilprojekts ist Andreas Gardt.
Schwerpunkt der auf acht Jahre angelegten Aufbauphase ist die Bearbeitung des Neuhochdeutschen (NAWG) und des Gegenwartsdeutschen (BBAW). Dazu soll analog zu den Akademienvorhaben an der BBAW und der NAWG je eine Arbeitsstelle eingerichtet werden, über deren Ausstattung und Aufgaben die beiden Akademien gemeinsam entscheiden. Leiter der Berliner Arbeitsstelle ist Alexander Geyken, Leiter der Göttinger Arbeitsstelle ist Volker Harm.
Technisch und auch bezüglich der verwendeten lexikalischen Ressourcen und Textkorpora soll die Plattform des ZDL auf der bereits bestehenden Plattform des DWDS aufbauen.
Im weiteren Verlauf soll es gemeinsam mit anderen Forschungsstätten schrittweise ausgebaut werden; hierzu tragen insbesondere die Akademien in Göttingen, Leipzig und Mainz mit ihren Epochenwörterbüchern des Deutschen, aber auch viele andere thematisch einschlägige Einrichtungen bei.
Im Berliner Teil des Zentrums greifen die Arbeiten eines interdisziplinären Teams (aus den Bereichen Sprachwissenschaft, Lexikographie, Computerlinguistik und Informatik) ineinander. In der lexikographischen Arbeit werden korpusbasierte Beschreibungen des Wortschatzes der deutschen Gegenwartssprache erstellt bzw. bestehende Wörterbuchartikel überarbeitet. Computerlinguistische Werkzeuge zur stärkeren Automatisierung der lexikographischen Arbeit sollen entwickelt bzw. angepasst werden.
In der Göttinger Arbeitsstelle des Zentrums konzentriert sich ein Team aus Lexikographinnen und Lexikographen auf die Erstellung von „Wortgeschichten“ für ausgewählte und besonders repräsentative Wörter aus dem Deutschen als moderner Kultursprache. Ziel dabei ist es, die wesentlichen Entwicklungen in der jüngeren Wortschatzgeschichte von 1600 bis zur Gegenwart nachzuzeichnen.
Der mitgestaltende Kooperationspartner des Zentrums, das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim, wird das Angebot an neuen und überarbeiteten Stichwörtern durch seine lexikographischen Beiträge zu Neologismen ergänzen.
Die Projektergebnisse werden über die Webplattform des ZDL zeitnah der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.